Universum im Computer: Laut Mathematik könnten wir in einer Computersimulation leben

»Das ist deine letzte Chance. Danach gibt es kein Zurück: Schluckst du die blaue Kapsel, ist alles aus. Du wachst in deinem Bett auf und glaubst an das, was du glauben willst. Schluckst du die rote Kapsel, bleibst du im Wunderland. Und ich führe dich in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus.« In dieser legendären Szene des Films »Matrix« entscheidet sich der Protagonist Neo für die rote Kapsel und erfährt die schockierende Wahrheit über seine Welt: Alles, was er bis dahin für Realität hielt, erweist sich als falsch. Er lebt in einer Computersimulation.
Spätestens seit dem Erscheinen des Blockbusters im Jahr 1999 haben es Diskussionen über die Simulationshypothese in den Mainstream geschafft. Woher können wir wissen, ob das, was wir erleben, wirklich wahr ist – oder ob wir wie Neo einfach nur Teil einer extrem aufwendigen Simulation sind? In der Vergangenheit haben sich etliche Fachleute mit solchen Fragen beschäftigt. Doch nun hat der Informatiker David Wolpert die Simulationshypothese erstmals aus formaler mathematischer Sicht untersucht und ist dabei auf überraschende Ergebnisse gestoßen, die er im Fachjournal »Journal of Physics: Complexity« veröffentlicht hat.
Wolpert nutzt Erkenntnisse aus der theoretischen Informatik wie den Rekursionssatz von Stephen Kleene, der die Existenz von Computerviren ermöglicht. Dieser besagt unter anderem, dass Computerprogramme eine Kopie ihrer selbst erzeugen und sich somit vervielfältigen können. Mit mathematischen Argumenten kann Wolpert somit zeigen, dass unser Universum durchaus eine Simulation sein könnte. Und noch viel überraschender: Unser Universum könnte eine Simulation von sich selbst enthalten. Das heißt, es wäre aus mathematischer Sicht möglich, dass ein Computer unseren gesamten Kosmos simuliert. Wie Wolpert zeigt, sind Simulation und Realität in diesem Fall komplett gleichwertig. Sie sind aus mathematischer Sicht ununterscheidbar.
Unendlich viele »Ichs«
Das ist auch aus philosophischer Perspektive interessant. Wenn eine Person das eigene Universum am Computer simuliert, dann enthält diese Simulation eine exakte Kopie dieser Person, die sich identisch verhält und ebenfalls eine Simulation des Universums an einem Computer erzeugt, die wiederum auch diese Person an einem Rechner simuliert und so weiter. All diese unendlich vielen Simulationen stehen dabei aus mathematischer Sicht auf einer Stufe mit der Realität, da sie sich nicht unterscheiden.
Diese Argumentation stützt sich auf die physikalische Church-Turing-These, wonach sich jede messbare Größe unseres Universums auch tatsächlich simulieren lässt. In seiner Arbeit hat sich Wolpert auf klassische Computermodelle konzentriert, die auf einer deterministischen Maschine laufen. In künftigen Arbeiten könnte man untersuchen, wie sich die Ergebnisse auf Quantencomputer erweitern lassen, erklärt der Informatiker in seiner Veröffentlichung.
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