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Planetenforschung: Rendezvous mit einem Protoplaneten

Am 16. Juli 2011 erreicht die Raumsonde Dawn den drittgrößten Asteroiden Vesta. Sie reist dabei auch zu den Anfängen des Planetensystems.
Raumsonde Dawn mit Vesta
Planetologen müssen geduldig sein. Schon vier Jahre lang ist die NASA-Raumsonde Dawn nun unterwegs und nähert sich äußerst behutsam dem Asteroiden Vesta. Das Raumschiff wird nicht von konventionellen chemischen Triebwerken, sondern von einem elektrischen Ionenantrieb beschleunigt, der hundertfach schubschwächer ist. Dawn ist erst die dritte interplanetare Mission, die auf diese Technik setzt. Obwohl ihr Betrieb schwerfällig ist, lohnt es sich wegen deutlich geringerer Kosten, damit zu fliegen. Die Sonde tritt am 16. Juli schließlich in eine Umlaufbahn um Vesta ein, den drittgrößten Körper des Asteroidengürtels zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter, um ihn mit einer in Deutschland entwickelten Kamera und zwei Spektrometern an Bord für ein Jahr zu erforschen. Dann fliegt sie zum Zwergplaneten Ceres weiter. Doch allein für den Besuch bei der exotischen Vesta dürfte sich die lange Reise lohnen.

Asteroiden umkreisen die Sonne wie Planeten, doch sie sind deutlich kleiner. Der Entdecker der 530 Kilometer großen Vesta, Heinrich Wilhelm Olbers, glaubte noch, auf einen neuen Planeten gestoßen zu sein. Doch der Bremer Astronom erspähte sie als vierten Asteroiden überhaupt. Später fanden die Teleskope noch 500 000 weitere Körper, mehrere Millionen werden allein im Hauptgürtel vor der Jupiterbahn zusätzlich vermutet. Ihre gemeinsame Masse ist dabei so gering, dass sie noch nicht einmal einen halben Pluto aufwiegen könnte.

Vesta im Blick von Dawn und Hubble | Rund 190 000 Kilometer trennten die US-Raumsonde Dawn vom Hauptgürtelasteroiden Vesta, als am 20. Juni 2011 dieses Aufnahme des 530 Kilometer großen Himmelskörpers entstand (links). Das Bild erreicht eine Auflösung von rund 20 Kilometern pro Bildpunkt, sehr viel besser als die detailreichsten Bilder des Weltraumteleskops Hubble (rechts).
Doch inzwischen gilt es als gesichert, dass Planeten und Asteroiden zumindest eine gemeinsame Vergangenheit teilen, die auf Vesta vielleicht besonders gut konserviert ist. Schon früh erkannten Astronomen, dass dieser Asteroid sich von den meisten anderen unterscheidet. Denn seine Oberfläche besitzt die höchste Albedo, sie reflektiert also pro Fläche am meisten Licht – ein Phänomen, das Forscher noch immer nicht völlig verstehen. Sie vermuten, dass dies mit besonderen mineralogischen Eigenschaften von Vesta oder gar einem eigenen Magnetfeld zusammenhängt, das geladene Teilchen aus dem Sonnenwind wirksam davon abhält, die Oberfläche anzugreifen und damit dunkler zu machen.

Als Forscher 1970 begannen, das reflektierte Licht von Asteroiden mit Teleskopen in Chile und Kalifornien zu untersuchen, fanden sie eine weitere Besonderheit. "Wir sehen zwei sehr stark ausgeprägte Absorptionsbanden, und die lassen klare Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Oberfläche zu", erläutert Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau, wo die Dawn-Kamera gebaut wurde. Anhand der spektralen Messdaten vermuten die Forscher, dass Vesta unter allen Asteroiden hervorsticht, weil ihre Oberfläche fast völlig aus Basalt besteht. Dieses Vulkangestein würde auf eine aktive Vergangenheit hindeuten, in der viel Lava an die Oberfläche floss.

Ein gewaltiger Krater | Die ersten detaillierten Aufnahmen von Vesta gelangen 1994 mit dem Hubble-Teleskop (oben links). Mit Modellrechnungen lassen sich bereits die Oberflächenstrukturen sowie eine topografische Karte errechnen. Der gewaltige Krater in der Südhemisphäre ist darin unverkennbar.
Schließlich richteten amerikanische Astronomen 1994 das frisch in Stand gesetzte Hubble-Weltraumteleskop auf Vesta. Es fotografierte sie während einer 5,3 Stunden dauernden Eigendrehung 24-mal. Zeigten die Aufnahmen auch nur verwaschene Flecken, erkannten geschulte Planetologenaugen auf ihnen doch eine erstaunlich vielgestaltige Oberfläche. Der Süden wird offenbar von einem rund 450 Kilometer breiten und zehn Kilometer tiefen Krater dominiert, an dessen Rändern sich kilometerhohe Wälle auftürmen. Zu Beginn der geologischen Geschichte dürfte hier ein kleinerer Asteroid mit hoher Geschwindigkeit eingeschlagen sein und dabei die Hälfte Vestas verunstaltet haben.

Vesta liegt schon in den Laboren

Seitdem bevölkern die herausgeschleuderten Trümmerteile den Asteroidengürtel und umkreisen wie Vesta die Sonne. Sie wurden von Astronomen auf den Namen Vestoide getauft, weil die spektralen Beobachtungen auf eine identische Zusammensetzung hindeuteten. Doch nicht nur auf den erdfernen Bahnen sammelten sich Bruchstücke von Vesta: Auch Meteoriten, die regelmäßig auf die Erde stürzen, stimmen überraschend gut mit Vestas chemischem Fingerabdruck überein.

"Zwar kommen viele andere Meteoriten, die wir gefunden haben, auch von Asteroiden. Aber wir wissen nicht, von welchen, denn im Asteroidengürtel gibt es Hunderttausende solcher Objekte", erläutert Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. "Vesta ist der einzige Asteroid, von dem wir die Proben eindeutig zuordnen können."
Anflug auf Vesta | Rund 190 000 Kilometer trennten die US-Raumsonde Dawn vom Hauptgürtelasteroiden Vesta, als am 20. Juni 2011 dieses Aufnahme des 530 Kilometer großen Himmelskörpers entstand. Das Bild erreicht eine Auflösung von rund 20 Kilometern pro Bildpunkt.
Die Meteoriten liegen bereits hundertfach in Museen in den USA, Australien oder Frankreich und werden in der so genannten HED-Gruppe drei verschiedenen Typen zugeordnet: Eukrite (E) entstammen der vulkanischen Kruste Vestas, während man Diogenite (D) wegen der darin auftretenden Minerale den Tiefen ihres Mantels zuordnet. Howardite (H) sind eine Mischung aus den beiden Typen.

Auch die Frage, wie manche Vestoide aus dem Asteroidengürtel zu uns gelangen konnten, erkären die Astronomen mittlerweile recht plausibel: "Es gibt einen konstanten Strom, der wie auf Schienen Material aus Vestas Nachbarschaft zur Erde transportiert", erläutert Dawn-Chefentwickler Christopher Russell von der University of California. Vermutlich sammelten sich die meisten Fragmente nach der großen Kollision auf verschiedenen Bahnen im Asteroidengürtel. Andere wurden später noch weiter zertrümmert, etwa der kilometergroße Vestoid 1999 TA10, der erst im letzten Jahr als ein Fragment aus Vestas tief liegendem Mantel identifiziert wurde. Einige andere Vestoide gelangten dagegen in die so genannten Kirkwood-Lücken im Asteroidengürtel, wo regelmäßig die Gravitation des Jupiters für Unordnung sorgt. Dabei lenkt der massereiche Planet die hier gesammelten Trümmer auch ins innere Sonnensystem, wo sie der Erde gefährlich nahe kommen können.

Ein Blick zurück

Unveränderte Materie aus dem jungen Sonnensystem ist nur schwer zu finden. Damals ging es besonders in der Nachbarschaft der massereichen Gasriesen einfach zu turbulent zu. Viele andere planetenähnliche Körper im Hauptgürtel wurden damals wieder zerstört. Doch auch auf den Planeten gingen die geologischen Ablagerungen ihrer jüngsten Geschichte schon bald verloren: Auf der Erde verschluckten abtauchende Kontinentalplatten alle Indizien, und selbst Planeten wie Venus und Mars wurden seitdem durch Erosion und aktive Vulkane umgestaltet.
Ein Diogenit aus Johnstown | Der Johnstown-Meteorit ging am 16. Juli 1924 in der gleichnamigen Stadt im US-Bundesstaat Colorado nieder. Große Kristalle des Minerals Orthopyroxen sind in einer Matrix aus vielen zertrümmerten Orthopyroxenen eingebettet. Der 23 Kilogramm schwere Meteorit ist ein seltener Vertreter der Diogenite, die aus dem Mantel von Vesta stammen.
"Deshalb bleibt nichts anderes als der Asteroidengürtel, um in die Anfänge der Entstehung der inneren Planeten und letztlich auch der Erde zurückgucken zu können", sagt Ralf Jaumann. "Und Vesta erlaubt uns, wirklich Informationen über die ersten 100 bis 500 Millionen Jahre der Entstehung des Sonnensystems zu bekommen." Einen ersten Vorgeschmack darauf lieferte Dawns Kamera bereits Mitte Juni 2011. Die Bilder aus einem Abstand von 265 000 Kilometern übertrafen bereits diejenigen des Weltraumteleskops Hubble. Sie lassen Flecken erkennen, die aus dunklem Basaltgestein bestehen und vielleicht den Maren des Erdmonds ähneln. Doch während ihrer einjährigen Visite wird sich die Sonde schrittweise noch auf bis zu 200 Kilometer nähern. Sie wird Vestas Oberfläche dreidimensional kartieren und mit den Spektrometern an Bord ihre chemische Zusammensetzung genau ermitteln.

Es ist daher ein doppelter Glücksfall, dass Vesta intakt blieb, jedoch einen weltumspannenden Krater besitzt. In ihm werden die Planetologen vielleicht den inneren Aufbau aus Kruste, Mantel und Kern untersuchen können. Denn innerlich ähnelt der Asteroid wie kein anderer der Erde.

Karl Urban

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