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Raumfahrtschrott: Um die Erde wird es eng

Mit dem Boom der kommerziellen Raumfahrt nimmt die Zahl an Satelliten im All rapide zu. Immer häufiger müssen Raumfahrzeuge anderen Objekten ausweichen. Lässt sich der Schrott noch handhaben, bevor bestimmte Orbits für die menschliche Nutzung unbrauchbar werden?
Darstellung von Weltraumschrott in der Erdumlaufbahn. Die Erde ist von zahlreichen kleinen Punkten umgeben, die den Schrott symbolisieren. In der oberen rechten Ecke steht ">1mm", was auf die Größe des Schrotts hinweist. Der Hintergrund ist schwarz, um den Kontrast zu den bunten Punkten zu erhöhen.
Wie sich Raumfahrtobjekte von mehr als einem Zentimeter Größe im Orbit verteilen: rot für Satelliten, gelb Raketenstufen, und weiß Trümmer

Immer tiefer drängt die Raumfahrt in unseren Alltag vor – oft, ohne dass wir es merken. Smartphones navigieren uns durch fremde Städte und sagen uns das Wetter voraus. Auch viele Telefonate oder Fernsehübertragungen nehmen den Weg über den Weltraum. Inzwischen liefern Satelliten sogar hochmobiles Breitbandinternet, das uns bald von terrestrischen Mobilfunkmasten unabhängig machen könnte. Die Bedeutung der Infrastruktur im All wächst rasant. Sollte sie eines Tages ausfallen, würde das die Menschheit empfindlich treffen. Abwegig ist dieses Szenario nicht, denn seit einigen Jahrzehnten wird ein menschengemachtes Problem zunehmend bedrohlicher: Raumfahrtschrott.

In den meisten Fällen stammt der Schrott von ausgedienten Satelliten oder abgestoßenen Raketenstufen. Neben größeren Brocken sind zudem zahlreiche kleine Trümmer von einigen Millimetern oder Zentimetern Größe unterwegs – was sie nicht weniger gefährlich macht. Am meisten Sorgen bereitet Fachleuten, dass diese extrem schnellen Trümmerteile im Orbit mit Raumfahrzeugen kollidieren können. Im niedrigen Erdorbit (Low Earth Orbit, LEO) bewegen sie sich typischerweise mit Umlaufgeschwindigkeiten von etwa 7,5 Kilometern pro Sekunde. Wenn sich zwei Objekte im Orbit aufeinander zubewegen, ist die Relativgeschwindigkeit entsprechend noch höher.

Satelliten sind dieser Umgebung aus menschengemachten Partikeln fortwährend ausgesetzt. Davon zeugen Einschlagspuren auf ihren Oberflächen. Wissenschaftler haben etliche solcher Spuren gesammelt und systematisch analysiert. Sie stammen von Satelliten, die aus dem Weltraum zurückgeholt oder direkt im All untersucht wurden. Das liefert eindrucksvolle Beweise dafür, wie häufig und wie schwer wiegend solche Kollisionen sind.

Durchschuss | Ein nur mikrometergroßes Trümmerteil hinterließ in einer Solarzelle des Hubble-Weltraumteleskops einen zwei mal vier Zentimeter großen Schaden. Das Solarpanel wurde mittels eines Spaceshuttles nach einer Reparaturmission zur Erde gebracht.

Die Aufprallenergie solcher Trümmer ist enorm. Ein Objekt von gerade einmal einem Millimeter Durchmesser kann an einem funktionierenden Raumfahrzeug bereits missionskritische Schäden verursachen. Objekte größer als zehn Zentimeter führen genug Energie mit sich, um eine katastrophale Kollision auszulösen: Trümmerteil und Raumfahrzeug fragmentieren vollständig.

Die Schrottquellen: Selbstzerstörung und Kollisionen

Weltraumschrott ist menschengemacht. Er entsteht an unterschiedlichen Abschnitten einer Raumfahrtmission. Ein Raketenstart bringt ein Raumfahrzeug in die Umlaufbahn, doch nicht nur das: Typischerweise gelangen dabei auch andere Elemente wie Raketenstufen in den Weltraum. Wenn etwa die letzte Stufe nicht so konstruiert ist, dass sie sich nach dem Einschuss in den Orbit selbst entfernt, bleibt sie auf einer ähnlichen Umlaufbahn wie der Satellit. Dort kann sie Orbitalgeschwindigkeit erreichen, das heißt für längere Zeit um die Erde kreisen.

Simulierter Einschlag | So sieht es aus, wenn eine 1,2 Zentimeter große Aluminiumkugel mit einer Geschwindigkeit von 6,8 Kilometer pro Sekunde auf einen 8,2 Zentimeter dicken Aluminiumblock trifft.

Daneben gibt es nach dem Start weitere Quellen für Weltraumschrott. Beispielsweise werden bei Mehrfachstarts Satelliten mit Hilfe spezieller Adapter an der Rakete aufeinandergestapelt. Haben die Adapter ihren Zweck erfüllt, verbleiben sie in der Einschussbahn. Sensorschutzabdeckungen oder Klemmbänder können auch vom Satelliten freigesetzt werden. Und dieser wird mitunter selbst zu Raumfahrtschrott, wenn er an seinem Lebensende außer Dienst gestellt wird oder wenn er von der Erde aus nicht mehr kontaktiert werden kann.

Die bedeutendste Quelle für Weltraumschrott ist jedoch eine andere: Raumfahrzeuge, die sich selbst zerstören. Das Phänomen ist eng verknüpft mit der Energie, die ausgediente Raumfahrtgeräte noch in sich speichern. Raumfahrttechnik ist nicht darauf ausgelegt, der rauen Umgebung des Weltraums über die Missionsdauer hinaus zu widerstehen. Früher oder später versagen die Lage- oder die Temperaturkontrolle. Teile des Raumfahrzeugs heizen sich möglicherweise auf Werte außerhalb des Normalbereichs auf, und in der Folge kann sich die gespeicherte Energie in einer exothermen Reaktion entladen. Mögliche Energiequellen sind dabei chemischer, elektrischer oder sogar mechanischer Natur, zum Beispiel im Fall von Reaktionsrädern.

Typischerweise zersetzt sich früher oder später der Treibstoff oder es entstehen Druckgase in Batteriezellen

Früher oder später zersetzt sich der Treibstoff, oder es entstehen Druckgase in Batteriezellen – mit den entsprechenden Folgen. Die aggressive Weltraumumgebung mit ihrer extrem ultravioletten Strahlung, umherflitzendem atomaren Sauerstoff und einschlagenden Mikropartikeln kann solche zerstörerischen Prozesse zusätzlich verstärken. Druckexplosionen oder gar hochenergetische Detonationen zerreißen das Gerät in etliche Brocken und Partikel – sie fragmentieren es. Insgesamt haben Weltraumorganisationen seit Anbeginn der Raumfahrt mehr als 650 solcher Vorfälle registriert.

Neben der Selbstzerstörung von Raumfahrttechnik gibt es noch eine weitere Art von Fragmentierung: Kollisionen. Bislang sind noch wenige Raumfahrzeuge katastrophal zusammengestoßen. Einige Ereignisse sind jedoch ins kollektive Gedächtnis eingegangen, insbesondere der Zusammenstoß zwischen den beiden Satelliten Iridium-33 und Kosmos-2251 im Jahr 2009. Mehrfach wurden Satelliten sogar zu Testzwecken durch bodengestützte Abwehrraketen zertrümmert. Besonders erwähnenswert ist der von China durchgeführte Antisatellitentest im Jahr 2007. Allein diese beiden Vorkommnisse haben die Zahl der größeren Trümmer in der Umlaufbahn um rund 20 Prozent erhöht.

Bei einem solchen Vorfall entsteht eine Wolke aus Fragmenten, die sich typischerweise global in der Höhenregion des zerstörten Geräts verteilt. Ein einzelnes Ereignis kann somit innerhalb überschaubarer Zeiträume diese gesamte so genannte Höhenschale verschmutzen. In geringerem Maß erzeugen noch weitere Quellen Weltraumschrott. Dazu gehören Reststoffe, die durch die Zündung von Feststofftriebwerken entstehen.

Globale Ausbreitung | Die Trümmerwolke verteilt sich nach einer Explosion oder Kollision über den Orbit.

Stark belastete nahe und ferne Umlaufbahnen

Das Ausmaß des menschengemachten Raumfahrtschrotts lassen folgende Zahlen erahnen: Schätzungsweise 40 500 mehr als zehn Zentimeter große Objekte kreisen um die Erde. Dazu kommen etwa 1,1 Millionen mindestens ein Zentimeter und 130 Millionen mehr als elf Millimeter große Trümmer.

Diese Objekte verteilen sich nicht homogen im Erdorbit, sondern sie konzentrieren sich in den Bahnhöhen, in denen beispielsweise der Satellit unterwegs war, von dem sie stammen. Zwei Bereiche stechen dabei besonders hervor. Das ist einmal die geostationäre Bahn, die sich in 35 786 Kilometer Höhe in der Äquatorebene befindet. Die natürliche Umlaufzeit entspricht dort einem Tag. Die Satelliten laufen dort also synchron mit der Erdoberfläche um. Für einen Beobachter auf der Erde scheinen sie am Himmel stillzustehen. Somit lässt sich eine Antenne – wie unsere TV-Schüsseln – fest ausrichten und muss nicht durch teure Mechanik nachgeführt werden. Das funktioniert allerdings nur in der geostationären Bahn. Deswegen wird diese oft genutzt – und ist leider auch schon stark belastet.

Der zweite stark vermüllte Bereich sind die tiefen Erdorbits, also die LEO-Region. Pro Kubikkilometer finden sich hier bis zu 1000-mal mehr Objekte als in der geostationären Bahn. Und das hat Gründe. Der Bereich eignet sich nicht nur sehr gut für die Erdbeobachtung, sondern wird auch zunehmend für die Breitbandkommunikation genutzt. Mehrere konkurrierende Unternehmen bauen derzeit Satellitenkonstellationen auf, die Daten möglichst überall und mit geringen Verzögerungen übertragen sollen. Einige dieser Konstellationen umfassen bis zu 10 000 Satelliten. Deren Umlaufbahnen sind dabei stark gegenüber der Äquatorebene geneigt. Sie überfliegen somit Nord- und Südpol, während sich die Erde gewissermaßen unter ihnen hinwegdreht. In ihrem rund 100-minütigen Umlauf können die Satelliten die Erdoberfläche deswegen großflächig abtasten. Allerdings überschneiden sich ihre Bahnen in der Nähe der Polregion. Insbesondere dort können sich die Objekte mit sehr hoher Relativgeschwindigkeit begegnen. Heute wissen wir sicher von vier Kollisionen, die sich erwartungsgemäß alle in diesen Regionen ereignet haben.

Trümmer und Raumfahrzeuge unter Beobachtung

Um weitere Kollisionen zu vermeiden, stehen die zahlreichen Objekte im Orbit unter Beobachtung. Von der Erde aus kommen dafür leistungsstarke Überwachungssysteme zum Einsatz. Die meisten der mehr als zehn Zentimeter großen Objekte – insgesamt etwa 22 000 Teile – werden so regelmäßig erfasst. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ermitteln dabei die Umlaufbahnen und übertragen die Daten dazu in einen ständig aktualisierten Katalog. Darin lässt sich ablesen, wie mit der menschlichen Raumfahrtaktivität die Anzahl der künstlichen Objekte im Orbit steigt. Die Menge an Raumfahrzeugen, Raketenkörpern und missionsbezogenen Objekten nimmt dabei weitgehend linear zu, da auch die Startfrequenzen annähernd konstant sind. Je mehr von diesen Objekten aber im Orbit sind und je länger sie dort verbleiben, desto stärker werden sie selbst wieder zur Quelle für neue Trümmer.

Die Überwachungssysteme sind für die Raumfahrt elementar. Ohne ihre Daten ließen sich Raumfahrzeuge nicht sicher betreiben – nicht zuletzt, da sich auch ihre eigenen Bewegungen im Orbit nur schwerlich genau voraussagen lassen. Ihre Bahnen werden nämlich immer wieder durch natürliche Effekte gestört – durch Abbremsungen in der Atmosphäre, den Strahlungsdruck der Sonne, die Anziehungskraft von Sonne und Mond sowie das unförmige Gravitationsfeld der Erde. Die Bahnen der rund 40 000 Satelliten müssen deswegen ständig nachvermessen und im Katalog aktualisiert werden – zwei- bis dreimal am Tag.

Der enorme Aufwand lohnt sich, denn mittels dieser Daten zeichnen sich mögliche Kollisionen frühzeitig ab. Ein Restrisiko für einen Zusammenprall bleibt jedoch. Weltraumexperten rechnen deswegen mit Wahrscheinlichkeiten. Um auf Nummer sicher zu gehen, veranlassen sie schon bei einer Kollisionswahrscheinlichkeit von 1 zu 10 000 Ausweichmanöver.

Für einen größeren Satelliten gibt es in den besonders belasteten tiefen Orbits bis zu mehrere Dutzend Kollisionswarnungen pro Tag

Zurzeit ist dieses Vorgehen allerdings sehr ineffizient. Für einen größeren Satelliten gibt es in den besonders belasteten tiefen LEO-Orbits durchschnittlich bis zu mehrere Dutzend Kollisionswarnungen pro Tag. Ungefähr einmal pro Monat wird dabei der kritische Wert kurzzeitig überschritten. Und ein- bis zweimal pro Jahr bleibt der Wert oberhalb der Wahrscheinlichkeitsgrenze, und der Satellit muss seine Bahn ändern. Damit ein Raumfahrzeug sicher an sein Lebensende kommt, sind statistisch gesehen 10 000 solcher Ausweichmanöver nötig. Das ist sehr aufwändig, schließlich bindet jeder Eingriff Zeit und Ressourcen. Besonders kompliziert wird es, wenn sich zwei aktive Satelliten begegnen; dann sind Absprachen nötig. Allerdings sind solche Abstimmungen weder international verpflichtend noch lässt sich der betreffende Satellitenbetreiber immer identifizieren – es gibt kein zentrales »Adressbuch«.

Und damit nicht genug der Schwierigkeiten, denn etliche Raumfahrzeuge lassen sich gar nicht ansteuern. Nur rund 10 000 Objekte sind aktiv und manövrierfähig. Es ist also viel wahrscheinlicher, dass nicht aktive Objekte kollidieren – das heißt Raumfahrtschrott. Erschwerend kommen die Gegebenheiten der Orbitalmechanik hinzu. Sie sorgt dafür, dass sämtliche umlaufende Dinge lange in erdnahen Umlaufbahnen verbleiben und sich mit hohen Geschwindigkeiten fortbewegen.

Die reinigende Kraft der Atmosphäre

Trotzdem gibt es eine natürliche Kraft, die Raumfahrtschrott allmählich wieder beseitigt: die bremsende Wirkung unserer Atmosphäre. Sie wirkt bis in die unteren Schichten der LEO-Region und entzieht den Objekten Energie, wodurch diese allmählich absinken. In besonders tiefen Bahnen von etwa 400 Kilometer Höhe hält sich ein nicht manövrierfähiges Raumfahrtobjekt nur rund ein Jahr, bis die Atmosphäre es zum Wiedereintritt zwingt. In einer solchen Höhe befindet sich die Raumstation ISS. Sie führt regelmäßig Bahnanhebungsmanöver durch, um diesen Effekt auszugleichen. In 600 Kilometer Höhe, bei entsprechend dünnerer Atmosphäre, beträgt die natürliche Aufenthaltsdauer rund 25 Jahre. In 800 Kilometern dagegen schon rund 200 Jahre, und ab 1 000 Kilometern ist der Effekt quasi nicht mehr vorhanden.

Bereits heute kann die Zahl der neu entstehenden LEO-Objekte nicht mehr durch die reinigende Wirkung der Atmosphäre kompensiert werden

Je länger die Aufenthaltsdauer eines Objekts ist und je dichter eine Umlaufbahn bevölkert ist, desto wahrscheinlicher werden Kollisionen. Raumfahrtexpertinnen und -experten sorgen sich deswegen, dass sich die zunehmende Zahl an Kollisionen zu einer kaum mehr kontrollierbaren Kaskade auswächst. Das so genannte Kessler-Syndrom würde dann Realität: Fragmente von früheren Kollisionen stoßen erneut zusammen, wodurch die Zahl an Trümmern langfristig exponentiell steigt. Bereits heute wirkt dieser Effekt in den tiefen Erdumlaufbahnen und verhindert, dass die Zahl der neu entstehenden Objekte noch durch die reinigende Wirkung der Atmosphäre kompensiert werden kann. Tatsächlich steigt aus diesem Grund die Zahl der Objekte im All auch ohne weiteres Zutun des Menschen an.

Nach mehr als drei Jahrzehnten Forschung sind die Ursachen, Mechanismen und Folgen von Weltraumschrott heute gut verstanden. Fachleute haben Maßnahmen zu dessen Vermeidung und Bekämpfung identifiziert und sie in Normen und Richtlinien festgehalten. Zunächst gilt es dabei, Explosionen zu verhindern. Raumfahrtsysteme werden deswegen am Ende ihrer Mission passiviert. Das bedeutet, dass restliche Treibstoffe abgelassen und Batterien kurz vor Betriebsende entladen werden. Dann sind die Satelliten sowie Raketenstufen manövrierunfähig. Um zu vermeiden, dass sie in der LEO-Region kollidieren, senken sie mit Betriebsende ihre Bahn ab. Innerhalb von fünf Jahren zwingt die Atmosphäre sie dann zum Wiedereintritt.

Wie man Raumfahrtschrott wieder entfernt

Für Raumfahrtobjekte in der geostationären Bahn ist ein solches Manöver mit den heutigen Mitteln allerdings nicht machbar. Es gilt daher als akzeptable Alternative, die Satelliten und Raketenstufen auf einer so genannten Friedhofsbahn zu deponieren. Sie liegt einige 100 Kilometer über der geostationären Bahn. Für beide Maßnahmen muss das Raumfahrzeug von Anfang an ausgelegt sein. Das erfordert zum Teil erhebliche Eingriffe ins Design.

Vermeidungsstrategien | Verschiedene Ansätze sollen verhindern, dass neue Trümmer im Weltall entstehen. Dazu gehört die Entsorgung von Raumfahrzeugen aus den niedrigen Erdorbits (LEO) und der geostationären Bahn (GEO).

Die neue Generation von Raumfahrtbetreibern steht damit vor zusätzlichen Herausforderungen. Sie muss die Forschung an solchen Vermeidungsstrategien in funktionierende Technik überführen. Zurzeit gelingt das nur unzureichend. Selbst wenn für eine Mission eine Vermeidungsmaßnahme vorbereitet wurde, kann sie scheitern, weil die Technik vorher versagt.

Wie alle technischen Systeme ist auch die Zuverlässigkeit von Satelliten begrenzt. Insbesondere bei langen Missionsdauern von teilweise mehr als zehn Jahren ist das ein Thema. Raumfahrttechniker arbeiten deswegen an verbesserten, fehlertoleranten Technologien. Und sie verbauen kritische Komponenten mehrfach; sie sorgen also für Redundanz an Bord. Das treibt allerdings die Kosten in die Höhe. Bei Raketenstufen mit ihrer sehr kurzen Missionsdauer – vom Boden bis in die niedrigen Erdorbits benötigen sie nur rund zehn Minuten – gelingt das Entsorgen erwartungsgemäß besser.

Bis auf Weiteres steht die Raumfahrt also vor der Situation, dass Strategien zur Vermeidung von Schrott unzureichend umgesetzt werden, während das All immer stärker ökonomisch genutzt wird. Und auch wenn die Technik in den nächsten Jahren voranschreitet: Eine absolut ausfallsichere Entsorgung und Passivierung von ausgedientem Material lässt sich wohl mit vertretbarem Aufwand nicht erreichen.

In Zukunft könnten deshalb spezielle Raumschlepper zum Einsatz kommen – Satelliten mit Greifarmen, die Raumfahrtschrott aktiv und gezielt aus dem Orbit entfernen. Vermutlich noch in diesem Jahrzehnt wird die Technologie im All demonstriert. Ein robotischer Schlepper soll sich dann einem nicht kontrollierten Objekt, beispielsweise einem ausgedienten Satelliten, nähern und es greifen. Hat es der Schlepper im Griff, zündet ein Triebwerk am robotischen Vehikel und senkt die Bahn bis zum Wiedereintritt ab. Allerdings wird es nur in Einzelfällen möglich sein, mit einem solchen Schlepper noch ein weiteres Objekt zu entsorgen, denn dafür müssen sich Geschwindigkeit und Bahn sehr ähnlich sein.

Darüber hinaus eröffnet die Technik aber auch viel versprechende neue Möglichkeiten. Denkbar wäre beispielsweise, Satelliten wieder zu betanken oder sogar einfache Reparaturen durchzuführen, denn oft sind es nur kleinere Schäden oder ein leerer Tank, die eine Mission verfrüht beenden. Bei besonders komplexen und teuren Satelliten würde sich das finanziell lohnen, hier könnte sogar ein neuer Markt entstehen.

Abgestürzt | In der Nähe des polnischen Poznan wurde der Tank einer Falcon-9-Raketenstufe aufgefunden, die am 19. Februar 2025 wieder in die Atmosphäre eingetreten ist.

Neben guten Gründen gibt es also auch viel versprechende Ansätze dafür, den Orbit möglichst frei von Schrott zu halten. Wichtig ist das aber nicht nur für die Sicherheit im All. Wenn ein Raumfahrzeug nach dem Ende seiner Mission in die obere Erdatmosphäre eintritt, bremst die Luft es ab. Es fängt an zu rotieren, heizt sich stark auf und wird in der Folge weitgehend zerstört. 20 bis 40 Prozent der ursprünglichen Masse überleben aber. Meist handelt es sich dabei um Teile aus hitzebeständigen Materialien wie Titan oder Edelstahl, wie sie für Tanks und Triebwerke verwendet werden. In den letzten 30 bis 40 Kilometern fällt das übrig gebliebene Teil dann nahezu senkrecht auf die Erde. Dabei trägt es noch genügend Aufprallenergie in sich, um Schäden oder sogar Verletzungen am Boden zu verursachen. Auch deswegen sollten wir möglichst wenig Raumfahrtschrott im All zu hinterlassen.

In einer früheren Version hatten wir geschrieben, dass sich die Trümmerteile mit Umlaufgeschwindigkeiten von etwa 7,5 Kilometern pro Stunde bewegen. Es sind 7,5 Kilometer pro Sekunde. Wir haben den Fehler korrigiert.

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  • Quellen
ESA Space Debris Office: ESA's annual space environment report, 2025
Klinkrad, H.: Space debris. Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2006

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