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Unterschätzte Tiere: Robben röhren: »Morgen kommt der Weihnachtsmann«

Robben können nicht nur singen - sie können uns auch routiniert etwas nachsingen, wie schottische Zoologen demonstrieren. Und das klingt nicht unbedingt schlechter als ein durchschnittlicher betrunkener Nikolaus.
Verspielte Kegelrobben liegen am Strand

Wenn Tiere sich mit Lauten verständigen, dann können sie uns Menschen sicher auch etwas nachsingen, dachten sich Vincent Janik und seine Kollegen von der University of St Andrews – und machten in offenbar ruhigeren Minuten die Probe aufs Exempel mit ihrem Lieblingsversuchstier, der Kegelrobbe (Halichoerus grypus). Lohn der Mühe sind eine Veröffentlichung im Fachblatt »Current Biology« und einige unterhaltsame Videos von fröhlich tönenden Robben, die nach ein wenig Zuhören menschlichen Bezugspersonen Melodien wie das Star-Wars-Titelthema oder kurze Wiegenliedklassiker nachsingen. Kegelrobben, so die Schlussfolgerung des Teams, sind wie Menschen rasch in der Lage, gehörte Tonfolgen mit eigenen Lauten nachzuahmen, indem sie die Formanten, also die Resonanzfrequenzen der durch den Vokaltrakt gepressten Luft, gezielt verändern.

Formanten sind auch wesentliche physikalische Elemente der menschlichen Sprache: Während Menschen sprechen oder singen, heben oder senken sie diese Resonanzfrequenzen beim Bewegen von Zunge oder Lippen, während Atemluft durch den Vokaltrakt strömt. Die Betonung unterschiedlicher Frequenzen moduliert dann die akustische Information: »Unterschiedliche Vokale unterscheiden sich in ihren Formanten«, beschreibt Janik, und diese Informationen können die Kegelrobben nach Gehör auswerten und – im Rahmen ihrer anatomischen Möglichkeiten im Stimmapparat – anschließend nachahmen.

Singende Kegelrobben, die Greatest Hits
Eine Compilation der schönsten Kegelrobbenmelodien. Einige Tiere singen besser als andere.

Das klappt allerdings erst nach einiger Übung und nicht bei jedem Tier gleich gut, wie die Experimente zeigen. Dafür hatten Janik und Co einige Kegelrobben zunächst darauf trainiert, ihre eigenen natürlichen Lautäußerungen nachzuahmen. Später wurden die Tiere dann belohnt, wenn sie die Tonhöhen veränderten – und schließlich darauf gedrillt, menschliche Vokale zu kopieren. Das funktionierte bei manchen Tieren erst nach hunderten Versuchen, und zwar wahrscheinlich aber deshalb, weil die Kegelrobben eben erst verstehen mussten, was eigentlich von ihnen verlangt wurde. Manche Tiere wie die Robbe Zola entpuppten sich dann rasch als Meister der Menschenimitation: Das Tier beherrschte zum Beispiel bald die zehn Töne des Kinderlieds »Twinkle, Twinkle, Little Star«, das Menschen im deutschen Sprachraum als »Morgen kommt der Weihnachtsmann« identifizieren.

Kegelrobben verfügen eindeutig über die neuronalen und anatomischen Strukturen, mit denen auch Menschen Lautäußerungen erzeugen, meinen die Wissenschaftler aus Schottland. Deshalb könnten sie sich womöglich als Versuchstiere eignen, mit denen die ersten Stufen des Sprechenlernens und des Spracherwerbs aus einem neuen Blickwinkel untersucht werden können. Dass Kegelrobben durch menschliche Lautäußerungen nicht überfordert sind, wussten Experten übrigens schon seit Jahrzehnten: In den 1980er Jahren galt die Robbe Hoover in einem Aqua-Zoo in Boston als Sensation, weil sie kurze Sätze wie »How are you?« halbwegs verständlich nachsprechen konnte.

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