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Virologie: Riesenviren sind weiter verbreitet als gedacht

Die größten aller Viren haben sich überraschend lange vor neugierigen Forschern versteckt. Nun zeigt sich: Womöglich sind sie überall häufiger als vermutet.
Riesenviren

Lange haben Virologen ausgerechnet die größten Vertreter ihrer Fachrichtung übersehen: Riesenviren wie das Mimivirus oder Klosneuviren von Bakteriengröße mit einer ungewöhnlich umfangreichen Genausstattung kennt man erst seit einigen Jahren. Mittlerweile aber wird das Forschungsfeld rund um die ungewöhnlich großen Viren unübersichtlich, denn im Meer, Meeresboden oder Klärschlamm fanden sich weitere, recht unterschiedliche Vertreter. Ihre Identifizierung ist allerdings immer recht aufwändig, weil sich die Zellparasiten nur in einer geeigneten Wirtszelle vermehren können – etwa in einer vom Virus infizierten Amöbenzelle. Mit DNA-Analysen wird die Jagd nach neuen Riesenviren einfacher, meint nun ein Team um Jeff Blanchard von der University of Massachusetts in »Nature Communications«: Die Wissenschaftler glauben mit Genanalysen und sinnvollen Filtermechanismen auf einen Streich gleich 16 neue Riesenviren in Bodenproben aus einem einzigen Wäldchen identifizieren zu können.

Die beim Fischen von Erbgut im Waldboden ins Netz gegangenen Viren gehören dabei den verschiedensten Seitenlinien des rasch komplexer werdenden Stammbaums der Riesenviren an, so das Forscherteam: Einige ähneln den erst Anfang 2018 vorgestellten Tupanviren, andere den älteren Klassikern aus Kläranlagen, den Klosneuviren; weitere sind der selbst für die Riesen unter den Viren überdimensionierten marinen Spezies Cafeteria roenbergensis ähnlich – und einige sind offenbar ganz neue Typen. Anders als frühere Entdeckungen leben die nun genetisch beschriebenen Viren nicht in feuchtem Schlamm, eisigem Permafrost oder Wasser, sondern in ganz normalem Waldboden: Womöglich hat man bisher drastisch unterschätzt, wie verbreitet Riesenviren überall auf der Erde sind, weil man sie – auch aus methodischen Gründen – bislang eher in feuchten Habitaten gesucht und aufgespürt hat.

Wie andere Riesenviren zeichnen sich auch die neu aufGgrund ihres Erbguts charakterisierten Vertreter durch eine für gängige Viren untypisch umfangreiche genetische Ausstattung aus. Erkannt hatten die Wissenschaftler sie nach einer gezielten Analyse des »Mini-Metagenoms« in Waldbodenproben, für die sie die DNA von etwa 2000 einzelnen Zellen oder zellähnlichen Partikeln sequenziert haben, nachdem sie diese sortiert und aufgelöst hatten. Das Erbgut von Riesenviren verrät sich dann unter anderem an typischen Genen für Capsid-Hüllproteine, die in unterschiedlichsten Varianten aufgespürt wurden. Sicher seien die jetzt beschriebenen 16 neuen Viren nur die Spitze des Eisberges aller im Boden versteckten Spezies, vermuten die Forscher. Mindestens drei der Riesenviren sind noch nie beschrieben worden und gehören zu neuen Gattungen oder gar Riesenvirenfamilien, meinen die Forscher, die die Funde aus dem Wald provisorisch Solum-, Soli- und Sylvanvirus getauft haben.

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