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Regenwaldfonds: Die wundersame Geldvermehrung von Belém

Finanzakrobatik für den Waldschutz: In Brasilien wird ein raffinierter Fonds auch um deutsches Geld werben. Sollte Friedrich Merz einsteigen? 
Eine ruhige Flusslandschaft mit üppigem, grünem Regenwald im Hintergrund. Die Bäume spiegeln sich im klaren Wasser, während der Himmel darüber blau und wolkenlos ist. Die Szene vermittelt eine friedliche und natürliche Atmosphäre.
Könnten 125 Milliarden Dollar und ein paar Anlagetricks Geld für den Waldschutz mobilisieren?

Als Anleger soll man misstrauisch werden, wenn jemand sagenhafte Gewinne zu geringem Risiko verspricht. Das gilt auch, wenn man Regierungschef ist und ein paar Milliarden Steuergeld in ein wundersames Finanzprodukt stecken soll: TFFF heißt es, Tropical Forest Forever Facility, also übersetzt der »Tropische-Regenwald-Fonds für die Ewigkeit«. Dieser Fonds wird kommende Woche beim Weltklimagipfel in Belém vorgestellt, und auch Deutschland, vertreten durch Friedrich Merz, überlegt zu investieren.

Der Kanzler findet diese Finanzierungsinitiative »sehr interessant«, hieß es in den Kreisen. Man begrüße daher die Idee TFFF nicht nur, sondern unterstütze sie. »Aber wir müssen den konkreten Finanzierungsbeitrag noch einen Moment offen lassen«, hieß es in den Kreisen weiter. Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) hatte am Mittwoch bereits darauf verwiesen, dass es in der Regierung intensive Beratungen über die konkrete Finanzierung gebe.

Der TFFF soll zum Glanzprojekt der brasilianischen Gastgeber werden: ein gigantischer Geldtopf, der dabei helfen soll, die Tropenwälder der Welt zu bewahren. In Belém wird er erst mal in einer kleinen Startversion von wenigen Milliarden vorgestellt, aber in den nächsten Jahren soll er ein Volumen von 125 Milliarden Dollar erreichen. Er wäre dann mit Abstand der größte seiner Art. Außerdem verknüpft sich mit ihm ein ungewöhnliches Versprechen.

Der Regenwaldfonds verheißt den Regierungen, die Geld beitragen, nicht etwa eine Belastung ihres Staatshaushalts, sondern im Gegenteil einen Gewinn. Ist das ein raffiniertes Stück Finanzakrobatik im Interesse der Weltrettung? Die wundersame Geldvermehrung von Belém? Oder sollte Merz lieber doch noch mal das Kleingedruckte im Anlegerprospekt lesen?

Ein Kredit fürs Klima

Hinter dem Regenwaldfonds, der auf einige bei der Weltbank ab 2018 entwickelte Ideen zurückgeht, steckt tatsächlich ein bestechendes Konzept. Geberländer – hauptsächlich aus der reicheren Welt – sollen zusammen 25 Milliarden Dollar aufbringen, aber nicht als Spende, sondern als Kredit. Dafür bekommen sie Zinsen ausgezahlt: in einer Höhe, als hätten sie felsenfeste Unternehmensanleihen gekauft, zum Beispiel um die fünf Prozent.

Das Geld wird aber nicht wirklich felsenfest angelegt, und hier beginnt der Trick. Es wird stattdessen in einen Mix riskanterer Staats- und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern gesteckt, wo höhere Renditen winken: zum Beispiel acht Prozent.

Außerdem dienen die 25 Milliarden von den Staaten zumindest in den ersten Jahren als eine Art Versicherung für eine viel größere Kapitalquelle. Private Großinvestoren sollen weitere 100 Milliarden Dollar an den Fonds ausleihen und damit ebenfalls um die fünf Prozent verdienen. Im Regenwaldfonds müssen sie wenig Angst vor Kreditausfällen haben, obwohl die Anlagen in Wirklichkeit ja riskant sind. Sie würden aus den staatlicherseits eingezahlten Mitteln entschädigt.

»Blended Finance« heißt das, und das Prinzip ist immer mal wieder für wohltätige Zwecke ausprobiert worden, aber noch nie in solcher Größenordnung. Der Clou ist, dass eine Differenz entsteht: Die insgesamt 125 Milliarden Fondskapital werfen acht Prozent Rendite ab, aber die staatlichen und privaten Anleger bekommen nur fünf Prozent zurück. Bleiben drei Prozentpunkte, ein paar Milliarden pro Jahr, von denen noch Gebühren und Rücklagen abgezweigt werden, aber der Rest kann in den Waldschutz fließen.

Prämien für Bäume, Strafen für Rodung

Dieser praktische Waldschutzteil wurde ausgesprochen gründlich durchdacht. Geld aus dem Fonds soll an Staaten fließen, die irgendeine Art von Tropenwald bewahren – vom Amazonas über die Nebelwälder in den Anden bis zu den Monsunwäldern Südostasiens. Für jeden Hektar Wald, der zu Beginn des Jahres schon da war und am Ende noch steht, bekommt das Land in bisherigen Beispielrechnungen vier Dollar ausgezahlt – aber von dieser Zahlung wird eine harsche Strafe von etwa 400 Dollar für jeden Hektar abgezogen, der verschwunden ist. Auch Aufforsten wird belohnt. Möglichkeiten zur Korruption werden minimiert. 20 Prozent der Mittel gehen an indigene Völker und andere Traditionsbewohner des Waldes, was als die beste Waldschutzmethode gilt.

Klingt gut, aber ein Problem liegt in dem Finanzkonstrukt an sich, was in den vergangenen Wochen eine wachsende Zahl von Mahnern auf den Plan gerufen hat. Zu einer der lautesten Stimmen wurde ein Doktorand an der Universität Witten-Herdecke, der Ökonom Max Alexander Matthey, der kritische Newsletter veröffentlicht und sich Wortgefechte mit Entwicklungsbankern, NGOs und europäischen Beamten liefert. »Ich war anfangs der Überzeugung, dass ich einfach den Mechanismus nicht verstehe«, sagt der 34-jährige Forscher. Inzwischen hält er den Regenwaldfonds-Plan für »brandgefährlich«.

Das Argument von Kritikern wie Matthey: Es gebe ja einen Grund dafür, dass spekulative Anleihen acht Prozent abwerfen, todsichere aber nur fünf Prozent. Dieser Unterschied sei zumindest teilweise das Ausfallrisiko. Wenn die Weltfinanzmärkte mal wieder in Schwierigkeiten gerieten, so wie während der Asienkrise 1997 oder der Weltfinanzkrise 2008, und wenn das Anlageportfolio dann um 20 Prozent einbräche, wäre all das staatlich investierte Geld futsch.

Beim Regenwaldfonds ist das nämlich so geregelt: Bei Finanzschwierigkeiten werden erst mal die Zahlungen für den Waldschutz ausgesetzt, was an sich schon problematisch ist, weil Waldschutzprojekte langfristige Verlässlichkeit brauchen. Als Nächstes werden die 25 Milliarden Dollar von den Staaten verbraucht, dann erst geht es an das Geld von privaten Investoren. Wirklich forever beim Forever-Fund sind die Gebühren privater Fondsverwalter, die das Investieren abwickeln, jährlich eine dreistellige Millionensumme.

Ein Modell für leere Staatskassen

Warum die ganze Akrobatik? Warum nicht einfach Spenden? Oder zinslose Kredite von Staaten? Der Londoner Finanzexperte Christopher Egerton-Warburton, der das Konzept für Brasilien maßgeblich mitentwickelt hat, sagt dazu: Den Wald wollten alle retten, aber die Staatskassen seien leer. »Der Finanzdruck in allen Ländern ist so groß, dass nicht genug Kapital lockergemacht würde, um das Problem anzugehen.« Dagegen sei ein Konzept, das keine Kosten, sondern ein Investment verspricht, »attraktiv«.

Es sei denn, ein Crash kommt und das Investment muss abgeschrieben werden. Ob sie dieses Risiko zugunsten der Wälder eingehen wollen, müssen die Länder jetzt entscheiden. Brasilien hat eine Milliarde zugesagt. Norwegen, Großbritannien, China und die Arabischen Emirate gelten als Investoren quasi als gesetzt. Das Steuerungskomitee des Regenwaldfonds betont derzeit viele beruhigende Aspekte: Ein aktives, wachsames Kapitalmanagement werde Verluste von Steuergeld möglichst ausschließen. Puffer für schlechte Zeiten würden aufgebaut. Der Fonds solle zunächst langsam wachsen. Anleihemärkte seien heute reifer und crashfester denn je.

Und wenn der Fonds erst mal so richtig laufe, in zehn Jahren, könnten die Staaten über 40 Jahre hinweg ihr Geld wieder rausziehen. Sofern bis dahin der große Crash ausbleibt.

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