Kometen: Raumsonden-Armada erwartet Siding Spring bei Marspassage
Am Sonntag, den 19. Oktober 2014, wird der Komet C/2013 A1 extrem dicht am roten Planeten Mars vorbeifliegen. Seinen geringsten Abstand erreicht er gegen 20:27 Uhr MESZ. Der Kern des Kometen nähert sich dabei der Planetenoberfläche bis auf 136 000 Kilometer an, das entspricht nur rund einem Drittel der Distanz zwischen Erde und Mond. Es ist damit die dichteste Passage eines Kometen an einem Planeten des Sonnensystems, die jemals beobachtet wurde. Die dichteste dokumentierte Kometenpassage an der Erde ereignete sich in mindestens der zehnfachen Distanz.
Mit dem Mars hat sich der Komet ausgerechnet denjenigen Planeten herausgesucht, bei dem die meisten Raumsonden aktiv sind und das Ereignis aus unmittelbarer Nähe verfolgen können. Fünf Orbiter umrunden den Planeten, und direkt auf der Oberfläche sind die beiden US-Rover Opportunity und Curiosity unterwegs. Drei der fünf Orbiter stammen von der US-Raumfahrtbehörde NASA, es sind die Sonden Mars Odyssey, Mars Reconnaissance Orbiter und MAVEN. Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA hat Mars Express vor Ort, der seit dem Jahr 2003 den Planeten umrundet. Mit der Mars Orbiter Mission, auch Mangalyaan genannt, hat erst im September 2014 mit der indischen Raumfahrtbehörde ISRO ein neuer Mitspieler das Feld betreten. Auch Mangalyaan wird versuchen, den Kometen mit seiner Farbkamera zu erfassen.
Lange Zeit war ungewiss, ob die fünf Orbiter den Vorbeiflug für wissenschaftliche Untersuchungen nutzen würden. Alternativ erwogen die involvierten Raumfahrtorganisationen ihre Sonden möglichst auf der anderen Seite des Mars zu "parken". Sie wollten ihren Betrieb auf das absolute Minimum beschränken, wenn der Komet mit einer Relativgeschwindigkeit von 56 Kilometern pro Sekunde vorbeifliegt. Die Befürchtungen waren, dass der Komet große Mengen an Staub- und sandgroßen Partikeln freisetzt, die dann mit großer Wucht auf die Sonden treffen. Dabei bestünde die Möglichkeit von Schäden bis hin zum Totalausfall. Nachfolgende Untersuchungen mit Großteleskopen zeigten jedoch, dass der Komet nur relativ wenig Staub freisetzt und die Partikel sehr fein sind. Sie können somit nur wenig Schaden anrichten. Die beiden Marsrover sind nicht in Gefahr, denn sie sollten durch die dünne Marsatmosphäre von den Partikeln abgeschirmt werden.
Tatsächlich werden sich die Orbiter bei der dichtesten Annäherung auf der dem Kometen abgewandten Seite des Planeten aufhalten. Ihre Bahnen wurden in den zurückliegenden Monaten durch kleine Schubmanöver ihrer Bordantriebe so modifiziert, dass sie vom Mars geschützt werden, wenn der Planet dem Staubschweif des Kometen am nächsten kommt. Dies ist etwa 90 Minuten nach der dichtesten Annäherung des Kometenkerns der Fall, wobei die kritischste Phase rund 20 Minuten dauert.
Schon die Tage vor der dichtesten Annäherung werden genutzt, um den Kometen mit den fernerkundlichen Instrumenten aufs Korn zu nehmen. Beispielsweise beobachtete der europäische Mars Express ab dem 12. Oktober mit seiner High Resolution Stereo Camera (HRSC) den Kometen, Ergebnisse liegen jedoch bislang nicht vor. Auch mit der Kamera HiRISE an Bord des US-amerikanischen Mars Reconnaissance Orbiter sollen schon im Vorfeld Bilder aufgenommen werden.
Mars Express und Siding Spring
Der Vorbeiflug bietet für die Kometen- und Planetenforscher eine einzigartige Gelegenheit, einen frischen Kometen aus der Oortschen Wolke aus der Nähe zu beobachten. Er dürfte sich auf der ersten Reise zur Sonne befinden und es könnte seine letzte sein, denn der Komet läuft auf einer offenen, hyperbolischen Bahn, die ihn in den Tiefen des Weltalls verschwinden lässt. Mars Express soll die Koma, seine Hülle aus Gas und Staub unmittelbar um den Kern, mit einer Vielzahl von Instrumenten in unterschiedlichen Spektralbereichen untersuchen. Von besonderem Interesse ist dabei die Wechselwirkung der dünnen Marsatmosphäre mit den großen Mengen an Gas und Staub, die der Komet mit sich führt. Besonders die gleichzeitigen Wechselwirkungen von Sonnenwind, Atmosphäre und Komet bieten eine einzigartige Beobachtungsmöglichkeit und sind wissenschaftliches Neuland. Aktuelle Informationen von Mars Express präsentiert die ESA auf ihrem Mars Express Blog.
Das Spektrometer SPICAM, das im infraroten und ultravioletten Spektralbereich arbeitet, soll die Koma direkt beobachten. Mit den Daten hoffen die beteiligten Wissenschaftler den Gehalt an Wasserdampf in der Kometenhülle zu bestimmen. Außerdem ermittelt SPICAM durch fotometrische Messungen, wie stark das Licht von Hintergrundsternen durch das Gas und den Staub des Kometen gedämpft wird. Mit dem Radarinstrument MARSIS soll die Ionosphäre des Planeten beim Vorbeiflug abgetastet werden, zudem registriert das Gerät auch Einschläge von Staubpartikeln auf Antennen oder der Struktur der Sonde.
Das Massenspektrometer ASPERA wird die vom Kometen abströmenden Ionen und neutralen Partikel direkt messen und die Zusammensetzung der Kometenhülle bestimmen. Auch die Wechselwirkung mit den Gasen der Marsatmosphäre wird untersucht.
Von besonderem Interesse sind die Beobachtungen der High Resolution Stereo Camera, die hierfür den "Super Resolution Channel (SRC)" einsetzt. Hier erhoffen sich die beteiligten Forscher an der FU Berlin und am Institut für Planetenforschung des DLR in Berlin-Adlershof Bilder des Kometenkerns mit einer Auflösung von bis zu 1,3 Kilometern pro Bildpunkt. Je nach Größe des Kerns dürfte dieser auf den SRC-Bildern drei bis vier Pixel einnehmen – er wird auf etwa vier bis fünf Kilometer Durchmesser geschätzt. Bis zu acht Pixel könnte Siding Spring auf den Bildern der Kamera HiRISE einnehmen, die ein Teleskop mit noch höherer Brennweite als der SRC einsetzt.
Mit der HRSC sollen die optischen Eigenschaften, die Strukturen und das Verhalten der Koma untersucht werden. Ein besonderes Schmankerl ist der Versuch, mit der HRSC Sternschnuppen in der Marsatmosphäre zu beobachten, die vom Kometen Siding Spring stammen. Dabei interessieren die Forscher vor allem die zeitliche und räumliche Verteilung. In welcher Höhe über der Marsoberfläche beginnen die Partikel aufzuleuchten? Erreichen größere Meteore vielleicht doch die Oberfläche und erzeugen beim Einschlag Blitze?
Die Marspassage selbst beobachten?
Leider sind die Möglichkeiten, die Passage des Kometen Siding Spring am Mars direkt mit dem eigenen Teleskop zu beobachten, von Mitteleuropa aus gesehen nicht gut. Zu Zeitpunkt der dichtesten Annäherung um 20:27 Uhr MESZ ist Mars bereits untergegangen, zudem steht er sehr dicht am südwestlichen Horizont im Licht der Abenddämmerung. Mars ist nach Sonnenuntergang ab etwa 19 Uhr MESZ sichtbar. Mehr zu den Möglichkeiten eigener Beobachtungen beschreibt unser Blogger Jan Hattenbach.
Was unternehmen die anderen Marssonden?
Die drei US-Orbiter Mars Odyssey, Mars Reconnaissance Orbiter und MAVEN werden ihre fernerkundlichen Instrumente so nutzen, um ein Maximum an Informationen zu erhalten. Um über die Fortschritte der Beobachtungen zu berichten, hat die NASA eine spezielle Website eingerichtet. Die Zielsetzungen ähneln denjenigen der Instrumente von Mars Express und dürften unser Wissen über den Vorbeiflug von Siding Spring drastisch erhöhen. Die beiden Marsrover Opportunity und Curiosity setzen ihre Kameras ein, um den Kometen am Marshimmel zu fotografieren. Allerdings steht der Komet an einem derzeit durch Staub aufgehellten Firmament. Zudem hoffen die Forscher, auch vom Marsboden aus Meteore am Marshimmel zu sichten.
Neben den vor Ort befindlichen Raumsonden werden auch verschiedene Weltraumteleskope den Mars mit Komet Siding Spring unter die Lupe nehmen: Geplant sind Beobachtungen mit den Teleskopen Hubble, Kepler, Swift, Spitzer und dem Röntgenobservatorium Chandra. Zudem werden erdgebundene Großteleskope auf den Mars gerichtet. Alle zusammen werden eine riesige Datenmenge über dieses Ereignis aufzeichnen, deren Auswertung die Astronomen über Jahre hinaus beschäftigen wird.
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