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Elektrochemie: Rätsel um Überspannung bei Wasserelektrolyse gelüftet

Ein Schlüsselschritt der Wasserelektrolyse ist aufgeklärt. Das könnte technische Prozesse zur Herstellung von Wasserstoff effizienter machen.
Viele kleine Wassertropfen schweben vor einem verschwommenen, leuchtend blauen Hintergrund. Die Tropfen sind scharf fokussiert und reflektieren das Licht, was ihnen ein glänzendes Aussehen verleiht.
Bei der Elektrolyse von Wasser entstehen Sauerstoff und Wasserstoff. Die Sauerstoffentstehung benötigt aber mehr Energie als theoretisch berechnet.

Bevor sich Wasser mit Hilfe von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff spalten lässt, müssen sich die Wassermoleküle zunächst in die richtige Position bringen. Erst dann startet die eigentliche Reaktion. Diesen Mechanismus hat ein Forschungsteam der Northwestern University in den USA nun entdeckt und beantwortet damit eine seit Jahrzehnten bestehende Frage: warum man zum Starten der Wasserelektrolyse mehr Energie braucht, als es die Theorie erwarten lässt. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden im Fachmagazin »Science Advances« veröffentlicht. Mit den Erkenntnissen ließen sich technische Verfahren zur klimaneutralen Herstellung von Wasserstoff effizienter machen.

Das Grundprinzip der Elektrolyse, also die Wasserspaltung durch Strom, ist einfach erklärt: Ganz grob gesagt tauchen dabei zwei Elektroden in einen Behälter mit Wasser. Legt man dann eine Spannung an, entsteht an einer Elektrode molekularer Sauerstoff (O2), an der anderen molekularer Wasserstoff (H2). Welche Spannung man aufbringen muss, damit jede dieser Reaktionen startet, lässt sich berechnen. Doch die Sauerstoffentstehung macht Chemikern seit jeher einen Strich durch die Rechnung: Sie startet einfach nicht bei der theoretisch ermittelten Spannung, sondern benötigt stets mehr Energie.

Wie diese »Überspannung« genau zu Stande kommt, war bislang nicht geklärt. Es wurde aber schon länger vermutet, dass die Grenzschicht zwischen der Elektrode und dem Wasser dabei eine Rolle spielt. Während die einzelnen Moleküle in einer Flüssigkeit nämlich ungeordnet herumschwirren, bilden sie an der Grenze zu einem anderen Stoff eine gewisse Ordnung aus. Solche Grenzschichten sind schwierig zu untersuchen und werden daher meist theoretisch modelliert.

Forscher um den Chemiker Franz Geiger haben jetzt die Wasserelektrolyse an Nickelelektroden untersucht und die Wassermoleküle in der Nähe der Elektrode, an der Sauerstoff entsteht, mit einer eigens entwickelten Methode genauer angesehen. Dabei haben sie erstmals direkt beobachtet, wie Wassermoleküle ab einer gewissen Spannung »umklappen«. Im Wassermolekül stehen von einem Sauerstoffatom zwei Wasserstoffatome in einem Winkel von 104 Grad ab. Auf Grund der unterschiedlichen elektronischen Eigenschaften seiner Elemente ist Wasser ein elektrischer Dipol: Das Sauerstoffatom ist negativ polarisiert, die Wasserstoffatome positiv. An der Grenzfläche zu einem anderen Stoff richten sich die Moleküle daher so aus, wie es Magnete tun – unterschiedliche Pole zeigen zueinander. »Elektroden sind negativ geladen. Daher wird ein Wassermolekül sich so ausrichten, dass die positiv geladenen Wasserstoffatome zur Oberfläche der Elektrode zeigen«, erklärte Geiger in einer Pressemitteilung. In dieser Position kann sich kein molekularer Sauerstoff bilden, denn das Sauerstoffatom des Wassers hat keinen direkten Kontakt zur Elektrode. Den braucht es aber, damit es Elektronen auf die Elektrode übertragen kann – erst dann kann molekularer Sauerstoff entstehen.

Wie das Team um Geiger beobachtete, drehten sich die Wassermoleküle an der Elektrode um und zeigten mit den Sauerstoffenden zur Elektrode, sobald das angelegte elektrische Feld stark genug war. Direkt im Anschluss startete dann die gewünschte Sauerstoffbildung.

Die Erkenntnisse gehen über das rein akademische Interesse hinaus, denn mit ihnen ließen sich technische Verfahren zur Wasserelektrolyse effizienter machen: So könnte man etwa den pH-Wert der Lösung anpassen oder Elektroden entwerfen, die das »Umklappen« der Wassermoleküle erleichtern.

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