Rapa Nui: Wurden die tonnenschweren Moai an ihren Platz geschaukelt?

Die beiden Archäologen Carl Lipo und Terry Hunt sorgten 2013 für Aufsehen, als sie einen nachgebauten Moai von Rapa Nui in aufrechter Position vorwärtsbewegten – nur mithilfe von Seilen. Könnten die Kolosse von der Osterinsel so an ihren Platz gelangt sein, indem die Bewohner sie hin-und-her-schaukelten? Die These begeisterte viele, stieß aber ebenso auf Kritik. Sie widersprach der bisherigen Annahme, man habe die bis zu 74 Tonnen schweren Statuen auf Baumstämme gelegt und vorwärtsgerollt – und durch den immensen Holzverbrauch schrittweise die Umwelt zerstört. Nun haben Lipo von der amerikanischen Binghamton University und Hunt von der University of Arizona nachgelegt und ihre These in einer Studie im »Journal of Archaeological Science« mit weiteren Erkenntnissen bekräftigt.
In Experimenten hatten die Forscher die mögliche Transportweise erprobt: Drei Seile, an denen jeweils eine Gruppe Menschen zieht, halten die Statue in Position. Das hintere Seil fixiert den Moai in einer leichten Schräge. Dann zerren die beiden übrigen Gruppen abwechselnd an den seitlichen Strängen, um den Koloss Wackel- für Wackelschritt zu bewegen. Auf diese Weise »lief« das 4,35 Tonnen schwere Replikat schon 2012 auf ebenen, abschüssigen und ansteigenden Wegen.
Moai in der Form eines Bowlingkegels
Lipo und Hunt hatten 962 Moai untersucht, die seit der Besiedlung der Insel vor zirka 800 bis 1000 Jahren gefertigt worden waren. 62 Stück, die entlang der alten Transportwege am Boden liegen, sahen sich die beiden bereits 2013 genauer an. Bruchstellen an den Figuren legten nahe, dass sie auf dem Weg aus dem Steinbruch umgestürzt waren. Aber noch aus anderen Gründen unterscheiden sich diese Statuen von den auf Plattformen platzierten Figuren: Ihre Basis sei so zugerichtet, dass sie leicht nach vorne kippten. Zudem seien unteres Ende und Schulterbereich ungefähr gleich breit. Und: »Die breite Basis wirkt wie die abgerundete Unterseite eines Bowlingkegels und ermöglicht es der Statue, stark zu schaukeln, ohne zur Seite umzukippen«, heißt es in der Studie. Die auf Plattformen stehenden Moai hingegen verjüngen sich nach unten. Offenbar hatte man das Ende bei der Aufstellung abgeflacht. Auch würden den »Straßen-Moai« die Augen der platzierten Kolosse fehlen, da sie noch nicht fertiggestellt waren.
Als weiteren Beleg für ihre These werten Lipo und Hunt die Form der Transportwege. So seien die Straßen ähnlich einer Rinne gewölbt. Die Wackel-Moai hätte man so leichter in der Spur halten können. Für rollende Baumstämme wären die Wege dagegen weniger gut geeignet gewesen.
Dennoch gelang der Transport nicht immer. Die »Straßen-Moai« seien offenbar das Ergebnis von Transportunfällen. Die Lage der Figuren untermauere aber die aufrechte Fortbewegungsweise. So liegen die Figuren an abfallenden Wegen bäuchlings; ging es hangaufwärts, fielen sie auf den Rücken. Auch zeige der Verlauf von Bruchstellen, dass die Moai aus einer aufrechten Position umgekippt seien.
Sie haben das geschaukelt!
Hunt und Lipo wollten nun wissen, wie viel Zeit und Arbeitskraft für einen Transport nötig waren. War die Schaukelmethode womöglich viel zu aufwändig? Die beiden Archäologen berechneten für 15 liegengebliebene Moai, dass je nach Größe 15 bis 60 Personen die Statuen in Bewegung bringen konnten. Liefen die Kolosse einmal, reichten weniger Menschen zum Weitertransport, die sich zudem nur moderat anstrengen mussten. In ihrem Experiment schaukelten 18 Helfer die Nachbildung 100 Meter weit, wofür sie 40 Minuten brauchten. Den Forschern zufolge konnten 40 Personen einen 20-Tonnen-Moai innerhalb von 15 bis 22 Tagen zehn Kilometer weit transportieren. Das habe »deutlich den Kapazitäten der Rapa-Nui-Gruppen« entsprochen, schreiben sie im »Journal of Archaeological Science«.
Hauptzeugen ihrer These seien aber die Menschen von Rapa Nui selbst. Sie erzählen sich seit Generationen, dass man die Moai aus dem Steinbruch »laufen« ließ. Die indigene Bevölkerung kenne auch traditionelle Gesänge, die beim Moai-Wackeln den Takt vorgeben sollten. Wenn die Statuen über mehrere Tage hinweg bewegt wurden, sei »ein rhythmischer, fast meditativer Prozess entstanden, der wahrscheinlich eine zeremonielle Bedeutung hatte«, so die beiden Forscher.
Frühe Experimente, die scheiterten
Den Versuch, einen nachgeahmten Moai wackelnd auf die Reise zu schicken, haben Forscher bereits vor Lipo und Hunt unternommen. In den 1980er Jahren inspirierte die mündliche Überlieferung den tschechischen Ingenieur Pavel Pavel und den norwegischen Forscher Thor Heyerdahl (1914–2002) zu einem Experiment. Allerdings ließ sich ihr Modell nur unter größten Anstrengungen fortbewegen, legte allenthalben kurze Strecken zurück und wies danach starke Schäden auf. »Unsere Untersuchungen haben gezeigt, warum Pavels Experimente zwar konzeptionell auf dem richtigen Weg waren, in der Praxis jedoch Probleme bereiteten«, schreiben Lipo und Hunt. »Er verwendete die falsche Moai-Form.« Pavel kopierte Moai, wie sie fertig zugerichtet auf Plattformen stehen, nicht solche mit abgerundeter Basis.
Problematisch an diesen Thesen bleibt jedoch, dass die experimentelle Archäologie die einstige Transportmethode wahrscheinlich machen, aber nicht beweisen kann. Dasselbe gilt für die Idee, die Statuen wären auf Hölzern vorwärtsgerollt worden.
Wovon die Forschung jedoch immer weiter abrückt, ist die Annahme, die Menschen von Rapa Nui hätten extremen Raubbau an ihrer Umwelt betrieben und so die Insel in eine unbewohnbare Ödnis verwandelten. Auch Lipo und Hunt widersprechen dieser These seit Längerem. Jüngste Studien legen nahe, dass sich nie ein Bevölkerungskollaps ereignet hat. Jedenfalls nicht, bevor 1722 die ersten Europäer und in den 1860er Jahren peruanische Sklavenhändler angelandet waren, die ein Drittel der Bevölkerung verschleppten.
Anmerkung der Redaktion am 10. Oktober 2025: Wir haben den Text mit Informationen über frühere Experimente ergänzt.
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