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News: Rasanter Schwund

Das antarktische Schelfeis schmilzt vornehmlich von seiner Unterseite - und zwar viel schneller als bislang gedacht.
Wie ein Hut sitzen die antarktischen Eismassen auf der Antarktis, strömen vom Land ins Meer und bilden jenseits der so genannten Aufsetzlinie oder grounding line - dort, wo sich das Eis vom Untergrund löst und zu schwimmen beginnt - die großen Schelfe. An dieser Stelle beginnt die große Schmelze des Eises, allerdings hätte niemand gedacht, dass es so schnell schwindet.

Bisherigen Erkenntnissen zufolge wird der 1,6 Millionen Quadratkilometer bedeckende Eisschelf an seiner Unterseite in jedem Jahr um 40 Zentimeter dünner. Doch laut Eric Rignot vom Jet Propulsion Laboratory und Stanley Jacobs vom Lamont-Doherty Earth Observatory ist die Schmelzrate allein im Bereich der Aufsetzlinie sehr viel höher. Sie gehen davon aus, dass die Schmelzrate hier vier, mancherorts sogar um bis zu 40 Meter pro Jahr beträgt.

Zu dieser Erkenntnis kamen Rignot und Jacobs, nachdem sie die Eismassen rund um die Antarktis mithilfe der Laser-Interferometrie kartierten. Bei diesem Verfahren werden unter anderem die Laufzeiten und Richtungsänderungen eines Laserstrahls gemessen, der von einem Satelliten auf die Eisoberfläche trifft und von dort zurückläuft. Auf diese Weise konnte exakt die Aufsetzlinie vermessen werden, denn hier beginnt das Eis zu schwimmen und bewegt sich deshalb im Verlauf von Flut und Ebbe auf und ab.

Außerdem waren die Forscher in der Lage, auf diese Weise die Geschwindigkeit zu bestimmen, mit der das Eis die Aufsetzlinie kreuzt. Verglichen mit der Geschwindigkeit an einem zweiten, auf dem Schelfeis gelegenen Punkt und der Strecke zwischen diesen beiden Punkten, ließ sich berechnen, wieviel Eis auf diesem Weg verschwindet.

Was die Forscher daraus schlussfolgern, ist erschreckend: Wenn sich das antarktische Meerwasser um nur 0,1 Grad Celsius erwärmt, erhöht sich die Abschmelzrate im Bereich der Aufsetzlinie um einen Meter pro Jahr. Allein in den vergangenen Jahrzehnten stiegen die Temperaturen in der Region nachweislich bereits um 0,2 Grad. Dabei müssen sie nicht einmal den Gefrierpunkt erreichen, denn in der Tiefe der Aufsetzlinie schmilzt Eis wegen des hohen Drucks bereits bei niedrigeren Temperaturen.

Doch es gibt noch einen anderen Grund zur Besorgnis. Durch das große Gewicht der Eismassen wird der Meeresboden nahe des Kontinents ausgeschürft und eingedrückt. Er liegt hier deshalb tiefer als jenseits der Aufsetzlinie. Sollte sie sich infolge des Abschmelzen zurückziehen, könnte Wasser in diese Vertiefung dringen und das weitere Abschmelzen von der Eisunterseite deutlich beschleunigen.

Wenngleich schmelzendes Schelfeis keinen Einfluss auf die globalen Meeresspiegel hat, verlören sie dennoch ihrer regulierende Wirkung auf das sensible Gleichgewicht des Eisschelfs. So könnten die antarktischen Gletscher schneller ins Meer fließen, weil ihnen der Widerstand durch das Schelfeis fehlt.

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