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News: Reise mit leichtem Gepäck

Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die zu neuen Ufern aufbrachen, haben sich so erfolgreich in der frisch eroberten Heimat eingelebt, dass sie zur Bedrohung der ursprünglichen Besiedler werden. Das Erfolgsrezept scheint recht einfach: Kontrollierend wirkende Parasiten haben den Umzug nicht mitgemacht.
Goldgelb leuchteten die Wiesen im Herbst, so weit das Auge reichte. Eine bunte Farbenpracht, an der sich der Betrachter hätte freuen können – wenn dahinter nicht eine tragische Geschichte gesteckt hätte: Das Jakobs-Kreuzkraut (Senecio jacobaea), das in den achtziger Jahren in den westlichen Staaten der USA die Felder überzog, gehört zu den aggressiven Einwanderern aus Eurasien, welche einheimische Pflanzenarten verdrängen und mit ihren giftigen Inhaltsstoffen die Tierwelt schädigen.

Und es ist bei weitem nicht allein. Tausende von Pflanzenarten benennt das U.S. Department of Agriculture als Einwanderer, die ohne menschliche Hilfe überleben können und damit potenziell gefährlich für die ursprüngliche Flora sind. Bei den Tieren sieht es ganz ähnlich aus.

Warum sind die Eindringlinge so erfolgreich? Schließlich dringen sie in bestehende, eingespielte Ökosysteme ein, in denen für sie eigentlich gar kein Platz mehr sein dürfte. Um das Erfolgsrezept aufzudecken, nahmen nun Charles Mitchell und Alison Power von der Cornell University hunderte von eingewanderten Pflanzenarten genauer unter die Lupe [1]. Mark Torchin von der University of California in Santa Barbara und seine Kollegen widmeten sich derselben Aufgabe bei 26 Tierarten [2].

Beide Forschergruppen kommen zum selben Ergebnis: Die Parasiten – beziehungsweise ihr Fehlen – sind schuld. Denn bei der Auswanderung lassen die Tiere und Pflanzen offenbar ihre ungeliebten Untermieter überwiegend zurück. So müssen sich Tiere in ihrer angestammten Heimat im Durchschnitt mit 16 Parasiten plagen – in ihrem neuen Zuhause bleiben ihnen davon im Mittel nur noch drei. Zwar kommen auch vier neue hinzu, doch fahren die Wirte damit immer noch besser als in ihrem Herkunftsgebiet.

Ähnlich sieht es bei den Pflanzen aus, wobei sich hier Viren etwas hartnäckiger halten als pathogene Pilze. Und je weniger Schmarotzer die Einwanderer begleiteten, desto größer war ihre Chance – oder das Risiko –, dass sie zu wuchernden Plagen wurden.

Es ist also weniger der Konkurrenzkampf mit den ursprünglichen Bewohnern eines Gebietes, der Einwanderer im Schach halten könnte. Die Kontrolle der Verbreitung obliegt vielmehr den Parasiten, die ihre Wirte schwächen und damit anfälliger machen. Fehlt diese natürliche Bremse, können die Fremden in der neuen Heimat regelrecht aufblühen und über die anderen triumphieren, die ihre Schmarotzerlast zu tragen haben.

Damit bietet sich aber auch gleichzeitig eine mögliche Gegenwehr: die Einfuhr der natürlichen Parasiten aus der ursprünglichen Heimat. Im Falle des Jakob-Kreuzkrautes war dies sogar erfolgreich: Larven des Blutbärs (Tyria jacobaeae) und des Flohkäfers Longitarsus jacobaeae machten der dominanten goldgelben Blütenpracht ein Ende und rückten die Verhältnisse der Arten zueinander wieder zurecht. Nicht immer wird das so einfach sein – ganz abgesehen von den gegebenfalls gefährlichen Folgen weiterer eingeschleppter Arten.

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