Robotik: Roboter enthüllt Fortbewegung des Aals

Die meisten Wirbeltiere wären gelähmt, wenn sie sich eine Rückenmarksverletzung zuzögen. Nicht so Aale: Wenn der für die Bewegungskontrolle verantwortliche Teil ihres Rückenmarks beschädigt ist, können die Fische ohne größere Schwierigkeiten weiterschwimmen und sich sogar noch kriechend über unebenen Boden fortbewegen. Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL), der Tohoku-Universität in Japan und der kanadischen University of Ottawa konnten nun zeigen, was die Aale dazu befähigt – mithilfe eines amphibischen Roboters und spezieller neuronaler Schaltkreise.
Dafür griff das Team auf eine bereits früher geäußerte Vermutung zurück, wonach Hautdruck und Muskeldehnung in den Tieren bestimmte neuronale Netzwerke beeinflussen. Diese zentralen Mustergeneratoren, wie sie fachsprachlich genannt werden, sind entlang des Rückenmarks verteilt. Die Forscher gingen nun davon aus, dass jedes Körpersegment des Aals über einen eigenen neuronalen Schaltkreis verfügt, der auf Druck und Dehnung reagiert, die der Aal an der jeweiligen Stelle empfindet. Damit könnte jeder Körperabschnitt Druck und Dehnung selbstständig in rhythmische Bewegungen übersetzen.
Die Forschungsgruppe entwickelte das mathematische Modell eines solchen Schaltkreises und übertrug es auf einen amphibischen, aalähnlichen Roboter. In Experimenten wies sie dann nach, dass der Robo-Aal nicht nur rasch stabile Schwimmmuster etablierte, sondern dass er auch an Land kriechen und sich um Hindernisse herumschlängeln konnte. Mithilfe des Druck- und Dehnungs-Feedbacks in den neuronalen Schaltkreisen erzeugte der Roboter einen eigenen Bewegungsrhythmus, der sich auch über eine verletzte Stelle hinweg synchronisierte und an Land einen Vorwärtsschub erzeugte.
Laut Akio Ishiguro, der an der Schnittstelle von Biologie und Ingenieurtechnik forscht, deuten die Erkenntnisse darauf hin, dass Wirbeltiere beim evolutionären Übergang vom Wasser ans Land keinen völlig neuen neuronalen Schaltkreis benötigten, der zentral vom Gehirn gesteuert wird. »Vielmehr wurden flexible, für das Schwimmen verantwortliche Schaltkreise umfunktioniert.« Der Bedarf an komplexer Steuerung verringerte sich dadurch von oben nach unten und die Tiere konnten sich in unterschiedlichen Umgebungen effektiv bewegen.
Der Biorobotik-Experte Auke Ijspeert ergänzt, dass die Erkenntnisse auch für die Entwicklung dezentraler motorischer Kontrollsysteme bedeutend sind. »Wenn wir verstehen, wie die Biologie komplexe Bewegungen mithilfe von Sinnesorganen im Körper – ohne Gehirn – steuert, können wir dieses Prinzip vielleicht auch auf autonome Maschinen übertragen.«
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