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Riesenfische: Die letzten Giganten der Flüsse

Dürre, Schmutz und begradigte Flüsse belasten besonders die großen Süßwasserbewohner. Dabei ist nur wenig über Riesenfische bekannt – zu wenig, um sie zu schützen. Ein Biologe ändert das.
Im Juni 2022 stießen Fischer auf einen Riesensüßwasserstechrochen im Mekong in Kambodscha.
Im Juni 2022 stießen Fischer auf einen Riesensüßwasserstechrochen (Urogymnus polylepis) im Mekong in Kambodscha. Das Tier wog rund 300 Kilogramm.

Im Jahr 2005 fing ein thailändischer Fischer im Mekong einen wahrhaft monströsen Riesenwels. Mit 293 Kilogramm war er der größte Süßwasserfisch aller Zeiten. Als der US-amerikanische Biologe Zeb Hogan ein Foto des Tiers sah, fragte er sich, ob es sich tatsächlich um den größten Fisch der Welt handelte. Hogan ist auf Fische spezialisiert und hatte selbst mehrere Jahre in der südostasiatischen Mekong-Region geforscht. Zu seiner Überraschung fand er auf die Frage, welche Süßwasserfischart wirklich die größte ist, keine wissenschaftlich fundierte Antwort.

Also machte er sich selbst auf die Suche. Dabei ging es Hogan allerdings um mehr als nur um die Entdeckung von weiteren rekordverdächtigen Exemplaren. Um viele der riesigen Süßwasserfischarten ist es nämlich nicht gut bestellt. Mit Unterstützung des World Wildlife Fund (WWF) und der National Geographic Society rief Hogan das »Megafish Project« ins Leben. Es wurde zu einem Versuch, die größten Süßwasserfische der Welt – also Arten, die mindestens 1,80 Meter lang oder 90 Kilogramm schwer werden – nicht nur aufzuspüren, sondern zu erforschen und zu schützen.

Bei den 30 Arten, die diese Kriterien erfüllen, handelt es sich um eine bunte Mischung aus Fischen, die unterschiedlich aussehen und sich verschieden entwickeln: von Welsen über Karpfen bis hin zu Knochenhechten und Stechrochen. Obwohl die Arten in Flüssen und Seen auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis verbreitet sind, waren sie bisher nur wenig erforscht. Der Riesen-Süßwasserstechrochen (Urogymnus polylepis) aus Südostasien wurde beispielsweise erst 2016 wissenschaftlich genau beschrieben. »Bei diesen Arten handelte es sich um eine einzigartige Megafauna, die noch nicht auf globaler Ebene untersucht worden war«, sagt Hogan, der als Assistenzprofessor an der University of Nevada, Reno, in den USA arbeitet.

Megafische sind weltweit bedroht

Dass der Artenschutz der Riesenfischpopulationen in der Mekong-Region in einem geradezu aussichtslosen Zustand war, wusste Hogan. Rasch stellte sich aber auch heraus, dass die Situation anderswo nicht viel besser aussah: Die Zahl der meisten großen Süßwasserfische war auf Grund von Überfischung, Staudämmen oder Verschmutzung stark zurückgegangen. Einige Arten standen am Rand des Aussterbens. »Diese Tiere leben zum Teil seit Hunderten von Millionen Jahren auf der Erde, und nun drohten sie zu unseren Lebzeiten zu verschwinden«, sagt Hogan. »Das ging mir nur schwer in den Kopf.«

Zu Beginn seines Projekts übernahm Hogan auch einen Job als Moderator einer TV-Show, »Monster Fish« des »National Geographic«. In der Annahme, dass in den größten Flüssen der Erde auch die größten Fische leben, reiste er mit seinem Filmteam zum Amazonas, dem seinem Volumen nach größten Fließgewässer der Welt. Er bietet Lebensraum für mehr als 3000 Fischarten, darunter der torpedoförmige Arapaima (Arapaima gigas), ein luftatmender Fisch, der eine Länge von mehr als vier Metern erreichen kann. Diejenigen Exemplare, die Hogan in Brasilien aufspürte, waren jedoch kleiner. »Zunächst schien die Suche mehr Fragen aufzuwerfen, als Antworten zu liefern«, erinnert sich Hogan. Eine Vermutung des Biologen: Da der Arapaima auch auf Grund seiner Größe ein begehrter Speisefisch ist, sind nicht nur die Bestände kleiner geworden, sondern auch die Fische selbst, weil man gezielt größere Exemplare fing und sich daraufhin mehr der kleineren fortpflanzten.

Wie der Arapaima sind auch viele der anderen riesigen Süßwasserfische ein attraktives Ziel für Fischer. Da es in der Regel Jahre dauert, bis die Tiere geschlechtsreif sind, werden sie häufig getötet, bevor sie sich fortpflanzen konnten. Hinzu kommt, dass die Arten im Lauf ihres Lebens oft lange Wanderungen unternehmen. Ein neuer Staudamm kann daher nicht nur die Routen der Fische blockieren, sondern auch das Strömungsverhalten des Flusses verändern und so die feinen Signale stören, an denen sich die Tiere bei ihrer Reise orientieren. Das Mekong-System wird beispielsweise jährlich von einem starken Hochwasserereignis bestimmt, das den Fluss in der Regenzeit um bis zu zwölf Meter anschwellen lässt. Durch chinesische Dämme im Oberlauf und Dürreereignisse blieb das Hochwasser in den letzten Jahren jedoch aus. Allerdings signalisiert der steigende Pegel einigen Fischen, wann sie abwandern und Nachwuchs zeugen sollen. Geschieht nichts, kann das die Tiere verwirren. Und möglicherweise verpassen sie die idealen Umweltbedingungen für die Fortpflanzung.

Ausgestorben wegen eines Staudamms

Welche katastrophalen Auswirkungen Staudämme auf große Wanderfische haben können, wurde Hogan während einer Expedition in China bewusst. Er suchte im Jangtse nach dem Chinesischen Löffelstör (Psephurus gladius), der mit einem dokumentierten Maximalgewicht von 300 Kilogramm zu den Hauptkandidaten der weltweit größten Süßwasserfische gehört. Die Ursprünge des Chinesischen Löffelstörs – wie auch die seines amerikanischen Gegenstücks, des Mississippi-Löffelstörs – lassen sich mehr als 150 Millionen Jahre zurückverfolgen. Seit Jahrtausenden spielt der Fisch in China eine wichtige wirtschaftliche und kulturelle Rolle.

Silurus glanis | Fischbiologe Zeb Hogan hievt einen Europäischen Wels im spanischen Fluss Ebro an die Oberfläche. Ein deutscher Angler hatte die Art eingeschleppt.

Bereits vor einigen Jahrzehnten zeigte sich, dass die Bestände des Löffelstörs durch Überfischung belastet wurden. Doch der Bau des Gezhouba-Staudamms am Jangtse in den 1980er Jahren versetzte der Art den Todesstoß: Der Löffelstör konnte fortan seine Laichgründe flussaufwärts nicht mehr erreichen. Als Hogan 2007 mit chinesischen Forschenden auf dem Jangtse unterwegs war, fand er keine Hinweise mehr auf diesen Fisch. Jahre später stellte sich heraus, dass die Art höchstwahrscheinlich zu jener Zeit schon verschwunden war. Damit ist der Chinesische Löffelstör der erste große Süßwasserfisch, der in der Moderne ausstarb.

»Aussterben bedeutet, dass das gesamte Ökosystem bis zu einem gewissen Grad erodiert«, sagt Hogan. »Jede Art übernimmt darin eine Rolle – und einige Spezies wie die Riesenfische spielen vielleicht eine ökologisch wichtigere Rolle als andere.« Es ist noch unklar, wie sich der Wegfall des Chinesischen Löffelstörs auf das Ökosystem des Jangtse auswirkt, da der Fluss ohnehin durch Staudämme, Kanäle und Verschmutzung stark strapaziert ist. Viele Riesenfische sind jedoch Raubtiere an der Spitze der Nahrungskette. Geht ihre Zahl zurück, kann sich das erheblich in den Beständen anderer Arten im unteren Teil der Nahrungskette bemerkbar machen.

Der Mensch hat die Flüsse stark verändert

China ist das Land mit den meisten Wasserkraftwerken, Europa der Kontinent mit den meisten von Menschenhand errichteten Flussbarrieren. Eine Studie aus dem Jahr 2020, die in »Nature« veröffentlicht wurde, fand mindestens 1,2 Millionen künstliche Hindernisse, die einem natürlichen Flusslauf im Weg stehen: unterschiedlich große Staudämme, Wehre, aufgeschüttete Furten und Kanäle. Solche Bauten verhindern, dass die großen Wanderfische in ihrem Lebensraum Fluss existieren können.

In der stark aufgestauten Donau schwammen einst zahlreiche riesige Fische, darunter eines von Europas größten Wassertieren, der Huchen (Hucho hucho), und nicht weniger als sechs Störarten wie der größte Stör der Welt, der Beluga. Wegen der Staudämme sind diese Arten aber längst aus den meisten Flussabschnitten verschwunden.

Der Beluga-Stör wird in vielen wissenschaftlichen Publikationen als der größte Süßwasserfisch der Welt aufgeführt. Ein 1827 im Mündungsgebiet der Wolga gefangenes Weibchen soll 1571 Kilogramm gewogen haben. Die Art ist allerdings wie die meisten Störe kein echter Süßwasserfisch. Er zählt zu den so genannten anadromen Wanderfischen – also solchen, die im Süßwasser geboren werden, den größten Teil ihres Lebens im Salzwasser verbringen und dann zum Laichen in die Flüsse zurückkehren. »Bei meiner Suche wollte ich mich jedoch auf Fische konzentrieren, die ihr ganzes Leben in Flüssen und Seen verbringen«, sagt Hogan.

Um die Süßwasserökosysteme ist es schlecht bestellt

Eine Sache, die Hogan dabei antreibt: die Aufmerksamkeit auf den sich stetig verschlechternden Zustand der Süßgewässer zu lenken. Diese Ökosysteme sind im Allgemeinen noch stärker geschädigt als marine und terrestrische Lebensräume und gleichzeitig weniger erforscht. Nach Angaben des WWF sind die Populationen von Süßwasserwirbeltieren seit 1970 um 84 Prozent zurückgegangen; das ist doppelt so viel wie bei Wirbeltieren an Land oder im Meer. Der Verlust an Riesenfischen liegt inzwischen bei alarmierenden 94 Prozent. »Riesenfische sind die Kanarienvögel in der Kohlemine«, sagt Hogan – Bergleute nahmen die Vögel einst als Warnmelder mit in den Stollen, weil die Tiere schon bei geringen Konzentrationen des geruchslosen Kohlenmonoxids bewusstlos von der Stange fallen. »Riesenfische sind oft die Ersten, die verschwinden, und ihr Verschwinden ist eine Warnung, dass wir schnell etwas tun müssen, um den Zustand unserer Flüsse und Seen zu verbessern.«

Pangasianodon gigas | Das Team um Zeb Hogan dokumentiert einen Mekong-Riesenwels.

Ein Megafisch, der gegen den Strom der anderen Riesen zu schwimmen scheint, ist Europas größter echter Süßwasserfisch: der Europäische Wels (Silurus glanis), der über drei Meter lang werden kann. Die in Osteuropa beheimatete Art wurde 1974 von einem deutschen Angler in den spanischen Fluss Ebro eingeschleppt – er setzte dort mehrere tausend Welseier aus. Andere Angler, die auf die Chance hofften, riesige Fische zu fangen, taten dasselbe in Flüssen anderer Länder. Seitdem hat sich die Art in ganz Süd- und Mitteleuropa ausgebreitet.

Normalerweise sind es die Riesenfische, die durch invasive Arten und veränderte Ökosysteme bedroht werden. Der Wels hingegen ist in den Flüssen Südeuropas selbst invasiv. Er fühlt sich in Fließgewässern wohl, die der Mensch verändert hat, und dort, wo hohe Wassertemperaturen sowie ein niedriger Sauerstoffgehalt die einheimischen Arten verdrängt haben. Die Art wächst zügig und hat eine hohe Lebenserwartung von bis zu 80 Jahren. Im Gegensatz zu vielen anderen Megafischen vermehrt sich der Europäische Wels schnell, weil die Weibchen hunderttausende Eier auf einmal produzieren. Sein unersättlicher Appetit hat ihn zu einer ernsthaften Bedrohung für gefährdete und kommerziell wichtige Wanderfische wie den Maifisch, eine Heringsart, und den Atlantischen Lachs gemacht, deren Populationen in Europa bereits stark rückläufig sind. Fachleute gehen davon aus, dass die Erderwärmung noch günstigere ökologische Bedingungen für den Wels schaffen könnte.

Im Allgemeinen wirkt sich der Klimawandel jedoch jetzt schon negativ auf die weltweiten Bestände der riesigen Süßwasserfische aus. Das liegt an anhaltenden Dürreperioden und zunehmend unregelmäßigen Monsunzeiten, die viele sensible Ökosysteme durcheinanderbringen. Und es wird nicht besser: Auf der ganzen Welt verschiebt der Klimawandel die Verbreitungsgebiete von Flora und Fauna – Süßwasserlebewesen können den veränderten Lebensbedingungen aber nicht entkommen: »Diese Fische können nicht einfach in andere Flüsse umziehen«, erklärt Hogan. »Sie haben sich so entwickelt, dass sie in den Flüssen, in denen sie natürlich vorkommen, erfolgreich sind und überleben können.«

Es gibt auch gute Nachrichten

Hogan findet aber auch Anzeichen für positive Entwicklungen: Viele kleinere Länder, von Bhutan bis Guyana, haben sich verpflichtet, ihre Flüsse für die darin lebenden Fische sauber zu halten. Schutz- und Fischereiverbotszonen werden immer häufiger ausgewiesen, vor allem in Asien. In vielen Fällen übernehmen indigene Gemeinschaften eine führende Rolle bei den Schutzbemühungen, wie im Fall des Arapaima in Brasilien.

In den USA wurde der Alligatorhecht (Atractosteus spatula), auch ein luftatmender Riesenfisch, lange als »trash fish« (zu Deutsch »Müllfisch«) betrachtet, weil er große Mengen von Wildfischen verschlingt – was das Tier in Konflikt mit Freizeitanglern brachte. Systematisch wurde er deshalb in großen Teilen seines Verbreitungsgebiets im Süden der USA ausgerottet. Doch dann begannen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Art zu erforschen, und fanden heraus, dass der Alligatorhecht nicht in erster Linie die Arten frisst, auf die es auch Angler abgesehen haben. Zudem leistet der Raubfisch an der Spitze der Nahrungskette einen wichtigen Beitrag zur Stabilität und Funktion des Ökosystems. Heute haben sich seine Populationen in Flüssen wie dem Trinity in Texas wieder erholt. Ähnlich verhält es sich mit dem See-Stör, einem der wenigen echten Süßwasserstöre, dessen Bestände in Wisconsin von Regulierungen des Fischfangs profitiert haben. »Das zeigt, dass es den Fischen mit gutem Fischereimanagement gut gehen kann«, ist Hogan überzeugt.

»Selbst wenn die Situation der riesigen Süßwasserfische absolut alarmierend ist – es ist auch wichtig, die Fortschritte zu sehen, die ihrem Schutz dienen«Zeb Hogan, Biologe von der University of Nevada, USA

In den Vereinigten Staaten werden schon seit Jahrzehnten keine großen Staudämme mehr gebaut. Stattdessen begann man vor vielen Jahren, veraltete Dämme abzureißen. Dieser Trend nimmt nun auch in Europa Fahrt auf, einige große Bauwerke wurden bereits entfernt. Außerdem erklärte Albanien die Vjosa zum ersten Wildfluss-Nationalpark Europas. Und das Donaudelta wurde in eine geschützte Biosphäre umgewandelt, die zu den schönsten natürlich belassenen Orten des Kontinents gehört. »Selbst wenn die Situation der riesigen Süßwasserfische absolut alarmierend ist – es ist auch wichtig, die Fortschritte zu sehen, die ihrem Schutz dienen«, findet Hogan.

Die Wunder des Mekong

In den vergangenen Jahren hat Hogan seine Aufmerksamkeit wieder auf den Mekong gerichtet – jenen Fluss, an dem er mit seinen Studien anfing und wo er jetzt das von der US-Regierung geförderte Forschungsprojekt »Wonders of the Mekong« leitet. Der Mekong, der durch sechs südostasiatische Länder fließt, gilt einigen als der wichtigste Fluss der Welt, weil ein Großteil der 70 Millionen Menschen, die entlang seiner Ufer wohnen, von dem Fließgewässer leben. Er beheimatet auch mehr Megafische als jeder andere Fluss der Welt, so den Mekong-Riesenwels (Pangasianodon gigas) und die Riesenbarbe (Catlocarpio siamensis).

Catlocarpio siamensis | Im Mekong ist auch diese Riesenbarbe heimisch. Nach der Dokumentation entlässt ein Arbeiter des Forschungsteams das Tier wieder in die Freiheit.

Die Populationen solcher Giganten sind im Mekong in den vergangenen Jahrzehnten auf Grund erheblicher Umweltbelastungen massiv zurückgegangen – nicht zuletzt durch einen Bauboom bei Staudämmen, der in den 1990er Jahren in China begann und sich in Ländern wie Laos fortsetzte. Die durch El Niño ausgelösten Dürren in den Jahren 2019 und 2020 und der Klimawandel verschärften die Situation. Weil Staudammbetreiber überdies das Wasser zurückhielten, sank der Pegel im Mekong und im angrenzenden Tonle Sap, einem See in Kambodscha, auf einen historischen Tiefstand – mit harschen Folgen für die Fische des Ökosystems.

2022 hat die Monsunzeit, die ungefähr von Juni bis November dauerte, dem Mekong jedoch eine Pause verschafft und dem Unterlauf sowie der Region um den Tonle Sap überdurchschnittliche Niederschläge beschert. Zusätzlich sind die Behörden gegen illegale Fangmethoden im See vorgegangen. Somit konnten sich die Fischbestände erholen, darunter auch einige Populationen großer Fische wie die von Probarbus jullieni, einem stark gefährdeten Karpfenfisch.

Rekordhalter nun im Dienst der Forschung

Darüber hinaus bemühen sich inzwischen immer mehr lokale Fischer um den Schutz bedrohter Arten. Anfang 2023 fingen Fischer im kambodschanischen Bezirk Kang Meas einen Mekong-Riesenwels, der mehr als 100 Kilogramm wog. Keiner der Fischer hatte je zuvor einen so großen Wels gesehen. Doch statt das Tier zu töten und Gewinn bringend zu verkaufen, ließen sie es wieder frei – sie geleiteten den Fisch sogar in einer Zeremonie mit Blumen und Parfümspritzern in den Fluss zurück. »Der Fang zeigt, wie widerstandsfähig der Mekong und die Großfischpopulationen sind und dass noch nicht alles verloren ist«, sagt Hogan.

Bereits zuvor, im Jahr 2022, hatten Fischer weiter flussaufwärts in einem besonders artenreichen Abschnitt des Mekong im Norden Kambodschas eine verblüffende Entdeckung gemacht. Hogans Team erhielt einen Anruf von einem der Fischer, der berichtete, er habe einen Rochen gefangen, der »viel größer« sei als alle zuvor erbeuteten. Der Fisch wog 300 Kilogramm und war damit der größte jemals gefangene Süßwasserfisch.

Der Fang sorgte weltweit für ein großes Medienecho – auch »Spektrum.de« berichtete. Der Rochen wurde zudem in das »Guinness-Buch der Rekorde« aufgenommen. Damit mag Hogan bei seiner Suche nach dem weltweit größten Süßwasserfisch am Ziel sein, sein Einsatz für den Naturschutz geht aber weiter: Hogan und sein Team brachten an dem Stachelrochenweibchen einen Sender an, bevor sie es wieder in den Fluss entließen. »Als 2005 der Riesenwels gefangen wurde, wurde er zerlegt und verkauft«, weiß Hogan. »Heute sind wir in der Lage, den größten Fisch der Welt zu beobachten und mehr über sein Verhalten zu erfahren. Das ist ziemlich cool.«

Seitdem hat Hogans Team die Reise des Rekordfischs genau verfolgt: Die Aufzeichnungen der vergangenen zehn Monate bezeugen eine hohe Standorttreue des Rochenweibchens – bedeutet: Es hält sich weitgehend in dem Gebiet auf, in dem es entdeckt wurde. Maßnahmen, die Art zu schützen, sollten sich also auf ebenjenen Bereich konzentrieren und auf diese Stelle ausgelegt sein. Die kambodschanische Regierung hat bereits vorgeschlagen, das Gebiet, in dem seit Langem zwei große Staudämme geplant sind, zum UNESCO-Welterbe zu erklären. Dann wird das Land sehr wahrscheinlich die Bauvorhaben verwerfen, zum Schutz der Fischart.

Hogan ist sich fast hundertprozentig sicher, dass dieses Rochenweibchen nicht der größte Süßwasserfisch der Welt ist. Der Stechrochen sei möglicherweise nicht einmal die größte Fischart in Süßgewässern überhaupt, sagt er. Jüngste Forschungen über den Arapaima zum Beispiel deuten darauf hin, dass die Fischart in Guyana bisweilen noch größer werden kann. »Es ging eigentlich nie darum, den größten Fisch zu finden«, erklärt Hogan. »Es ging immer darum, mehr über diese erstaunlichen Lebewesen zu erfahren, damit wir herausfinden, wie wir sie besser schützen können.«

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