Direkt zum Inhalt

Wald und Klima: Der Sommer 2018 hat dem Wald zugesetzt: Was jetzt?

Wie groß sind die Waldschäden nach einem Sommer mit Hitze, Dürre und Borkenkäfer wie im Jahr 2018? Forscher fragen sich, was dem Wald hilft und wie ein langfristig robustes Ökosystem aussehen kann.
Sonnenstrahlen durch Bäume

Der Wald steht still und leidet. Wenn er denn noch steht. Denn die heftigen Herbst- und Winterstürme 2017/18 haben mancherorts hektarweise Bäume wie Streichhölzer umknicken lassen oder entwurzelt. Und seit April 2018 verwandelte die warme und trockene Witterung die deutschen Wälder in ein Schlaraffenland für Borkenkäfer. Dass der Klimawandel kein fernes Zukunftsszenario ist, sondern sich längst auf die Wälder auswirkt, ist den meisten Forstleuten klar. Andreas Bolte leitet das Thünen-Institut für Waldökosysteme im brandenburgischen Eberswalde und lehrt Waldökologie an der Universität Göttingen. Er beschäftigt sich schon seit 20 Jahren mit den Auswirkungen der Klimaveränderungen auf den Wald. »Das Thema ist seit dem Jahrhundertsommer 2003 richtig präsent, und 2018 hat sich das jetzt noch mal extrem verstärkt«, sagt er.

Der »verheerende Cocktail aus Sturm- und Trockenschäden« betreffe vor allem die Fichte, den mit Abstand wirtschaftlich wichtigsten Baum in deutschen Wäldern. Im Harz beispielsweise drohen ganze Fichtenbestände flächendeckend abzusterben. Als Art des borealen Nadelwalds ist die Fichte an strenge Winter und ganzjährig verfügbare Feuchtigkeit angepasst. Lange trockene Sommer und milde, nasse Winter – wie wir sie laut Prognosen in Zukunft immer häufiger erleben werden – stellen sie vor große Probleme.

Als Flachwurzler sind Fichten zudem besonders anfällig bei Sturm. »Die meisten Fichten vertrocknen zwar nicht direkt, aber ohne ausreichend Wasser verlieren sie ihre Fähigkeit, Harz zu bilden, und sind dann Schädlingen wie dem Borkenkäfer ausgeliefert«, erläutert Bolte (siehe auch Infokasten »Borkenkäfer«). In Deutschland wäre die Fichte natürlicherweise nur mit wenigen Prozentanteilen an der Waldvegetation beteiligt, etwa in den höheren Lagen der Mittelgebirge, in den Alpen und an Sonderstandorten, wie am Rand von Hochmooren.

Aus historischen und wirtschaftlichen Gründen hat man Fichten ab dem 19. Jahrhundert großflächig auch außerhalb ihres eigentlichen Areals angebaut. Heute wächst sie in Deutschland noch auf einem Viertel der Waldfläche. Was die Fichte im Westen und Süden ist, das ist die Kiefer im Norden und Osten. Die Kiefer käme von Natur aus ebenfalls nur auf weniger als fünf Prozent der Waldfläche vor, liegt aber momentan bei 23 Prozent. Buchen und Eichen, die von Natur aus einen Großteil des Waldes ausmachen würden, kommen lediglich auf 16 beziehungsweise 10 Prozent Waldanteil.

Zwei Baumarten dominieren den deutschen Wald

Die Hälfte des Waldes in Deutschland wird also von zwei Baumarten dominiert, die größtenteils außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets wachsen. Das macht den Wald anfällig, und das wissen auch die Forstleute, die seit einiger Zeit versuchen gegenzusteuern. Zwischen den beiden letzten Bundeswaldinventuren 2002 und 2012 ist der Anteil der Laubbäume um sieben Prozent gestiegen und der Anteil der Nadelbäume um vier Prozent gefallen (die Fichte verringerte sich um acht Prozent). Der Waldumbau läuft also, braucht aber naturgemäß viel Zeit. Der Klimawandel könnte den Umbau weiter beschleunigen, indem er die Waldbauern immer öfter zu »Noternten« bei Fichten zwingt.

»Die Schäden im Wald betreffen aber nicht nur die Fichte«, betont Wolf Ebeling, Geschäftsführer des Deutschen Forstwirtschaftsrats (DFWR). Viele Bäume seien geschwächt, und bei allen Baumarten gebe es starke Einbußen beim Holzzuwachs. Das ganze Ausmaß der Schäden werde sich erst in den nächsten ein bis zwei Jahren zeigen. Ebeling schätzt zudem, dass etwa ein Drittel aller in den letzten drei Jahren gepflanzten Setzlinge vertrocknet sind; das seien Hunderte Millionen Pflanzen, die nun nachgesetzt werden müssten. Viele Waldbesitzer seien in einer Notlage.

Buche | Die Buche bleibt für viele der Hoffnungsträger im Wald, denn sie ist sehr anpassungsfähig.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner verständigte sich bei der Agrarministerkonferenz Ende September 2018 mit den Ländern auf finanzielle Hilfen für Waldeigentümer. Durch die aktuellen Waldschäden sei viel zu viel Holz auf dem Markt, sagte Klöckner. So gibt es in vielen Regionen schon Einschlagstopps für Fichten, um die Marktpreise nicht weiter zu belasten. Genutzt wird nur noch das so genannte Käferholz, also vom Borkenkäfer befallene Bäume – auch um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Der Wald müsse verstärkt an den Klimawandel angepasst werden, so Klöckner. Aber was heißt das?

Buchen sollst du suchen

»Ich würde beim Waldumbau immer mit auf die Buche setzen«, sagt Bolte. Die Buche bleibt für viele der Hoffnungsträger im Wald, denn sie ist nicht nur in weiten Teilen Deutschlands die natürliche Baumart, sie ist auch sehr anpassungsfähig. Buchen aus südlichen oder kontinentalen Gefilden sind evolutionär an trockenere Sommer und feuchtere Winter angepasst, und die Art hat dazu eine große individuelle Bandbreite. Die Buche sei unempfindlicher gegen Schädlinge als die Fichte und ein Meister der Naturverjüngung, also der natürlichen Vermehrung durch Samen, so Forstwissenschaftler Bolte.

Die Buche vereint demnach viele Vorzüge in sich; leider gibt es auch einen gravierenden Haken: Sie ist wirtschaftlich vergleichsweise uninteressant. Denn Holz- und Bauwirtschaft sind voll auf Nadelholz ausgerichtet, unter anderem, weil Nadelbäume gerade und im unteren Stammbereich mit wenig Ästen wachsen und durch ihren Harzanteil witterungsbeständiger sind. Hinzu kommt, dass die jährliche Holzzuwachsrate einer Fichte höher ist als die einer Buche oder anderer Laubbäume. Im Ergebnis landen rund 80 Prozent des in Deutschland geernteten Buchenholzes direkt als Brennholz im Ofen. Gelänge es, mehr Buchenholz in langlebigen Holzprodukten zu verwenden, würde das nicht nur Kohlenstoff in den Produkten fixieren, sondern auch dazu führen, dass der Anbau der widerstandsfähigen Buchen für deutsche Waldbauern attraktiver würde.

Viel versprechende Ansätze dazu gibt es bereits, wie etwa das aus heimischer Buche gefertigte Furnierschichtholz »BauBuche« der Firma Pollmeier aus dem thüringischen Creuzburg. Träger und Platten aus BauBuche bestehen aus schichtweise verleimten Buchenfurnieren und können laut Hersteller bei Festigkeit und Preis mit Nadelholz konkurrieren. Mit den BauBuche-Trägern lassen sich zudem große Bauwerke wie Hochhäuser, Hallen und Schulen bauen. Laut Jan Hassan, Pressesprecher bei Pollmeier, könnte man in Creuzburg die vierfache Menge an BauBuche produzieren, wenn der Markt das wolle.

Noch sind Nadelbäume die besseren Klimaschützer

BauBuche ist seit 2014 auf dem Markt, aber Bauprojekte haben lange Vorlaufzeiten, und Planungsbüros sind erst einmal zurückhaltend bei der Verwendung neuer Materialien. Eine verstärkte generelle Förderung von Holz in der Baubranche und technische Neuerungen wie die BauBuche könnten das »Buchendilemma« der deutschen Forstwirtschaft in Zukunft zumindest abmildern. Momentan sind Nadelbäume allerdings noch die besseren Klimaschützer. Denn sie wachsen nicht nur schneller (und binden so mehr CO2), ihr Holz wird meist auch noch anderweitig verwendet, bevor es verbrannt wird (»Kaskadennutzung«), und verbessert so die Klimabilanz. Deshalb empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft den Erhalt eines substanziellen Anteils von Nadelhölzern an der Waldfläche als besonders wirksame forstliche Klimaschutzmaßnahme.

Jetzt also doch wieder Nadelbäume, nachdem man in den letzten Jahrzehnten versucht hat, die Wälder naturnäher zu gestalten und den Laubwaldanteil zu erhöhen? Es kommt wohl eher auf eine gesunde Mischung an. Etwa ein Mix aus Buche und Tanne. Inwieweit die heimische Weißtanne in bestimmten Regionen Deutschlands vom Verbund mit der Buche profitieren könnte, haben Jürgen Bauhus und sein Team an der Professur für Waldbau der Universität Freiburg mit mehreren Partnerinstitutionen im Buche-Tanne-Klima-Projekt (BuTaKli) untersucht.

»Die Tanne reagiert besonders empfindlich auf Luftverschmutzung und war innerhalb der Forstwirtschaft praktisch schon abgeschrieben«Jürgen Bauhus

Die Tanne war wohl die Baumart, die am stärksten unter dem sauren Regen der 1970er und 1980er Jahren gelitten hat. »Sie reagiert besonders empfindlich auf Luftverschmutzung und war innerhalb der Forstwirtschaft praktisch schon abgeschrieben«, erinnert sich Bauhus. Nach den Erfolgen bei der Luftreinhaltung erlebt die Weißtanne nun seit einiger Zeit ein Comeback und gilt gerade in mittleren und höheren Lagen der Mittelgebirge als interessante Partnerin der Buche. Im Projekt zeigte sich, dass die Tanne auch bei heißtrockenem Wetter tatsächlich von der Nachbarschaft der Buche profitieren konnte, während es der Buche relativ »egal« war, ob da noch Tannen um sie waren oder nicht. Die Tanne ist wärmeliebender und trockenresistenter als die Fichte, wurzelt tiefer und profitiert im Schnitt eher von milderen Wintern und Frühjahren. In tieferen Lagen könne es allerdings schnell Probleme mit dem Tannenborkenkäfer geben, dämpft Bauhus die Erwartungen; die Tanne sei also auch kein Allheilmittel.

Überhaupt scheint der beste Schutz gegen Schädlinge, Stürme und Klimawandel ein vielfältiger Wald zu sein. Doch wie genau soll der aussehen? Welche Baumarten müssen wir jetzt pflanzen und fördern, damit der Wald auch noch in 100 Jahren all seine wichtigen Funktionen erfüllen kann? Nehmen wir heimische Rotbuchen, Stieleichen, Weißtannen und Fichten oder doch lieber nichtheimische Roteichen, Küstentannen und Douglasien? Andreas Bolte plädiert für Pragmatismus und meint: »Je nach Standort und Rahmenbedingungen wird die Antwort unterschiedlich ausfallen, aber wir sollten nichtheimische Baumarten nicht grundsätzlich ausschließen.« Vielfältige, strukturreiche und vor allem gut vernetzte Wälder sind für die Erhaltung der heimischen Artenvielfalt wohl wichtiger als die Ächtung nichtheimischer Baumarten.

Waldumbau 2.0

Die Unterscheidung von nützlichen und invasiven, also sich aggressiv ausbreitenden Fremdarten ist allerdings umstritten. Je nach Kriterienkatalog komme man da zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen, sagt Bauhus. Er mache sich jedoch etwa bei der Douglasie keine Sorgen, dass sie sich unkontrolliert in deutschen Wäldern verbreiten könnte. Im Gegenteil, die meisten Förster hätten gern deutlich mehr Naturverjüngung bei der Douglasie, sie setze sich aber ohne forstliche Hilfe nur schlecht gegen die heimische Buche durch. Bislang wächst sie auf etwa zwei Prozent der Waldfläche.

Im Übrigen ist die Douglasie der Musterschüler in der forstlichen Baumschule: Sie erzielt noch höhere Zuwachsraten als die Fichte und hat in ihrer Heimat an der Westküste der USA gelernt, mit langen, trockenen Sommern und feuchten Wintern klarzukommen. Gegen sie spricht, dass heimische Tiere und Pflanzen sich schwertun könnten, in einem von Douglasien dominierten Wald zu überleben. Zudem sind Douglasien zwar unempfindlich, aber nicht unverwundbar. In ihrer Heimat kennt man über 140 Douglasienschädlinge, von Schmetterlingsraupen über Borkenkäfer bis hin zu Pilzen. Würde man Fichtenmonokulturen durch reine Douglasienbestände ersetzen, könnten hier ebenfalls bald Schädlingsprobleme auftreten. Besser wäre aus Sicht vieler Experten der Anbau zusammen mit der Buche.

»Die Klimaanpassung der Wälder muss nicht unbedingt über neue Baumarten bewerkstelligt werden, denn auch innerhalb einer Baumart gibt es große genetische Unterschiede zwischen lokalen Varietäten und sogar zwischen Individuen«, sagt Bruno Fady, Direktor am französischen Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten INRA. Bäume, die mit veränderten Umweltbedingungen besser zurechtkommen, werden sich eher durchsetzen. Forstgenetiker erforschen diese intraspezifische Bandbreite und versuchen sie forstwirtschaftlich nutzbar zu machen. Im von INRA koordinierten GenTree-Projekt sammeln sie genetische Proben, also Samen, Blätter beziehungsweise Zapfen und Nadeln von Bäumen zwölf wichtiger Baumarten in ganz Europa. Um an das Pflanzenmaterial zu gelangen, unternehmen sie teils waghalsige Klettertouren in die Baumwipfel. Das Projekt, das in Deutschland je nach Baumart von verschiedenen Institutionen betreut wird, hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 das Management und die nachhaltige Nutzung der forstgenetischen Vielfalt in Europa zu optimieren. Beteiligt sind 22 Organisationen und Institutionen aus 14 Ländern.

Verbindung zwischen Klimamodellierung und waldbaulichem Knowhow

Was also soll ein Waldbesitzer mit einem Wirtschaftswald aus Fichten tun, um ihn fit für die Zukunft zu machen? »Zunächst muss er wissen, welche Baumarten und welches genetische Material für seinen Standort überhaupt in Frage kommen, welche klimatischen Verhältnisse in den nächsten 100 Jahren zu erwarten sind und schließlich, wie er an geeignetes Pflanzmaterial herankommt«, erläutert Andreas Bolte.

Diese Verbindung zwischen Klimamodellierung und waldbaulichem Knowhow will das EU-Projekt SusTree herstellen. Das Projekt, an dem acht forstliche Institutionen in sechs zentraleuropäischen Ländern beteiligt sind, wird am österreichischen Bundesforschungszentrum für Wald in Wien koordiniert. Das Wissen um die Herkunft und die Qualität von Pflanzenmaterial soll in der Praxis zu einem grenzüberschreitenden Austausch von Saat- und Pflanzgut führen. Eine international vereinheitlichte Saatgutdatenbank ist geplant, und eine App soll Waldmanagern nicht nur Vorschläge für die optimale Baumartenzusammensetzung machen, sondern gleich auch Quellen mitliefern, wo Baumschulen und Forstgärten mit geeigneten Varietäten zu finden sind.

GenTree und SusTree sind europaweite Projekte, die zeigen, wie öffentliche Mittel die Verbindung von Forschungsergebnissen und Forstpraxis fördern können. Seit 2013 gibt es in Deutschland den von der Bundesregierung aufgelegten Waldklimafonds, der ebenfalls Forschungsprojekte zur Klimaanpassung der Wälder fördert, etwa das erwähnte Buche-Tanne-Klima-Projekt. Und Ende September 2018 ging das Deutsche Klimavorsorgeportal (KliVO) an den Start, das auch Hilfestellungen für Waldbesitzer bietet. Es passiert also durchaus schon einiges zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel. Weitere Unterstützung aus Politik und Verwaltung ist aber nötig. Etwa durch die Förderung der Pflanzung »neuer« Baumarten, die In-Wert-Setzung heimischen Buchenholzes, eine fundierte Beratung der Waldbesitzer, die Forschungsförderung oder den Schutz und die Renaturierung von Wäldern.

Große Angst vor kleinen Käfern: Borkenkäfer profitieren vom Klimawandel

Borkenkäfer sind wenige Millimeter große Käfer aus der Familie der Rüsselkäfer und kommen in mehr als 120 Arten in Mitteleuropa vor. Sie befallen bevorzugt geschwächte Nadelbäume, bohren sich durch die Borke in die saftige Rindenschicht und legen dort ihre Brutgänge mit artspezifischem Muster an. Die bekanntesten Arten in Deutschland sind Buchdrucker und Kupferstecher, die an Fichten nagen. Aber auch Lärchen- oder Tannenborkenkäfer können für beträchtliche Schäden im Forst sorgen.

Wenn die Sonne im zeitigen Frühjahr den Waldboden wärmt, krabbeln die Männchen von Buchdrucker, Kupferstecher und Co. aus ihrem Winterlager in der Laub- und Nadelstreu und machen sich auf die Suche nach geeigneten Opfern. Die Borkenkäfer suchen im Umkreis von ein paar hundert Metern kranke, geschwächte Bäume oder auch herumliegende, frisch gefallene Stämme und bohren sich durch die Borke bis in die weiche Bastschicht. Dort nagen sie eine kleine Höhlung ins Gewebe – von Förstern auch Rammelkammer genannt.

Mit dem Duft ihrer Pheromone locken sie die Käferweibchen in die Kammer. Und diese knabbern nach der Paarung zwei bis drei so genannte Muttergänge, um darin ihre Eier abzulegen. Die Käferlarven fressen sich später von dort aus weiter durch den weichen Bast und führen zu dem typischen Schadbild unter der Borke, das dem Buchdrucker seinen Namen eingebracht hat. Die Fraßschäden in der Rinde und im Kambium, der Wachstumsschicht des Baums, unterbrechen den Transport von Zuckerverbindungen von der Krone in die Wurzeln und lassen den Baum bei starkem Befall schließlich absterben.

Je nach Wetter dauert die Entwicklung vom Ei zum fertigen Käfer sechs bis zehn Wochen. In warmen, trockenen Jahren schaffen die Borkenkäfer bis zu drei Generationen. Hinzu kommen Geschwisterbruten, die die Käfereltern an anderer Stelle begründen, während sich die Eier und Larven voriger Generationen entwickeln. Theoretisch kann ein einziger der nur wenige Millimeter großen Borkenkäfer innerhalb eines Jahres über 100 000 Nachkommen erzeugen. Ist ein Baum befallen, werden durch die Duftstoffe immer mehr Käfer angelockt, bis er abstirbt. Auch wenn ein einzelnes Weibchen meist nur 50 bis 100 Eier legt, kann ein stark befallener Baum tausenden Borkenkäfern eine Kinderstube bieten.

Um dem Käferbefall vorzubeugen, wird von den Forstleuten im Frühjahr akribische Detektivarbeit verlangt. Beim Buchdrucker finden sich dann am Fuß heimgesuchter Bäume verräterische kleine Häufchen aus Holzmehl: Spuren der bohrenden Käfermännchen. Ziel ist es, befallene Bäume zu finden, zu fällen und aus dem Wald zu schaffen, bevor die erste Käfergeneration ausgeflogen ist. Die Förster nennen das »saubere Waldwirtschaft«; sie ist die wirksamste Waffe gegen den Schädling. Unterstützend kommen auch Pheromonfallen zum Einsatz.

Die Situation wird zurzeit dadurch verschärft, dass der Holzmarkt nach dem Ausforsten der Sturmschäden gesättigt ist und Waldbesitzer Probleme haben, ihr Holz zu annehmbaren Preisen zu verkaufen. Wenn das Holz in Poltern, also gestapelten Stämmen, am Wegrand ungeschützt im Wald bleibt, kann es den Käfern als Brutstätte dienen. Das kann durch das rechtzeitige Entrinden der Fichtenstämme verhindert werden, weil so dem Käfer der Brutraum genommen wird. Vorübergehende Lösungen sind Nass- oder Folienlager, die einen Borkenkäferbefall durch Berieselung beziehungsweise Abdeckung verhindern, oder als letzte Möglichkeit auch die so genannte »Polterspritzung«, also der Einsatz von Insektiziden.

Zunehmende Wärme und Trockenheit schaffen gute Lebensbedingungen für etliche Holzschädlinge, die durch natürliche Ausbreitung oder durch den Menschen aus anderen Regionen zu uns kommen. Beispiele sind das Eschentriebsterben, eine aus Ostasien eingeschleppte Pilzerkrankung, die Ulmenwelke, verursacht ebenfalls durch einen Pilz, der seit den 1970er Jahren in Europa auftritt und durch Ulmenborkenkäfer verbreitet wird, oder die Erlen-Wurzelfäule, die durch den pilzähnlichen Schaderreger Phytophtora verursacht wird und vermutlich über Fischimporte aus Nordamerika zu uns kam. Weitere unerwünschte Neubürger sind der Asiatische Laubholzbockkäfer oder der Nordische Fichtenborkenkäfer, der sich seit einiger Zeit in Osteuropa verbreitet und durch Holzimporte eingeschleppt werden könnte.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.