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Ozeane: Genehmigung für umstrittenen Tiefseebergbau beunruhigt Wissenschaftler

Trotz Warnung vor Risiken hat das norwegische Parlament den Rohstoffabbau in der Tiefsee erlaubt. Dabei wisse man noch nichts über die Folgen für das Ökosystem, mahnen Forscher.
Ein ROV schwebt über einem Manganknollenfeld
Ein ferngesteuerter Tauchroboter schwebt über einem Manganknollenfeld in der Tiefsee. Die Rohstoffe wecken Begehrlichkeiten.

Das umstrittene Vorhaben, den Meeresboden nach wertvollen Mineralien umzugraben, ist einen Schritt weitergekommen, nachdem Norwegen als erstes Land eine solche Exploration erlaubt hat. Wissenschaftler und Umweltorganisationen äußerten sich darüber enttäuscht: Sie sagen, dass diese Methode die biologische Vielfalt und die Ökosysteme irreversibel schädigen wird. »Hier geht es um Gier, nicht um Notwendigkeit, und es wird unsere Umwelt für heutige und künftige Generationen erheblich belasten«, kommentierte Matthew Gianni, Mitbegründer der Deep Sea Conservation Coalition in Amsterdam.

Am 9. Januar hat das norwegische Parlament mit 80 zu 20 Stimmen den Bergbau auf dem norwegischen Festlandsockel genehmigt. Das Verfahren soll klären, ob Sulfide und Mangankrusten auf dem Meeresboden im Hoheitsgebiet des Staates Gewinn bringend abgebaut werden können. Diese Metalle werden derzeit an Land abgebaut.

Die norwegische Regierung, die ihren Bergbauplan seit 2020 verfolgt, rechtfertigte die Gewinnung von Metallen wie Mangan und Kobalt, weil diese notwendig seien, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu gewährleisten. Die Rohstoffe werden bei Herstellung von Elektrofahrzeugbatterien und anderer Elektronik verwendet. Viele Forscher, darunter der Wissenschaftsbeirat der Europäischen Akademien halten diese Behauptung jedoch für irreführend und argumentieren, dass die terrestrischen Metallvorkommen ausreichend sind.

Obwohl bislang wenig zu den ökologischen Auswirkungen des Tiefseebergbaus bekannt ist, zeigen erste Studien, dass er Arten auf dem Meeresboden schaden könnte – etwa indem sie von Maschinen zermalmt oder von aufgewirbelten Sedimentwolken erstickt werden. Wissenschaftler entdeckten, dass auch Arten wie Quallen im freien Wasser gefährdet sind. Viele Forscher und Regierungen fordern deshalb ein Moratorium, bis mehr über das Ökosystem der Tiefsee bekannt ist.

Internationaler Ratschlag wurde ignoriert

Das Votum Norwegens bedeutet, dass die Regierung Unternehmen und anderen Organisationen Genehmigungen für die Erkundung von 281 000 Quadratkilometer des Meeresbodens erteilen kann. Die Erlaubnis zur Gewinnung von Mineralien für kommerzielle Zwecke erfordert, dass das Parlament darüber noch gesondert abstimmt, doch Kritiker sehen das erste Votum bereits als ein Einfallstor zu diesem Ziel.

Norwegische Wissenschaftler sagen, sie seien enttäuscht, aber nicht überrascht von diesem Schritt. Die Regierung habe ihren fachlichen Rat und den der norwegischen Umweltbehörde in Trondheim ignoriert. Als Reaktion auf eine öffentliche Konsultation zu den Bergbauplänen der Regierung erklärten die Forscher, dass zu wenig über die biologische Vielfalt und die Funktionen des Ökosystems in den vorgeschlagenen Gebieten bekannt sei, um einen sicheren Abbau zu gewährleisten.

Die vorgeschlagenen Erschließungsstätten erinnerten an Inseln in der Tiefsee, die von Lebensgemeinschaften bewohnt würden, die es sonst nirgendwo gibt, erklärt Helena Hauss, eine Meeresökologin bei NORCE, einem unabhängigen Forschungsinstitut mit Sitz in Bergen. Ein Abbau würde sie unwiderruflich zerstören. »Dies lässt sich nur schwer mit der Behauptung der norwegischen Regierung in Einklang bringen, dass dieser Abbau nachhaltig und verantwortungsvolle Weise geschehen werde«, sagt sie.

Umweltklagen stehen an

Laut Peter Haugan, dem Projekt-Direktor am Institut für Meeresforschung in Bergen, könnte die norwegische Entscheidung rechtswidrig sein, da die Regierung nicht über ausreichende wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt, um die Auswirkungen künftiger Bergbauaktivitäten zu bewerten. Das ist nach nationalem Recht vorgeschrieben. Er rechnet damit, dass Umweltgruppen aus diesen Gründen Klage erheben werden, um das Projekt noch zu verhindern.

Er befürchtet auch, dass die Regierung bei tatsächlichen Anträgen die wissenschaftlichen Empfehlungen ignorieren werde. Die Regierung geht davon aus, dass es bis zum Beginn der Extraktion noch 20 Jahre dauern wird, was Umweltorganisationen jedoch anzweifeln.

Norwegens Vorstoß kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die internationalen Verhandlungen darüber fortgesetzt werden, ob die kommerzielle Nutzung mineralienreicher Tiefseeregionen in internationalen Gewässern erlaubt werden soll. Das betrifft beispielsweise die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ), ein 4,5 Millionen Quadratkilometer großes Gebiet im östlichen Pazifik zwischen Hawaii und Mexiko. Norwegen sei weltweit einer der stärksten Befürworter des Tiefseebergbaus, so Gianni.

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