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Klimawandel: Regel oder Ausnahme?

Wälder und Böden gelten längst nicht mehr als die große Hoffnung im Kampf gegen den Klimawandel, als die sie einst gefeiert wurden. Zu viele Studien weckten Zweifel an den erwarteten Speicherkapazitäten für Kohlenstoff. Doch ein alter Wald in China hält sich nicht an die Regeln.
Wald in Dinghushan
Ehrwürdig wäre vielleicht der Begriff, der einem für das Biosphärenreservat Dinghushan in der südchinesischen Guangdong-Provinz in den Sinn kommt. Mindestens 400 Jahre alte, ursprüngliche Regenwälder überziehen die Berge und Hügel und bieten die geeignete Kulisse für eines der wichtigsten buddhistischen Zentren der Region. Eine Million Besucher strömen jährlich in dieses erste Naturschutzgebiet Chinas – Herausforderung und Chance zugleich.

Regenwald in Dinghushan | Subtropische bis tropische Regenwälder, teilweise über 400 Jahre alt, bedecken die Hügel und Berge des Dinghushan-Biosphärenreservats in Südchina.
Doch Dingshushan hat noch einen weiteren Schatz zu bieten: Seit Jahrzehnten wird in dem Waldgebiet gründlich geforscht, und ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Auswirkungen der globalen Erwärmung, begleitet von Studien zur Struktur und Biodiversität der Waldökosysteme. Wissenschaftler können daher auf einen reichen Datenfundus zurückgreifen, der über einen weitaus größeren Zeitraum als vielerorts üblich demonstriert, wie sich Wald, Boden, Luft und die Lebewelt verändert haben.

Bei der Auswertung solcher umfassender Zeitreihen kommt durchaus Überraschendes zutage. Das erlebten nun auch Guoyi Zhou von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen: Sie stellten fest, dass die Konzentrationen von organischem Kohlenstoff in den obersten zwanzig Zentimetern des Bodens seit 1979 von 1,4 auf 2,35 Prozent gestiegen waren. Messungen an 230 Bodenproben zufolge war damit die Menge an gespeichertem organischen Kohlenstoff jährlich um 60 Gramm pro Quadratmeter gewachsen. Gleichzeitig hatte die Lagerungsdichte, ein Maß für den Anteil an Poren, klar abgenommen.

Das aber passt gar nicht ins Bild von alten Wäldern. Denn hier sollte, so die Meinung bislang, in Sachen Kohlenstoff-Speicherung nichts Aufregendes geschehen: Die aufgenommene Menge entspräche plusminus Null dem, was wieder veratmet, also in Form von Kohlendioxid freigesetzt wird. Als Senke für Kohlendioxid wurden diese Wälder daher nie diskutiert.

Wie kommt es dann aber zu diesem überraschenden Ergebnis?
"Die Prozesse des Kohlenstoff-Kreislaufs im Boden dieser Wälder verändern sich"
(Zhou et al.)
Weil niemand vorher wirklich überprüft hat, was alle annahmen, erklären die Forscher. Doch noch etwas bemerken sie: "Die Prozesse des Kohlenstoff-Kreislaufs im Boden dieser Wälder verändern sich, sie reagieren auf eine sich wandelnde Umwelt." Was also womöglich vor der globalen Erwärmung noch galt – dass alte Wälder keinen zusätzlichen Kohlenstoff speichern –, hat die Entwicklung der letzten Jahrzehnte außer Kraft gesetzt.

Blinzelt damit nun doch ein Hoffnungsschimmer am Horizont in Sachen Kohlendioxid-Speicher und Wälder? Vielleicht – es gilt abzuwarten, was andere Studien in ähnlichen Systemen für Resultate liefern. Der jährliche Zuwachs von 0,035 Prozent liegt außerdem weit unter den 2,6 bis 2,9 Prozent, die Forscher in anderen Waldgebieten mit Stickstoff-Düngung erreichten.

Auf jeden Fall aber ist es nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht eine ernste Warnung: Wir haben keine Ahnung, welche Überraschungen der Klimawandel noch für uns bereit hält. Nur eins ist klar – selbst Althergebrachtes muss ständig neu auf den Prüfstand.

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