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Regeneration: Darmbakterien können Leberzellwachstum beeinflussen

Wird von der Leber ein Teil entfernt, kann der Körper fehlendes Gewebe nachwachsen lassen. Womöglich hängt diese Regeneration auch von den vorhandenen Bakterien im Darm ab.
3-D-Illustration eines Darm mit Mikrobiota
Die Zusammensetzung des menschlichen Mikrobioms ist sehr variabel und wird unter anderem von der Ernährung, der Immunkompetenz und Medikamenten beeinflusst.

Die Leber ist eines der wenigen Organe, das sich sehr gut regeneriert. Wird die Hälfte der Leber entfernt, kann sie innerhalb weniger Wochen komplett wieder nachwachsen. Deshalb ist es möglich, einen Teil seiner Leber an einen Empfänger zu spenden, dessen eigene Leber nicht mehr richtig arbeitet. Dass die Fähigkeit zur Regeneration teils mit dem Mikrobiom zu tun haben könnte, hat ein Forscherteam aus dem TUM-Universitätsklinikum rechts der Isar und der TUM School of Life Sciences in Versuchen an Mäusen gezeigt.

Das Mikrobiom eines gesunden Darms besteht aus einer Vielzahl von Bakterientypen. Diese spielen eine aktive Rolle für die Verdauung. Unter anderem zerlegen einige von ihnen Kohlenhydrate in so genannte kurzkettige Fettsäuren. »Die Zellen der Leber benötigen diese Fettsäuren, um wachsen und sich teilen zu können«, sagt Studienleiter Klaus-Peter Janssen aus der Klinik und Poliklinik für Chirurgie des Klinikums rechts der Isar in einer Pressmitteilung. »Wir konnten jetzt erstmals zeigen, dass Darmbakterien den Fettstoffwechsel in Leberzellen und damit deren Fähigkeit zur Regeneration beeinflussen.«

Das Forscherteam erprobte dies an Mäusen, deren Mikrobiom gestört war. Sie verabreichten den Nagern gezielt Antibiotika, um deren Darmflora damit aus dem Gleichgewicht zu bringen. Bei diesen Tieren bildeten sich nahezu keine neuen Leberzellen. Ein Zusammenhang zwischen Antibiotika und gestörter Leberregeneration war bereits bekannt. Als Gründe wurden Klaus-Peter Janssen zufolge bislang jedoch eher Immunreaktionen des Körpers oder schädliche Nebenwirkungen der Antibiotika auf Leberzellen angenommen. Dass stattdessen ein Zusammenhang mit den Darmbakterien besteht, wurde erst durch die aktuellen Untersuchungen deutlich. Genau wie die Mäuse, die mit Antibiotika behandelt wurden, konnten auch Mäuse, denen schon bei der Geburt das Mikrobiom fehlte, keine neuen Leberzellen bilden.

»Antibiotika töten nicht alle Bakterien im Darm«, erläutert Anna Sichler, eine der beiden Autorinnen der Studie. »Durch die Medikamente ergibt sich aber eine neue Zusammensetzung des Mikrobioms: Die verbleibenden Bakterienarten produzieren deutlich weniger kurzkettige Fettsäuren.« Einige Wochen nach einer Antibiotikagabe regeneriert sich das Mikrobiom in der Regel. Die aktuelle Studie ergab, dass sich auch die Leber der mit Antibiotika behandelten Tiere schließlich erneuerte, allerdings mit deutlicher Verzögerung. Bei den Mäusen ohne Darmbakterien gab es gar keine selbstständige Regeneration. Dennoch konnten die Forschenden durch die Gabe eines definierten »Mikrobiom-Starter-Sets« die Leber dazu anregen, sich wieder zu regenerieren.

In einem weiteren Versuch konnte das Team anhand von Organoiden aus Mäusezellen, gewissermaßen Miniaturlebern in der Petrischale, zeigen, dass die kurzkettigen Fettsäuren ein entscheidendes Baumaterial für die Zellmembran der Leberzellen liefern. Waren diese nicht ausreichend vorhanden, wuchsen die Zellen nicht. Waren jedoch ausreichend Fettsäuren vorhanden, vermehrten sich die Zellen. Dabei war ein Enzym mit der Bezeichnung SCD1 besonders aktiv. »Wir haben die Prozesse danach ebenso mit menschlichen Leberzellen und an Gewebeproben untersucht«, sagt Yuhan Yin, ebenfalls Autor der Studie. »Auch bei Menschen ist SCD1 aktiv, wenn sich die Leber regeneriert.«

Doch die Rolle, die unsere Darmbakterien für den Körper spielen, sei sehr komplex und noch lange nicht vollständig verstanden, so Klaus-Peter Janssen. Dementsprechend könne man aus den Forschungsergebnissen keine direkten Handlungsempfehlungen ableiten oder Medikamente entwickeln. »Allerdings könnte man anhand unserer Ergebnisse erforschen, welche Zusammensetzungen des Mikrobioms gute Voraussetzungen für eine Regeneration von Leberzellen bieten.« Dann könne man anhand der Darmbakterien von Tumorpatientinnen und -patienten prüfen, ob der Zeitpunkt für eine OP geeignet sei – oder ob es besser sei, zu warten, bis das Mikrobiom sich erholt hat. Unter Umständen könne man die Erholung zudem durch eine bestimmte Ernährung positiv beeinflussen. »Umgekehrt ist es vielleicht auch möglich, nach der Operation anhand des Mikrobioms, also anhand von Stuhlproben, darauf zu schließen, wie gut eine Leber regeneriert«, sagt Klaus-Peter Janssen.

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