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News: Reiches Mittelmaß

Viel Platz, viele Arten - so lautet, vereinfacht gesagt, ein Gesetz in der Ökologie. Doch ganz so einfach, wie sich Wissenschaftler das bisher vorstellten, ist es nicht. Denn das Verhältnis zwischen Artenzahl und Fläche verändert sich mit der Flächengröße: Bei sehr kleinen oder sehr großen Flächen steigt die Anzahl der hier lebenden Arten gemächlich an, im Mittelmaß nimmt dagegen die Artenzahl mit steigender Fläche viel stärker zu.
Naturwissenschaftler sind bestrebt, ihre Erkenntnisse in eine griffige mathematische Formel zu packen. So halten es auch Ökologen. Dass auf großen Flächen mehr Tier- und Pflanzenarten leben können als auf kleineren, überrascht nicht. Doch wie lautet der genaue mathematische Zusammenhang? Bisher gingen Ökologen von einem Potenzgesetz aus: Trägt man den Logarithmus der Artenzahl gegen den Logarithmus der Fläche auf, ergibt sich eine Gerade. Dabei liegt die Steigung dieser Geraden, also der Exponent, bei einem Wert von etwa 0,25. Damit ließe sich die Artenzahl einer großen Fläche hochrechnen, wenn man die Spezies auf einer kleinen Fläche auszählt.

Doch stimmt das überhaupt? Mick Crawley und Josie Harral vom Department of Biology des britischen Imperial College of Science, Technology and Medicine wollten es genau wissen. In der englischen Parklandschaft von Berkshire zählten sie die Pflanzenarten – und zwar von winzigen Flächen von nur einem Hundertstel eines Quadratmeters bis hinauf zu Arealen von einhundert Quadratkilometern.

Die beiden Wissenschaftler fanden keineswegs den erwarteten Zusammenhang. Das Potenzgesetz mit dem Exponent 0,25 bestätigte sich nur für kleine Flächen mit weniger als einhundert Quadratmetern sowie für sehr große mit über hundert Quadratkilometern. Hier lag der Anstieg der Artenzahl mit der Fläche im erwarteten Bereich. Doch im mittleren Bereich von einem Hektar bis zu zehn Quadratkilometern nahm die Artenzahl viel stärker zu als die mathematische Formel es voraussagte. Mathematisch ausgedrückt heißt das, der Exponent des Potenzgesetzes ist nicht, wie angenommen, konstant, sondern er verändert sich mit steigender Fläche: Zunächst steigt er an, erreicht bei mittleren Flächen ein Maximum von etwa 0,5 und fällt dann wieder ab.

Crawley und Harral erklären diesen Anstieg mit der zunehmenden Zahl der Habitate, die von immer mehr Spezies besiedeln werden können, bis schließlich eine Sättigung erreicht wird. Dies hat, laut Crawley, weitreichende Konsequenzen: "Unsere Arbeit zeigt, dass man aus der billigen Begutachtung einer kleinen Fläche nicht den Artenreichtum einer großen Fläche vorhersagen kann. Für Großbritannien mit seiner gut bekannten Flora und Fauna hat das eine geringere praktische Bedeutung, aber für die Dritte Welt ist das eine Herausforderung. Wir haben gezeigt, dass das Verhältnis zwischen Pflanzenartenreichtum und der begutachteten Fläche nicht konstant ist, wie man bisher glaubte. Das Problem ist, dass wir noch nicht wissen, wie sich das Verhältnis in anderen Teilen der Erde mit der Fläche verändert. Vorhersagen bleiben daher sehr schwierig."

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