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News: Resistente Bakterien: Gefährlich, aber nicht zum Gruseln

Zum Gruseln könnten manche Zeitgenossen die regelmäßigen Meldungen über die zunehmende Verbreitung von antibiotika-resistenten Keimen finden. Manche Mediziner sprechen gar schon von einer "postantibiotischen Ära". Die Wahrheit liegt zwischen Verharmlosung und "Horrorstory".
Das ist das Fazit eines Bayer -Presseseminars zum Thema "Antibakterielle Resistenzen – Mythen, Fakten, Lösungsansätze", das vergangene Woche in Mayschoß im Ahrtal stattfand.

Dr. Stefan Wohlfeil, Leiter der weltweiten Antiinfektiva-Forschung des Konzerns, wies zunächst auf die wieder steigende Bedeutung ansteckender Erkrankungen in der Welt hin: "Von 1980 bis 1992 stieg die Todesfallrate durch Infektionen in den USA um 50 Prozent. 47 Prozent dieser Todesfälle waren durch Atemwegserkrankungen bedingt."

Freilich, Resistenzprobleme hat es schon seit Beginn der Entwicklung von medikamentösen Therapien gegen bakterielle Infektionen gegeben. Dr. Georg Peters vom Institut für Mikrobiologie der Universität Münster: "Praktisch seit Beginn der Einführung von Antibiotika in die antibakterielle Chemotherapie ist auch das Problem von Resistenzen entstanden." Die Unempfindlichkeit von Keimen gegen solche Medikamente sei ein biologisches Phänomen. Der durch die hervorragenden Arzneimittel ausgeübte Selektionsdruck bedinge solche Resistenzen.

Am häufigsten entwickeln sich resistente Keime in Spitälern – im Umfeld von Schwerkranken, Patienten mit geschädigtem Immunsystem und der ständigen Anwendung der Antibiotika. Hinzu kommt die Möglichkeit, daß solche Bakterien Menschen "kolonisieren", ohne sie selbst krank zu machen. – Der gesunde Arzt, der in seiner Nasenschleimhaut antibiotika-resistente Bakterien trägt, wird so leicht zur gefährlichen Bazillenschleuder.

Zum größten Teil läßt sich dieses Problem durch eine penible Hygiene und die richtige Anwendung von Antibiotika in ausreichender Dosierung im Griff behalten. Doch Ethan Rubinstein von der Sackler School of Medicine in Tel Aviv warnte trotzdem: "Das Rennen zwischen Antibiotika und Keimen unter diesen Umständen (Intensivstationen, Spitalsumwelt, Anm.) wurde von den Arzneimitteln nicht gewonnen. Die Ausbreitung resistenter Keime verläuft viel schneller als die Entdeckung neuer Medikamente." Möglichst zielgenaue Verschreibung von Antibiotika, Hygiene, Zurückdrängung der Mittel als Wachstumsförderer in der Landwirtschaft und strenge Rezeptpflicht seien angebracht.

Auf der anderen Seite gibt es noch eine ganze Reihe von möglichen Zielen für neue Antibiotika, die von den bisher verwendeten Mitteln noch nicht angegriffen werden: so zum Beispiel der Zellteilungs-Apparat der Bakterien, die Vermehrung der Erbsubstanz und verschiedene Enzyme. Auch mehrere bereits bekannte Klassen solcher Substanzen (Kirromycine, Niccomycine, Sideromycine, Lankacidine, Lantibiotika etc.) wurden noch nicht wirklich "ausgebeutet".

Der Bayer-Konzern wird übrigens im kommenden Jahr mit der Substanz Moxifloxacin ein neues Antibiotikum aus der Klasse der Chinolone auf den Markt bringen. Es muß nur noch einmal pro Tag verabreicht werden und "killt" auch sogenannte Gram-positive Bakterien, die von solchen Mitteln bisher nur schwach angegriffen wurden.

Parallel dazu sollten – so Univ.-Prof. Dr. Reinhard Marre vom Institut für Mikrobiologie und Immunologie der Universität Ulm – alle nur erdenklichen Maßnahmen zur Vermeidung der Resistenzbildung angewendet werden. Die Medizin soll weiterhin die Nase vor den Bakterien haben.

Weitere Informationen zum Thema:
Antoine Adremont, Denis Corpet und Patrice Courvalin: Antibiotikaresistenz in Spektrum der Wissenschaft 7/1997, Seite 50

Antibiotikaresistente Bakterien verlassen die Krankenhäuser im Spektrum Ticker, 26. Februar 1998

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