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News: Rennfahrer kennen ihre Kurven blind

Beherrschen Rennfahrer Kurven besser als gewöhnliche Autofahrer? Schließlich kommen sie selbst bei den hohen Geschwindigkeiten meist recht gut herum. Kameraaufnahmen zeigen jedoch, dass die jeweiligen Fahrer ganz unterschiedliche Strategien benutzen, um die Kurvenkrümmung einzuschätzen: Während die Piloten auf der Landstraße sich nach ihren Augen richten, vertrauen ihre professionellen Kollegen auf das verinnerlichte Bild des Streckenverlaufs.
Sanftes, sauberes Kurvenfahren ist gar nicht so einfach. Viele Menschen überschätzen die Krümmung der Straße und müssen ihr Lenkrad ständig nachkorrigieren – kein Vergleich zu den scheinbar exakt abgemessenen Zirkeln eines Rennfahrers, wenn er auf der Strecke seine Runden dreht. Und das bei einer so rasanten Geschwindigkeit.

Aber sind Rennfahrer deshalb wirklich die besseren Autofahrer, weil sie schneller auf veränderte Streckenverhältnisse reagieren können? Michael Land von der University of Sussex wollte das nicht so recht glauben. Er installierte in normalen Personenwagen und in Rennsportwagen Kameras und versah die Fahrer mit einem eigens entwickelten Eye tracker, um die Kopfbewegung, Blickrichtung der Augen und das Verhalten der Hände am Lenkrad aufzuzeichnen.

Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede im Verhalten der privaten und der Profi-"Piloten". Wenn ein normaler Autofahrer um eine Kurve fährt, schaut er auf die innere Kurvenkrümmung, und zwar auf den Punkt, an dem sein Blick den Straßenrand tangential berührt. Danach richtet er unbewusst sein Lenkrad aus und kommt auf einer mehr oder weniger schön gerundeten Bahn durch die Kurve. "Die Winkeldistanz dieses Punktes sagt dem Fahrer innerhalb von etwa einer Sekunde, wie er zu steuern hat", erklärt Land.

Bei Rennfahrern sieht das hingegen ganz anders aus. Tomas Scheckter, ein professioneller Formel-1-Testfahrer, sah zwar auch in Richtung des Tangentialpunktes, aber er schaute nie exakt dorthin. Dafür zeigte sein Kopf ständig genau den Bahnverlauf an, dem sein Wagen dann – mit kurzer Zeitverzögerung – über die Hände am Steuerrad folgte. Mit seiner jeweiligen Blickrichtung hing die Kopfbewegung jedoch nicht im geringsten zusammen.

Der große Unterschied ist nach Lands Ansicht, dass Rennfahrer ihre Strecken so sehr verinnerlicht haben, dass die Kopfbewegung nicht über die Augen, sondern über die im Gedächtnis widergespiegelte Streckenkarte gesteuert wird. Und der sich drehende Kopf gibt dann die Information, wie die Hände das Lenkrad zu führen haben.

Land vermutet, dass Rennfahrer auf einer für sie neuen Strecke zunächst auch wie ein normaler Autofahrer die Blicktangenten benutzen, um sich die Kurvenverhältnisse einzuprägen. Haben sie die Bahn dann einmal gespeichert, verlieren die Augen offenbar ihren lenkenden Einfluss – die Piloten kennen ihre Kurven "blind".

Das sollte normale Autofahrer jedoch nicht dazu verführen, bei ihnen vertrauten Straßen sich ebenfalls allein auf die Erinnerung zu verlassen. Denn im Gegensatz zu Rennpisten herrscht hier nun mal Gegenverkehr.

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  • Quellen
BioMedNet
Current Biology 11(15) (2001)

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