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Moralpsychologie: Reines Gewissen

© Maren Beßler
„Dem Reinen ist alles rein“, heißt es in der Bibel. Und in der Tat: Wer seine Hände wäscht oder ein Gefühl von Sauberkeit hat, bevor er ein moralisches Urteils fällt, wertet milder. Das haben Forscher um Simone Schnall von der University of Plymouth in England jetzt herausgefunden.

In einem ersten Experiment erhielten 40 Studenten Listen mit 40 Folgen aus jeweils vier ungeordneten Wörtern, aus denen sie Sätze bilden sollten. Die Begriffe waren entweder zufällig zusammengestellt oder enthielten viele mit körperlicher Sauberkeit verbundene Ausdrücke wie „gewaschen“, „fleckenlos“, „picobello“ oder „rein“. Danach waren sechs moralisch diffizile Sachverhalte zu bewerten, in denen es von Unaufrichtigkeit über Sodomie bis Kannibalismus ging. Wie sich zeigte, legten diejenigen Teilnehmer, bei denen Assoziationen an Sauberkeit evoziert worden waren, weniger strenge ethische Maßstäbe an als die Mitglieder der Vergleichsgruppe.

Noch stärker zeigte sich der Effekt in einem zweiten Versuch, in dem Studenten zunächst einen Ekel erregenden Film sehen mussten. Anschließend durfte sich die Hälfte von ihnen die Hände zu waschen. Diese Gruppe beurteilte moralische Verfehlungen in der nachfolgenden Befragung deutlich weniger hart als die übrigen Teilnehmer.

Offenbar färbt das Gefühl körperlicher Reinheit auf unser Denken ab und wir stufen auch ethisch fragwürdige Handlungen als weniger schmutzig ein. Das unterstreicht einmal mehr, wie stark moralische Bewertungen von unbewussten Empfindungen gesteuert sind.

Vera Spillner

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