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Rheologie: Mit Wissenschaft zum idealen Käsefondue

Schweizer Wissenschaftler wollen die kulinarischen Halbwahrheiten aus der Fonduezubereitung verbannen. Denn die ideale Käsekonsistenz ist vor allem eine Frage der Chemie.
Käsefondue in der Nähe des Gelpunkts

Käse, Kartoffelstärke, Wein und Gewürze – auf den ersten Blick wirkt es nicht sonderlich kompliziert, aus diesen vier Zutaten ein klassisches Schweizer Käsefondue zuzubereiten. Doch der Teufel steckt im Detail und trägt in diesem Fall den Namen Phasenseparation. Zu viel Wein oder zu wenig Stärke, und die Käsemasse wandelt sich in einen unappetitlichen Brei, in dem sich der Anteil des festen Käseproteins sowie der Wasser- und der Fettanteil trennen.

»Es gibt keine größere Schande in der Schweiz«, als ein solches geronnenes Fondue zu servieren, bekennen drei Forscher der ETH Zürich in einem Beitrag für das Chemiefachmagazin »ACS Omega«. Damit allen künftig diese Schmach erspart bleibt, haben sich Pascal Bertsch, Laura Savorani und Peter Fischer auf die Suche nach der perfekten Balance der vier Zutaten gemacht.

Denn auch diesseits der Katastrophe einer irreversiblen Phasenseparation gibt es viele Möglichkeiten, etwas falsch zu machen. Das Fondue etwa kann zu gummiartig oder zu flüssig geraten, die Folge ist dann beispielsweise, dass der Käsebrei das eingetauchte Brotstückchen nur unzureichend ummantelt oder, was noch schlimmer ist, das Stückchen Brot verschluckt.

Wie die Wissenschaftler herausfanden, steigt der Gummicharakter mit der Menge an zugesetzter Kartoffelstärke. Gleichzeitig ist diese Stärke, die durch Quellen der Stärkekörner freies Wasser aufnimmt und das Fondue dadurch andickt, unabdingbar, will man ein Gerinnen verhindern. Mindestens drei Gewichtsprozent Stärke bezogen auf den Gesamtwasseranteil sollten es schon sein, ergaben die Tests. Wer auf Traditionen pfeift, kann stattdessen auch die Verdickungsmittel Xanthan oder Carragen verwenden, die laut den Ergebnissen der Forscher sogar noch effektiver sind. Es genügen dann bereits 0,25 Gewichtsprozent.

Gleich doppelten Einfluss entfaltet der zugesetzte Weißwein über seinen Alkoholgehalt und die enthaltene Säure. Das Ethanol hat zur Folge, dass die Kügelchen aus Käseprotein, die Kaseinmizellen, kleiner werden, die Säure hingegen verringert ihre elektrische Ladung. Beides führt dazu, dass die geschmolzene Käsemasse an Viskosität verliert – und irgendwann vom Genießer als zu flüssig empfunden wird. Ideal ist es, wenn sich die elastische und die viskose Komponente genau die Waage halten. Das Fondue befindet sich dann am Gelpunkt, der am heimischen Herd allerdings nicht ohne Weiteres zu ermitteln ist.

Auch versuchten die Forscher in ihrer Studie nicht, ein optimales Wein-Wasser-Mischungsverhältnis zu identifizieren. Für ihr Modellfondue aus jeweils gleichen Anteilen Gruyère und Vacherin simulierten sie die Zugabe von Weißwein, indem sie einen Ethanolgehalt bei 11,2 Volumenprozent einstellten und den pH-Wert der Ausgangsmasse von 5,5 auf 4,7 senkten.

Treibt man die Säuerung ins Extrem, kommt es trotz Kartoffelstärke zur unerwünschten Phasenseparation. Dass viele Fondueköche dem Käseschmelz noch ein wenig Natron beimengen, könnte dem entgegenwirken, auch wenn der beabsichtigte Effekt dieser Zutat eigentlich ein anderer ist. Das Natron soll die Masse durch Kohlendioxidfreisetzung lockern; weil es jedoch auch als Base wirkt, könnte es ein Stück weit die Säure des Weins abmildern und so die Viskosität wieder erhöhen.

Am Ende hilft aber auch das Natron nicht mehr weiter: dann nämlich, wenn das Fondue im Magen landet. Die starke Magensäure führt unweigerlich zum Gerinnen der Masse, wobei sich der frei gewordene Fettanteil auf dem Rest des Speisebreis auflagert und dadurch als Letztes in den Darm gelangt. Erst dort registriert der Körper, dass er eine große Menge Fett aufgenommen hat, und sendet Sattheitssignale an das Gehirn. Die Folge: Erst nach dem Essen stellt sich mit einem Mal ein überwältigendes Sättigungsgefühl ein. Und wie »jeder bezeugen kann, der schon einmal Fondue gegessen hat«, so die Forscher, sei ein Fondue zu verdauen ein langwieriger Prozess. Mit einem Verdauungsschnaps erreiche man dabei übrigens das Gegenteil dessen, was man sich erhofft, weil der Übergang des Fetts in den Darm noch weiter verzögert und die Verdauung erschwert werde.

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