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News: Reine Erfahrungssache

Die erfahrene Leitkuh einer Elefantenherde führt ihre Familie sicher durch viele Gefahren. An den Rufen anderer Artgenossen erkennt sie Freund und Feind - zuverlässiger als jüngere Anführerinnen. Das wirkt sich offenbar auch positiv auf den Bestand ihrer Schützlinge aus: Es gibt mehr Junge. Denn da sie seltener Alarm auslöst, kann sich ihre Gruppe offenbar mehr der Fortpflanzung widmen.
Ein Elefant vergisst nichts, heißt es. Ihr sprichwörtliches Gedächtnis haben die Dickhäuter schon in zahlreichen Untersuchungen bewiesen, in denen sie selbst nach Jahren noch freudig auf die aufgezeichneten Rufe längst verstorbener Bekannter reagierten. Etwa 100 individuelle Begrüßungslaute von Artgenossen in der Population können weibliche Elefanten richtig zuordnen – vor allem von denen, die sie häufiger treffen.

Wichtig dabei ist, dass sie Freund von Feind unterscheiden können – denn wenn es sich um potenzielle Angreifer handeln könnte, schließen die Mütter einen Ring um ihre Kälber, um sie zu verteidigen. Gerade fremde Stimmen versetzen die Tiere in Alarmbereitschaft. Doch die Reaktionen differieren von Familie zu Familie. Woran liegt das, fragten sich Karen McComb von der University of Sussex und Sarah Durant vom Institute of Zoology in London.

Mit der Hilfe von Cynthia Moss und ihren Kollegen, die seit 28 Jahren etwa 1700 Elefanten im kenianischen Amboseli National Park beobachten, kamen sie dem Geheimnis auf die Spur. Sieben Jahre lang spielten sie den Familienverbänden Tonaufnahmen von anderen Elefanten vor und analysierten die Reaktionen. Anzahl der Muttertiere, Zahl der Kälber, durchschnittliches Alter der weiblichen Elefanten – alle Faktoren erwiesen sich als statistisch nicht signifikant. Aber ein Parameter kristallisierte sich deutlich heraus: das Alter der Leitkuh.

Insgesamt ließen sich Anführerinnen mit mehr als 55 Jahren auf dem Buckel weit weniger aus der Ruhe bringen als ihre jüngeren Kolleginnen. Selbst bei Rufen von entfernteren Bekannten reagierten die Tiere nicht so häufig mit der Verteidigungshaltung wie Familien mit jüngeren Leitkühen. Außerdem sicherten sie sich eher noch dadurch ab, dass sie mit ihrem Rüssel versuchten, den Geruch des Rufers aufzuspüren – als ein weiteres Kriterium dafür, wie sie sich nun verhalten sollen.

Die Gelassenheit der erfahrenen Leitkühe beschert ihrer Gruppe auch einen größeren Fortpflanzungserfolg. Die Wissenschaftlerinnen vermuten, dass dahinter eine reine Zeitfrage steckt: Da die Elefanten in Gruppen von jüngeren Anführerinnen häufiger in Verteidigungsstellung verharren, haben sie entsprechend weniger Zeit, um für Nachwuchs zu sorgen.

Problematisch kann es allerdings werden, wenn das "soziale Gedächtnis" der Familie plötzlich stirbt. Denn den Ergebnissen zufolge machte es keinen Unterschied, wieviele weitere erfahrene Weibchen zu der Gruppe gehörten, allein die Reaktion der Leitkuh bestimmte das Verhalten der gesamten Familie. Doch gerade die alten, großen Tiere sind in der Regel das Ziel von Wilderern und Jägern.

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  • Quellen
Science 292: 491–494 (2001)

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