Zoologie: Klare Sicht trotz rasanten Sprints

Rennen Raubtiere einem fliehenden Beutetier hinterher, heften sie ihren Blick nicht unbedingt auf dieses, sondern stattdessen auf die Umgebung. Vermutlich sorgt das dafür, dass sie auch bei der wildesten Verfolgungsjagd das Gelände noch recht deutlich sehen und so erkennen, wohin sie laufen. Dies entdeckten Fachleute um Damian Wallace vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie des Verhaltens in Bonn (MPINB) anhand von Tests mit jagenden Frettchen.
Mit Hilfe von kleinen Kameras, die am Kopf der Tiere befestigt wurden, zeichneten Wallace und sein Team die Kopf- und Augenbewegungen von sich frei bewegenden Frettchen auf. Daraus konnten sie die Gesichtsfelder beider Augen der Tiere rekonstruieren und so ermitteln, was die Räuber sehen, wenn sie fliehender Beute nachsetzen. Während einer Verfolgungsjagd vollführen die Augen der Tiere demnach schnelle Bewegungen, die als Sakkaden oder Blickzielbewegungen bezeichnet werden. Es gibt diese Augenbewegungen ebenso beim Menschen, und sie dienen dazu, Objekte rasch in den Fokus zu nehmen und auch bei Ortsveränderungen im Blick zu behalten.
Daher liegt die Annahme nahe, bei jagenden Frettchen würden die Sakkaden dafür sorgen, dass der Blick des Räubers auf die Beute fixiert bleibt. Das ist aber nicht der Fall, wie die Messungen ergeben haben. Stattdessen orientieren sich die Blickzielbewegungen an der Umgebung. Sie gleichen die Kopfbewegungen des rennenden Frettchens aus und fokussieren die Zone des schärfsten Sehens auf die Richtung, die das Tier einschlagen will. Das dient wahrscheinlich dazu, die wahrgenommene Unschärfe der Umgebung zu vermindern, die sich aus der schnellen Eigenbewegung ergibt. So sieht der Räuber das Gelände, in dem er sich bewegt, wohl trotz seines rasanten Tempos nicht verschwommen. Das dürfte bei wilder Jagd in unübersichtlichem Terrain vorteilhaft sein – vor allem dann, wenn die Beute viele Haken schlägt und häufige Richtungsänderungen des Verfolgers erzwingt.
Frettchen in rasendem Lauf
»Ein Beutetier im Blick zu behalten, das um sein Leben flieht und unkontrollierbare Richtungswechsel macht, ist sehr schwierig, insbesondere wenn der Räuber selbst rennt. Die eigene Bewegung vorherzusehen und sie auszugleichen, um klare Sicht in die Laufrichtung zu haben, ist dagegen einfacher. Das visuelle System von Säugetieren scheint sich dies zu Nutze zu machen«, fasst Wallace die Ergebnisse zusammen.
Wallace und sein Team haben die schnellen Blickzielbewegungen ebenso bei Ratten, Mäusen und Spitzhörnchen nachgewiesen. Sie vermuten, dass der von ihnen entdeckte Mechanismus es vielen verschiedenen Säugerarten ermöglicht, schnelle Beute in schwierigem Gelände zu jagen.
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