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Rohstoffe: Lithium aus Deutschlands Tiefenwässern

Europa sucht nach neuen Lithiumquellen. Dafür kommen auch Tiefenwässer infrage, etwa im Oberrheingraben und im Norddeutschen Becken. Experten versuchen, das Metall in großem Stil zu gewinnen.
Eine Bohrplattform inmitten einer weitläufigen, grünen Landschaft mit Feldern und Hügeln im Hintergrund. Die Plattform ist von verschiedenen Containern und Tanks umgeben. Auf der Plattform ist der Schriftzug "VERCANA" zu sehen. Die Szene zeigt eine industrielle Anlage in einer ländlichen Umgebung unter einem bewölkten Himmel.
Im rheinland-pfälzischen Schleidberg entsteht eine neue Bohrung, über die lithiumhaltiges Wasser aus tiefen Gesteinsschichten gefördert werden soll.

Lithium ist ein Schlüsselrohstoff für die Energiewende. Er steckt in den Akkus für Elektroautos, Laptops und Smartphones und wird – aufgrund seines geringen Gewichts – bei mobilen Speichern noch lange unverzichtbar sein. Bis zum Jahr 2030 wird weltweit dreimal so viel von dem Metall gebraucht werden, wie aktuell produziert wird. Das schätzt jedenfalls die Deutsche Rohstoffagentur, andere Analysen kommen zu noch höheren Werten. Bisher dominiert China den Markt des als kritisch eingeschätzten Rohstoffs. Doch nun soll Europa aufholen – unter anderem über neue Bergbauprojekte wie in Serbien und in Zinnwald im Erzgebirge. Doch die Eingriffe in die Umwelt sind erheblich, und es gibt Proteste; hinzu kommen bürokratische und finanzielle Hürden.

Umso stärker rückt eine weitere Quelle für Lithium in den Fokus: mineralführende Wässer in mehreren tausend Metern Tiefe. An manchen Orten weist die kochend heiße und extrem salzige Sole nennenswerte Lithiumgehalte auf. Im Labormaßstab gelingt es bereits, den Rohstoff daraus zu gewinnen. Nun arbeiten Fachleute an verschiedenen Orten daran, das Lithium auch in großem Umfang zu extrahieren.

Einer dieser Orte ist Landau in der Pfalz. Für ein Geothermiekraftwerk fördert die Firma Vulcan Energy dort über eine Bohrung 160 Grad heißes Wasser aus tiefen Sandsteinschichten. Doch das Wasser ist nicht nur heiß, es enthält pro Liter auch rund 180 Milligramm Lithium, was das Unternehmen ebenfalls nutzen möchte. Dazu wird zunächst in Landau Lithiumchlorid gewonnen. Im Frankfurter Industriepark Höchst wird es weiter verarbeitet zu Lithiumhydroxidmonohydrat (LHM), das als Vorprodukt an die Herstellung von Elektroauto-Batterien verkauft werden soll. Die Genehmigung für den Bau einer Produktionsanlage im Industriemaßstab liegt seit September 2025 vor. Die Anlagen haben die Kapazität, jährlich bis zu 24 000 Tonnen LHM herzustellen, was laut Vulcan Energy für die Produktion von von zirka 500 000 Elektrofahrzeugbatterien pro Jahr ausreicht. Die Firma setzt dabei erneuerbare Energien einschließlich der Geothermie ein und will so der weltweit erste Lieferant von CO2-neutralem Lithium werden. Eine Demonstrationsanlage an der Geothermiebohrung in Landau läuft bereits und liefert Lithiumchlorid im Tonnenmaßstab, erklärt der Vorstandsvorsitzende Francis Wedin.

Extrakt | Lithiumchlorid (links) wird aus der Sole gewonnen und später zum Batterierohstoff Lithiumhydroxidmonohydrat (rechts) weiterverarbeitet.

Das Tiefenwasser durchläuft das Geothermiekraftwerk und gibt dort zunächst Wärme ab. Aus dem anschließend noch rund 65 Grad heißen Wasser wird dann das Lithium extrahiert, und zwar mittels Adsorption: Das im Wasser gelöste Metall wird dabei von einer Aluminiumverbindung aufgenommen und später wieder abgetrennt. Die Technologie wird auch bei anderen Lithiumproduzenten eingesetzt, etwa in Chile. Die verbleibende Sole gelangt über eine zweite Bohrung zurück in die Tiefe, wo sie wie in einem Kreislauf eines Tages zur Förderbohrung zurückkehrt – erhitzt und idealerweise wieder mit viel Lithium im Gepäck.

Mehrere Firmen wollen das »weiße Gold« gewinnen

Ob das gelingt, vor allem über eine Laufzeit von Jahrzehnten, ist offen. So richtig verstanden hat man die Lithiumquelle in der Tiefe nämlich noch nicht. »Wir gewinnen das Wasser aus Schichten des Buntsandsteins, das Lithium selbst kommt aber wahrscheinlich aus dem tieferen kristallinen Grundgebirge«, sagt Wedin. Wie es dort zur Anreicherung kam, warum es sich dann löste und heute im Sandstein anzutreffen ist, ist nicht abschließend geklärt. Sicher ist, dass die Schichten von Buntsandstein und Zechstein entlang des Oberrheingrabens vielerorts lithiumhaltige Wässer enthalten.

Daher ist Vulcan Energy nicht die einzige Firma, die nicht nur auf Geothermie, sondern auch auf das »weiße Gold« abzielt. Andere sind in ihren Zeitplänen allerdings zurückhaltender. Während Wedin eine kommerzielle Lithiumproduktion »in zweieinhalb Jahren« ankündigt, schätzt Sebastian Homuth, dass das mindestens fünf oder zehn Jahre braucht. Homuth ist Betriebsleiter beim Geothermie-Projektentwickler Deutsche ErdWärme. »Das Potenzial ist auf alle Fälle da«, sagt er. »Aber es ist noch nicht sicher, ob ein wirtschaftlicher Betrieb möglich wird.«

Der Geowissenschaftler verweist auf zahlreiche Fragen, denen die Fachleute derzeit nachgehen. Woher kommt das Lithium, und wo sind die Gehalte besonders hoch? Schließlich haben die Geothermieprojekte bisher nur auf heißes Wasser geschaut, nicht aber auf weitere mögliche Rohstoffvorkommen. Der Standort eines Kraftwerks könnte für das Gewinnen von Lithium ungünstig sein. Bringt es etwas, die Bohrungen zu verlängern, um die Ausbeute zu steigern? Maßgeblich ist auch die Frage, wie lange das Metall gewinnbar ist, sprich wie gut das rückgeführte Wasser mit Lithium gewissermaßen nachgeladen wird.

Die Extraktion funktioniert bisher nur im Labor

»Es gibt bereits regionale Modelle, die chemische Reaktionen und Wasserströmungen in drei bis fünf Kilometern Tiefe abbilden«, sagt Homuth. Doch die Ausgangsdaten seien lückenhaft. Zusätzliche geophysikalische Messungen, Bohrungen und Proben aus dem tiefen Untergrund wären hilfreich, um die Vorgänge besser zu verstehen. Genau das soll das Projekt ThermIon leisten, an dem die Deutsche ErdWärme, das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, das Karlsruher Institut für Technologie und weitere Partner beteiligt sind. Unter anderem soll 2026 bei Bruchsal eine Tiefenbohrung entstehen.

»Im Labor funktioniert die Lithiumseparation gut, aber wir müssen das wirtschaftlich in einem industriellen Prozess schaffen«Sebastian Homuth, Geowissenschaftler

Doch auch an der Oberfläche gibt es noch Risiken. »Die sind nach meiner Einschätzung sogar größer«, sagt Homuth. Im Labor funktioniere die Lithiumseparation aus Tiefenwässern gut, »aber wir müssen das wirtschaftlich in einem industriellen Prozess schaffen«. Die verwendeten Extraktionsverfahren werden zwar auch in Salaren in Südamerika genutzt. »Dort ist das Lithium aber bereits 1000-fach höher angereichert als im Tiefenwasser im Oberrheingraben.« Was dort die Sonne kostenlos übernehme, müsse hier mit zusätzlichem Energieaufwand geschafft werden. Das steigert die Kosten.

In dem Projekt soll deswegen auch ein zweites Extraktionsverfahren weiterentwickelt werden, die sogenannte Ionenpumpe. Sie greift gezielt die Lithiumionen aus der Sole heraus und soll, im Gegensatz zur Adsorption, weniger unerwünschte Begleitelemente einfangen. Diese müssten abgetrennt und als Abfallstoffe entsorgt werden. Im Labor funktioniert das, nun soll das Verfahren auf Industriemaßstab wachsen.

Auch in Frankreich und den USA sollen derartige Quellen erschlossen werden

Das Potenzial von lithiumführendem Tiefenwasser ist weltweit ein Thema. Auch im Elsass gibt es entsprechende Forschungen, außerdem in Kalifornien im Salton-Sea-Projekt, wobei die Fachleute dort mit weiteren, unerwünschten Metallen zu kämpfen haben. Der Oberrheingraben bietet vergleichsweise gute Voraussetzungen. Selbst aufseiten der Genehmigungsbehörden habe die Idee einer nachhaltigen Lithiumgewinnung viel Unterstützung erfahren, berichtet Wedin. Hinzu kommen staatliche Fördermittel für Forschung und Entwicklung sowie Geld von Investoren.

Die Aktivitäten im Südwesten Deutschlands werden auch von der nahen Schweiz aus genau beobachtet. Dort wurden in zwei Bohrlöchern nahe dem Bodensee sowie bei Basel ebenfalls erhöhte Lithiumgehalte gemessen, wie eine Analyse der ETH Zürich zeigt. Auch hier raten die Wissenschaftler dazu, weitere Daten zu erheben, um die Vorkommen besser einschätzen zu können. Eine Gewinnung ist bisher jedoch nicht absehbar.

Anders in Deutschland. Hier gibt es zudem Vorkommen im Norddeutschen Becken. Ein Team um Katharina Alms vom Fraunhofer IEG schätzt sie auf rund 4,7 Millionen Tonnen, allerdings mit erheblicher Streuung je nach Modell. Zur Orientierung: Die Deutsche Rohstoffagentur berechnet den hiesigen Lithiumbedarf auf bis zu 0,17 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Aufgrund der geografischen Größe übertreffen die norddeutschen Vorkommen vermutlich die des Oberrheingrabens; zuverlässige Daten fehlen bislang aber.

Erdgasfirmen sehen ein neues Geschäftsfeld

Der Lithiumschatz im Norden ist ebenso in den Wässern zu finden, die kilometertief in Schichten von Buntsandstein über Zechstein bis Rotliegend zirkulieren. Neben der Geothermie- ist dort auch die Erdgasbranche aktiv. Sie hat über Jahrzehnte viele Bohrungen in diese Tiefen erstellt und Untergrunddaten erhoben – und das Geschäft mit dem »weißen Gold« könnte eine neue Einnahmequelle sein. Niedersachsen hat bereits 25 sogenannte Erlaubnisfelder zur Lithium-Aufsuchung an sechs Unternehmen und Institutionen vergeben. Die Fläche umfasst 9500 Quadratkilometer, das entspricht einem Fünftel der Fläche des Bundeslands.

»Je länger das Wasser an den sogenannten Sorbenten verweilt, umso höher ist die Ausbeute«André Stechern, Geothermieexperte

Auch hier werden geologische Erkundung und Verfahrenstechnik für die Gewinnung vorangetrieben. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) nutzt dafür eine Forschungsbohrung im Landkreis Uelzen. Das Wasser aus 3800 Metern Tiefe – salzig wie im Toten Meer – gelangt durch eine kleine Extraktionseinheit, was die Gewinnung optimiert. »Je länger das Wasser an den sogenannten Sorbenten verweilt, umso höher ist die Ausbeute«, sagt BGR-Forscher André Stechern. In der Praxis wäre eine Wartezeit von beispielsweise zwei Stunden allerdings unsinnig. Es müssten gewaltige Behälter errichtet werden, um all das Wasser aufzunehmen, das eine Förderbohrung liefert. »Aus unserer Erfahrung sind Kontaktzeiten von 15 bis 30 Minuten am wirtschaftlichsten«, sagt er. In dieser Zeit ließen sich bereits gut 80 Prozent des Lithiums extrahieren.

Unerwünschte Radionuklide und Schwermetalle

Stechern zufolge nutzen die meisten Tiefenwasser-Lithium-Projekte in Europa, China und den USA ähnliche Verfahren. »Im Detail müssen sie aber an die örtlichen physikalischen und chemischen Voraussetzungen angepasst werden.« Unerwünschte Bestandteile wie Radionuklide sollten am besten gelöst bleiben und wieder in die Tiefe gepumpt werden, anstatt sie aufwändig abzutrennen und zu entsorgen. Vor allem jedoch müssen die Versuchsanlagen auf erheblich größeren Durchsatz getrimmt werden. »Die meisten Akteure, mit denen ich spreche, peilen einen industriellen Maßstab etwa um 2030 an.«

Deutschland sieht Stechern dabei gut aufgestellt. »Ich glaube, dass wir technisch ganz vorn mit dabei sind«, sagt er. Mit dem Oberrheingraben und dem Norddeutschen Becken gebe es gleich zwei große und interessante Regionen für die Lithiumgewinnung aus dem tiefen Untergrund.

Im Unterschied zu herkömmlichen Bergbauanlagen braucht es hierfür nur wenige Bohrungen. Jedoch: Der CO2-Fußabdruck fiele bei der Extraktion aus Tiefenwasser größer aus als bei der etablierten Lithiumgewinnung, etwa aus Salaren in Südamerika. Das schreiben Vanessa Schenker von der ETH Zürich und ihr Team im Fachmagazin »Renewable and Sustainable Energy Reviews«. Stechern sieht diese Bewertung allerdings skeptisch. »Die Analyse geht von etlichen neuen Bohrungen aus. Wenn man aber bestehende nutzt, würden die Nachhaltigkeitsberechnungen positiver aussehen.«

Zumal der Klimaschutz aktuell geringer gewichtet wird als eine Rohstoffversorgung aus verschiedenen, möglichst auch heimischen Quellen. Ob die Tiefenwässer allein dafür genügen und die Bergbauprojekte nahe der Oberfläche überflüssig machen? »Nein«, sagt Stechern. »Wir werden beides brauchen.« Und nicht zuletzt brauche es einen Lithiumpreis, der die Gewinnung in Europa wirtschaftlich macht. Der ist, nach einem heftigen Plus um 2022, aktuell aber nicht vorhanden.

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  • Quellen

Alms, K. et al., Geothermics 10.1016/j.geothermics.2024.103207, 2025

Heuberger, S., Morgenthaler, J., ETH Zürich: Lithium in geothermal brines, 2023

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