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News: Radioaktive Cocktails als explosive Saubermacher

Herkömmliche Bodenmineralien lassen zusammen mit ionisierender Strahlung giftige Abfallstoffe in einfachere Verbindungen zerfallen. Diese Erkenntnis führt vielleicht einerseits zu einer neuen, günstigen Methode, chemische Abfallprodukte preiswert zu beseitigen. Andernseits stellt dieses neue Wissen eine Warnung dar: Spaltbare Stoffe in geschlossenen Lagerbehältern im Nuklearlager Hanford (USA) könnten Druck entwickeln und schließlich explodieren.
In Laborexperimenten demonstrierten Forscher der Northwestern University und der University of Notre Dame, daß Aluminiumoxid chemische Reaktionen beschleunigen kann, bei denen Gammastrahlung giftige Chlor-Chemikalien abbaut. Aluminiumoxid kommt in vielen Bodenarten vor, aber auch Siliciumdioxid (Kieselerde) und andere Oxide, wie zum Beispiel Lehm, könnten sich ähnlich verhalten. Gammastrahlen sind hochenergetische elektromagnetische Wellen, die von vielen hochradioaktiven Abfallprodukten abgegeben werden.

Die gute Nachricht hierbei ist: Gammabestrahlung kann als effektives Mittel eingesetzt werden, um einige hochgiftige Schadstoffe in verseuchten Böden abzubauen. Hierzu gehören Dioxin oder polychlorierte Biphenyle (PCB). Die schlechte Nachricht: Die 177 riesigen unterirdischen Tanks im Nuklearlager von Hanford im östlichen Washington, in denen sich 200 000 000 Liter hochradioaktive und chemische Abfallstoffe befinden, könnten ein explosives Sicherheitsrisiko werden. Denn während die Chemikalien in den Tanks durch die Mineralien abgebaut werden, bilden sich flüchtige Gase wie Wasserstoff oder Methan.

In dem annähernd 1450 Quadratkilometer großen Lager bei Hanford produzierte die amerikanische Regierung vom Zweiten Weltkrieg bis zum Ende des Kalten Krieges Plutonium. Von den vor Ort lagernden 177 Tanks sind durch Lecks in siebzig Behältern bereits ungefähr 3 800 000 Liter Abfallstoffe in Boden und Grundwasser gelangt und gefährden den 19 km entfernten Columbia River.

"Es handelt sich um große Kessel radioaktiver Suppe", bemerkt Kimberly A. Gray von der Robert R. McCormick School of Engineering and Applied Science an der Northwestern University. Gray führte die Studie mit Prashant V. Kamat vom Strahlungslaboratorium der University of Notre Dame durch, sowie mit dem an der Northwestern University tätigen George A. Zacheis. Von den Ergebnissen berichtete das Journal of Physical Chemistry B in seiner Ausgabe vom 25. März 1999.

1998 suchten Gray und ihre Kollegen nach Möglichkeiten, Strahlung zu verwenden, um mit ihr ausgehobene Böden zu reinigen. Dabei beobachteten sie, daß sich einige Bodenarten leichter als andere reinigen ließen. "Wir merkten: Immer, wenn die Böden reich an Mineralien waren, funktionierte der Prozeß besonders gut", so Gray.

In der neuen Studie demonstrierten die Forscher, daß die Chemikalie Hexachlorbenzol (HCB) leicht von ihren Chloratomen befreit werden kann und sich durch Gammastrahlen abbauen läßt, sofern das HCB Aluminiumoxid umgibt. HCB, das selbst ein verbreiteter Schadstoff ist, dient gleichzeitig als Modellvorlage für seine chemischen Verwandten, die polychlorierten Biphenyle und Dioxine. Diese sind zwar nicht so häufig, aber dafür umso giftiger.

Wenn man HCB und ähnliche Chemikalien vermengt, neigen sie dazu, Mineralien- oder Salzteilchen zu ummanteln. Die Studie zeigt: Ist das Teilchen ein Oxid, wird es von den Gammastrahen aktiviert, so daß es schließlich jene Reaktion auslösen kann, die die Chemikalie in ihre Bestandteile zerlegt. Dies legt den Schluß nahe, diesen strahlungsinduzierten Abbau von giftigen Stoffen, die sogenannte Radiolyse, auch technisch einzusetzen – sowohl im Umweltschutz, als auch in der Industrie.

Strahlung kann Böden durchdringen und aus der Ferne wirken. Daher müssen Schadstoffe nicht mehr aus den Böden gewaschen werden. In der Industrie könnte man dem chemischen Abfallstrom Mineralien zusetzen und die Mischung dann mit Gammastrahlen beschießen und so die Abfallstoffe effektiv entgiften. Es ließen sich sogar Chemikalien erzeugen, die wiederverwendbar wären.

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