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News: Reparierte RNA

Seit langem ist bekannt, dass Zellen Schäden am Erbinformationsträger DNA sofort reparieren. Gilt dies auch für die RNA?
Zellen sind – zum Glück – richtige Pedanten. Schleichen sich durch chemische oder physikalische Einflüsse Fehler ins Erbgut ein, schickt die Zelle sofort einen Wartungsdienst zum Ort des Geschehens und repariert den Schaden sorgfältigst. Würden nicht permanent am DNA-Strang Wächter Patrouille laufen und jede Abweichung sofort melden, Krebs, neurologische Defekte und Entwicklungsstörungen wären die Folge.

So löst etwa eine fehlerhaft angeheftete Methylgruppe – bestehend aus einem Kohlenstoff- und drei Wasserstoffatomen – in der Zelle sofort einen Großalarm aus. Beim Bakterium Escherichia coli waltet dann das Enzym AlkB seines Amtes und entfernt die unerwünschte Gruppe vom DNA-Strang. Reagiert das neu entdeckte Reparatursystem nicht schnell genug, kann die fehlerhafte Methylierung der DNA den programmierten Zelltod einleiten und die Zelle so in den Selbstmord treiben.

Wenn die Zelle ihre Erbinformation im Zellkern regelmäßig wartet und sie lieber repariert als erneuert, könnte dieses System doch eigentlich ebenso für die ebenfalls informationstragenden Geschwister, die verschiedenen Formen der RNA, gelten. Denn auch bei ihnen haben auftretende Fehler katastrophale Folgen, unterliegen ihnen doch so verantwortungsvolle Aufgaben wie die Anlieferung der passenden Aminosäuren zum Ort der Proteinsynthese und eine tragende Rolle innerhalb der Proteinsynthesemaschine – dem Ribosom. Gerade hier ist es für die energiebewussten Zellen allemal sinnvoller, einen Fehler auszubessern, als den Mammutkomplex abzubauen und neu herzustellen.

Per Arne Aas von der Norwegian University of Science and Technology und sein Team sind nun tatsächlich einem RNA-Reparaturmechanismus auf die Spur gekommen. Zuerst entdeckten sie im menschlichen Erbgut die Gene für zwei Proteine, die dem Enzym AlkB aus E. coli sehr ähnlich sind: hABH2 und hABH3. Doch damit nicht genug. Ähnliche Sequenzen entdeckten die Forscher auch im Genom von Viren, deren Erbgut nicht in Form von DNA, sondern als RNA vorliegt – was aber machten diese mit einem Reparaturwerkzeug für DNA? Die Wissenschaftler wurden stutzig. Sollte AlkB auch vom RNA-Strang unberechtigt sitzende Methylgruppen entfernen können?

Um die Wirkung der menschlichen Genprodukte auf DNA und RNA zu untersuchen, schleusten Aas und seine Kollegen die entsprechenden Gene in E. coli ein und ließen die Bakterien möglichst viel Proteine herstellen. Dann sammelten sie die Ernte ein und fügten die Enzyme jeweils zu einer Probe DNA oder RNA. Und tatsächlich knabberte eins der Enzyme – hABH3 – Methylgruppen vom RNA-Strang.

In der lebenden Zelle fanden die Wissenschaftler hABH3 erwartungsgemäß im Zellkern, jenem Ort, an dem die Boten-RNA (mRNA) abgelesen wird. Doch das Enzym tritt nicht nur dort auf, sondern auch außerhalb des Kerns – obwohl dort doppelsträngige DNA nichts zu suchen hat, RNA aber durchaus in ihren verschiedenen Formen vorkommt: als mRNA, als Transfer-RNA (tRNA), dem Transportmolekül zur Anlieferung von Aminosäuren zur Proteinsynthese, und als ribosomale RNA (rRNA), die Bestandteil der Proteinmaschinerie ist.

Beim zweiten Enzym – hABH2 – handelt es sich hingegen um einen reinen DNA-Spezialisten, das nur von Desoxyribonucleinsäure die fehlplatzierten Methylgruppen abknabbert. Hierbei ist es ihm aber egal, ob der DNA-Strang einzeln oder gepaart auftritt.

Nach der Entdeckung der einzigartigen RNA-Reparatur stellen sich für Thomas Begley und Leona Samson vom Massachusetts Institute of Technology noch einige Fragen. So tragen manche der RNA-Varianten bereits im "Normalzustand" schon einige Methylgruppen. Können das bakterielle AlkB-Enzym und das humane hABH3 zwischen den biologisch notwendigen Methylgruppen und den durch chemischen Einfluss zuviel angehefteten unterscheiden? Und wenn beide Enzyme das können, wie machen sie es?

Und es geht noch weiter: Spielen die Enzyme womöglich beim natürlichen Vorgang der RNA-Modifikation eine Rolle? Und wenn sie schon dieselben Reparaturenzyme verwenden, überlappen sich dann auch die Aufgaben von DNA und RNA womöglich weitaus mehr als bisher gedacht? So kann beschädigte DNA beispielsweise das Signal zum Zellselbstmord auslösen – wer weiß, vielleicht gelingt das auch der RNA? Spannende Fragen, die auf eine Antwort warten.

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