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Saudi-Arabien: Rätselhafte Rechtecke dienten uralten Ritualen

Archäologen haben in einer Wüste in Saudi-Arabien gigantische Steineinfassungen untersucht. Nun wissen sie mehr über das Alter und den Zweck der mysteriösen Anlagen.
Rechteckanlage in Saudi-Arabien - mit Forscher im Hintergrund

Bislang kannten Forscher die riesigen Steinstrukturen nur von Satellitenbildern. Nun haben Huw Groucutt und sein Team die rätselhaften Monumente im Nordwesten von Saudi-Arabien auch vor Ort untersucht. Die Archäologen vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena und dem Saudi Ministry for Tourism konnten dabei erstmals eines der aus Steinen angelegten Rechtecke in die Zeit um 5000 v. Chr. datieren. Sie vermuten, dass es sich um Ritualorte früher Gemeinschaften von Viehhirten handelte.

Laut seiner Studie im Fachblatt »The Holocene« dokumentierte Groucutts Team insgesamt 104 solcher Rechteckanlagen in der Nefud-Wüste, indem die Forscher zunächst Satellitenaufnahmen auswerteten. Die als Mustatils (arabisch für »Rechteck«) bekannten Steinstrukturen sind unterschiedlich groß: Die längste erstreckt sich über 600 Meter und ist rund 80 Meter breit. Die Monumente bestehen aus zwei gegenüberliegenden terrassenähnlichen Steinplattformen, die, verbunden durch zwei Mauern, ein langes Rechteck bilden. Die Mauern sind flach, weniger als einen halben Meter hoch. Die Erbauer legten sie aus Gestein an, das sie innerhalb des Rechtecks ausgeräumt hatten. Da die Archäologen keine Eingänge identifizieren konnten, gehen sie davon aus, dass die Anlagen keinem praktischen Zweck etwa als Viehstall oder Wasserreservoir dienten. Womöglich, so vermuten sie, ging es den Bauherren darum, eine Art Pfad zwischen den Plattformen anzulegen.

Steinzeitdekor | Die Archäologen entdeckten einen mit Rauten bemalten Stein. Der Brocken war Teil einer Mustatil-Plattform.

Wie die Forscher in ihrer Studie schreiben, seien die Mustatils nicht gleichmäßig über die Region verteilt, sondern stets zu mehreren an einer Stelle gruppiert worden. Warum die Erbauer diese Orte wählten, darüber können die Archäologen momentan nur spekulieren. Einige Mustatils befinden sich nahe von Felsaufschlüssen, wo sich das Gestein für Plattformen und Mauern direkt an der Oberfläche brechen ließ. Andere wiederum liegen unweit von Landschaftsbecken, wo sich während der Jungsteinzeit wahrscheinlich Seen gebildet hatten. Ein klares Verteilungsschema haben die Wissenschaftler bisher jedoch nicht erschließen können.

Grasland statt Wüste, Regen statt Trockenheit

Überhaupt dürften die Rechtecke zu einer Zeit entstanden sein, als sich in Nefud statt Wüste Grasland erstreckte und reichlich Niederschläge fielen. Zwar wissen die Forscher um Groucutt noch nicht, welche archäologische Kultur die Mustatils errichtete, doch der Blick auf Fundorte anderswo auf der Arabischen Halbinsel verrät, dass vermutlich Viehhirten ihre Herden durch diese Landschaften trieben. Im Süden und Osten der Arabischen Halbinsel etwa reichen deren früheste Zeugnisse in die Zeit um 6800 bis 6000 v. Chr. zurück.

Dass auch die Rechteckanlagen in jener Epoche der Jungsteinzeit entstanden sind, bestätigt eine C-14-Datierung. An einer Struktur bargen die Forscher ein Stück Holzkohle, das sie mit Hilfe der Radiokarbonmethode auf ein Alter von 7000 Jahren bestimmten. Ebenso sammelten sie Tierknochen auf, die von Wildtieren stammen, womöglich aber auch von domestizierten Rindern.

Mustatil von innen | Über 600 Meter lang ist diese Rechteckanlage. Es ist die größte von mehr als 100 Mustatils, die die Archäologen in der Nefud-Wüste in Saudi-Arabien dokumentiert haben.

Sehr viel mehr Funde gaben die Mustatils bisher nicht preis, nur wenige Steingeräte und einen bemalten Brocken, keine Keramik oder Feuerstellen. Offenbar, so die Annahme der Forscher, waren die Anlagen nicht für eine Nutzung über längere Zeiträume ausgelegt. Dafür spreche auch, dass immer wieder neue Rechtecke nebeneinander errichtet worden seien. »Das weist darauf hin, dass ein wichtiger Aspekt der Bauprozess war, weniger die Nutzung über längere Zeiträume«, schreiben Groucutt und seine Kollegen. Möglicherweise war es zudem bedeutsam, die Rechtecke in einer gemeinschaftlichen Anstrengung zu erbauen. »Wir deuten die Mustatils als Ritualstätten, an denen die Menschen zusammenkamen, um irgendwelche bisher noch unbekannten gemeinschaftlichen Aktivitäten durchzuführen«, fasst Groucutt die Ergebnisse zusammen. »Vielleicht waren es Orte, an denen Tiere geopfert oder Feste begangen wurden.«

Gigantische Steinmonumente im Nahen Osten

Die Archäologen des Max-Planck-Instituts haben die Kenntnisse über die Anlagen deutlich erweitert, allerdings dürften erst weitere Untersuchungen die bisherigen Ergebnisse bestätigen. So liefert die gewonnene C-14-Datierung nur ein einziges Altersdatum für ein Mustatil von mehr als 100 dokumentierten Anlagen in dieser Region.

Auf der Arabischen Halbinsel und in der Levante haben Forscher immer wieder große, aus Steinen errichtete Strukturen entdeckt. Etwa »Wüstendrachen«, bei denen es sich um große, hufeisenförmige Gehege handelt, in die wilde Herdentiere getrieben und darin in großer Zahl erlegt wurden. Solche Massentierfallen sind auch für Saudi-Arabien bezeugt, aber bislang noch nicht sicher datiert. In Jordanien schätzen Forscher deren Alter auf bis zu 10 000 Jahre.

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