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Das aktuelle Stichwort: REDD: Waldschutz für das Klima

Brasilien Platz 4, Indonesien Platz 3 - vor allem die Brandrodung ihrer Regenwälder treibt diese beiden Staaten unter die weltweit größten Kohlendioxid-Erzeuger. Nun sollen auf der Weltklima-Konferenz auf Bali Wege gefunden werden, den Raubbau an den globalen Wäldern zu bremsen oder gar zu stoppen: zum Wohle des Klimas.
Intakter Regenwald bei Manaus
Ein ganzes Fünftel der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen ließe sich vermeiden, wenn die Weltgemeinschaft nicht mehr jedes Jahr zwischen 15 und 20 Millionen Hektar Wald zusätzlich in Ackerland oder Viehweiden umwandeln würde. Jeweils mehr als zehn Prozent gehen davon auf das Konto von Indonesien und Brasilien, wo ursprünglicher Regenwald abgebrannt wird, um Platz zu schaffen für neue Plantagenflächen für Soja oder Ölpalmen beziehungsweise für Viehweiden. Zugleich fallen die Ökosysteme als Kohlendioxid-Senke aus, da das neu entstandene Nutzland deutlich weniger Kohlenstoff langfristig speichert.

Auf der anderen Seite weisen die Staaten mit großen Waldbeständen wohl zu Recht darauf hin, dass sie sich entwickeln dürfen, auch wenn dies auf Kosten ihrer Urwälder geht: Schließlich habe der Norden auch jahrhundertelang auf seine Natur keine Rücksicht genommen, weshalb er dies nun nicht von den Ländern des Südens erwarten könne – zumindest nicht ohne entsprechend lukrative Kompensationen. Dieser Handel bildet auf der dritten Weltklima-Konferenz auf Bali einen der wichtigsten Diskussionspunkte auf dem Weg zu einem neuen Klimaschutzabkommen, das ab 2012 das alte Kyoto-Protokoll ablösen soll. In Kyoto selbst fand Entwaldung und Schutz der entsprechenden Naturräume noch keinen Eingang ins Vertragswerk, was viele Ökologen und Ökonomen kritisieren, da es keine Anreize bietet, die Abholzung zu reduzieren.

Unter dem Titel REDD (Reduce Emissions from Deforestation in Developing Countries) wird nun auf Bali nach Möglichkeiten gesucht, wie das Klima und wichtige Waldnationen gemeinsam von Schutzaktionen der verbliebenen Wälder profitieren können. Erstmals eingebracht wurden entsprechende Ideen 2005 von Costa Rica und Papua-Neuguinea, die beide noch einen hohen Regenwaldanteil an der Landesfläche aufweisen oder unter Schutz gestellt haben beziehungsweise deren Bewaldung wieder zunimmt. Auch Brasilien, Indonesien sowie verschiedene zentralafrikanische Staaten fordern adäquate Ausgleichszahlungen.

Zur Debatte steht unter anderem ein sehr einfaches Schema, nach dem den Entwicklungsländern die Waldflächen als so genannte Kohlenstoff-Kredite gutgeschrieben werden, die sie an die Industrieländer oder einzelne Unternehmen verkaufen können – etwa wenn diese sehr viel Kohlendioxid produzieren. Statt entsprechend teurer Emissionszertifikate, wie sie in der Europäischen Union gehandelt werden, oder Einspar-Technologien können sie einen Teil der Aufwendungen in den Regenwaldschutz investieren. Möglich wäre zudem ein Schuldenerlass, sodass die Schuldner nicht weiter gezwungen sind, Holz oder Plantagenprodukte zu veräußern. Die Empfänger verpflichten sich wiederum, ihre Ökosysteme strenger zu schützen und der Entwaldung Einhalt zu gebieten.

Was auf dem Papier aber relativ einfach klingt, steht in der Praxis vor hohen Hürden: Weder ist ausreichend bekannt, wie viel Kohlendioxid ein bestimmtes Ökosystem wie lange speichert, noch gibt es gegenwärtig Standards für die Kohlenstoff-Kredite. So gilt es beispielsweise eine Überflutung des europäischen Zertifikate-Handels zu verhindern, da dies Einspar-Anstrengungen der heimischen Industrie konterkarieren könnte. Brasilien wendet diesbezüglich auch ein, dass Waldschutz kein Freibrief für die Industrienationen sein dürfe, auf eigene Verbrauchsbeschränkungen zu verzichten. Zudem müssten eingesetzte Finanzmittel auch an der Basis ankommen: jenen Menschen, die für eigenes Überleben dringend auf Waldprodukte angewiesen sind – auch hier liegt noch keine Machbarkeitsstudie vor.

Ebenfalls ungeklärt sind noch Maßnahmen, mit denen verhindert werden kann, dass einmal mit Kohlenstoff-Krediten geschützter Wald tatsächlich langfristig nicht angetastet wird. Illegale Abholzung gilt schon heute als sehr ernsthafte Bedrohung von Schutzgebieten in vielen Teilen der Tropen. Außerdem müsse vermieden werden, dass sich Rodungen von einer Region, die bereits an einem möglichen Handel teilnimmt, auf Gebiete verlagert, die noch außen vor sind, so beteiligte Wissenschaftler.

Ungeachtet der politischen Händel auf Bali nehmen einige Regionen mit hohem Regenwaldanteil an der Landesfläche die Dinge bereits selbst in die Hand: Die indonesischen Provinzen West-Papua und Aceh sowie der brasilianische Bundesstaat Amazonien unterzeichneten am Rande der Tagung ein Abkommen, das bereits ein Vorgriff auf zukünftige Kohlenstoff-Kredite ist – als ersten Schritt haben sie ein Moratorium erlassen, das Abholzungen untersagt, bis der Wert ihrer Wälder und ihre Senkenwirkung erfasst sind.

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