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Rekord bei 8336 Metern: Kein Fisch wurde je in größerer Tiefe gefilmt

Ein Tauchroboter hat im Meer vor Japan den bislang am tiefsten lebenden Fisch gefilmt – mehr als acht Kilometer unter der Oberfläche. Tiefer geht vermutlich kaum.
Scheibenbäuche im Boningraben
Ein Köder lockt die Tiefseefische vor die Kamera. Diese Scheibenbäuche wurden zwischen 7500 und 8200 Meter Tiefe gefilmt.

Dass es Fische, die zur Familie der Scheibenbäuche (Liparidae) gehören, gerne tief mögen, ist schon länger bekannt. Wie weit ihr Lebensraum tatsächlich in die Tiefsee reicht, beobachtete nun eine Expedition der University of Western Australia: Ein Tauchroboter entdeckte eine noch unbekannte Art der Scheibenbauch-Gattung Pseudoliparis in 8336 Metern Tiefe. Ein Weltrekord, schreibt das Team um Alan Jamieson in einer Mitteilung.

Bei dem noch sehr kleinen Fisch dürfte es sich um ein Jungtier gehandelt haben, so die Gruppe. Vermutlich weicht der Nachwuchs dieser Art in die einsameren Tiefen aus, um Beutegreifern zu entkommen, die weiter oben auf Raubzug gehen. Entdeckt wurde das Tier im Boningraben (auch Izu-Ogasawara-Graben genannt), der an manchen Stellen bis zu 9300 Meter in die Tiefe reiche.

Der Tauchroboter lockte den Fisch mit einem Köder vor die Kamera. Auf der zweimonatigen Expeditionsfahrt des Forschungsschiffs »DSSV Pressure Drop« im September 2022 filmten und fingen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord noch weitere Tiefseefische. Zwei Scheibenbäuche der Art Pseudoliparis belyaevi gingen ihnen zusätzlich bei 8022 Metern in eine Falle. Niemals zuvor wurden lebende Fische in größerer Tiefe gefangen. Auch in anderen Tiefseegräben, wie zum Beispiel dem Marianengraben, habe man Fische dieser Art entdeckt, erläutert Jamieson, dort würden sie immer seltener, je tiefer man komme, vor allem unterhalb der 8000-Meter-Marke. »Aber um Japan herum sind sie wirklich sehr zahlreich.«

Leben 8336 Meter unter dem Meer

Noch tiefer zu leben, sei aber vermutlich ausgeschlossen, erklärt der Meeresbiologe dem britischen »Guardian«: Um gegen den enormen Druck zu bestehen, verfügen die Fischer über Osmolyte, osmotisch aktive Substanzen, deren Konzentration mit der Tiefe zunehme. Zwischen 8200 und 8400 Meter lasse sich die Konzentration aber nicht mehr weiter steigern. Wo genau diese äußerste Grenze liege, hänge von der Umgebungstemperatur ab. Je kälter das Wasser, desto weiter oben müssen die Fische bleiben. Im Boningraben sei das Wasser Bruchteile eines Grads wärmer, darum lebten dort die Fische auch etwas tiefer. Der bisherige Rekordhalter wurde 2017 im Marianengraben gefilmt, dort aber 158 Meter weiter oben.

Seit Jahren suche man nach Gegenbeispielen für diese Annahme, bislang erfolglos, selbst nach knapp 250 Tauchgängen. Die Theorie »ist also ziemlich solide«, sagt Jamieson. Bei jedem einzelnen Abstieg habe man Scheibenbäuche gesehen, bis zu jener Fahrt auf 8336 Meter, nicht aber darunter.

Laut Berichten des Tauchbootpioniers Jacques Piccard soll es Fische geben, die sogar noch deutlich tiefer leben: Bei seiner Entdeckungsfahrt von 1960 zum tiefsten Punkt der Erde, der Challenger-Tiefe im Marianengraben, will Piccard einen Plattfisch beziehungsweise eine Art von Scholle gesehen haben – knapp 11 000 Meter unter der Wasseroberfläche. Dieser Bericht wurde jedoch schon kurz darauf in Zweifel gezogen. Wahrscheinlich habe es es sich um eine flache Seegurke gehandelt, mutmaßten Experten. Der Fund eines Plattfisches bei elf Kilometer Tiefe wäre auch aus heutiger Sicht extrem außergewöhnlich, da in den 1700 Metern oberhalb von Piccards vermeintlicher Sichtung seit fünf Jahrzehnten kein einziger lebender Fisch, und erst recht kein Plattfisch, entdeckt wurde. Auch autonome Tauchroboter in der Challenger-Tiefe konnten trotz stundenlanger Anwesenheit die Beobachtung des Pioniers nicht wiederholen, schrieben Jamieson und sein Kollege Paul Yancey von Whitman College in den USA bereits 2012.

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