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Recycling: Nanoteilchen verflüssigen Plastikmüll

Dank Nanoteilchen braucht man viel weniger Energie, um Rohstoffe aus Plastikmüll zu gewinnen. Um das Prinzip zu demonstrieren, verflüssigen zwei Arbeitsgruppen Alltagsgegenstände.
Ein Haufen Flaschen aus Kunststoff vor der thermischen Verwertung.

Eine Einkaufstüte und eine leere Plastikflasche sind die ersten Opfer einer neuen Technik, Plastikmüll zu verflüssigen. Gleich zwei Arbeitsgruppen beschrieben Anfang 2021, wie man mit Hilfe des Metalls Ruthenium die häufigsten Kunststoffe zurück in eine benzinartige Flüssigkeit verwandelt – und zwar mit weit weniger Energieaufwand als bisher. Herzstück der Technik ist, dass die langen Polymerketten der als Polyolefine bezeichneten Kunststoffe schon bei relativ niedrigen Temperaturen mit Wasserstoff reagieren und dadurch in kleinere Moleküle zerfallen. Dadurch zerfallen die Molekülketten des Plastiks in kürzere, flüssige oder gasförmige Moleküle, die als Lösungsmittel, Industrierohstoffe oder Kraftstoff geeignet sind.

Die Verfahren unterscheiden sich lediglich in der genauen Art des Reaktionsbeschleunigers. In »JACS Au« berichtet ein Team um Yuriy Román-Leshkov vom Massachusetts Institute of Technology, wie Palladium-Nanoteilchen, befestigt auf einem im Fachhandel erhältlichen Kohlenstoffträger, eine Plastikflasche aus Polyethylen zerlegen. In der Veröffentlichung von Keiichi Tomishige und seiner Arbeitsgruppe von der Tohoku University in »Applied Catalysis B: Environmental« trägt Cerdioxid, ein Schleifpulver, die Nanoteilchen aus Ruthenium, die eine Plastiktüte aus Polyethylen zersetzen. Beide Verfahren arbeiten bei 200 Grad Celsius, deutlich niedriger als andere Verfahren, die 300 bis 800 Grad Celsius erfordern.

Das große Problem bei Plastikmüll ist, dass er meistens ein stark verschmutztes Gemisch ist, bei dem Reinigen und Sortieren schlicht zu aufwändig werden. Deswegen bietet sich das chemische Recycling als mögliche Lösung an: Die langen Ketten der Kunststoffe werden in Gemische von kürzeren Molekülen zerlegt und anschließend mit großtechnischen Methoden getrennt und gereinigt. Zum Beispiel kann man gemischten Plastikmüll einfach durch Hitze zerlegen. Das braucht aber sehr viel Energie, so dass diese Art von Recycling nicht besonders nachhaltig wäre – und viel zu teuer.

Darum suchen Fachleute nach Katalysatoren – Hilfsstoffen, mit denen solche Zersetzungsreaktionen bei milderen Bedingungen ablaufen. Das größte Problem sind dabei die Polyolefine. Kunststoffe wie Polyethylen und Polypropylen sind einfach herzustellen und zu verarbeiten, billig und können gezielt gewünschte Eigenschaften annehmen. Deshalb sind sie für viele Anwendungen, besonders Verpackungen, das Plastik der Wahl – und machen mehr als die Hälfte aller produzierten Kunststoffe aus. Außerdem sind sie aus durchgehenden Ketten von Kohlenstoffatomen aufgebaut und dadurch recht stabil.

Also sucht man nach Verfahren, solche Polyolefine chemisch zu zersetzen. Eine Reaktion, die deren stabilen Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen knacken kann, ist die Spaltung mit Wasserstoff. Allerdings passiert das nicht von allein. Man braucht dazu einen Hilfsstoff, der einerseits die Molekülkette und den Wasserstoff nah zusammenbringt und andererseits die Elektronen in den beteiligten Bindungen aus ihren normalen Positionen herauslockt, so dass sie sich leichter umorganisieren lassen. Ruthenium-Nanoteilchen können das. Aber gelingt das, was die Katalysatoren nun mit einer Tüte und einer Flasche leisteten, auch mit Millionen davon?

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