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Kometensonde Rosetta: Eisbrocken kreisen um "Tschuri"

Im unmittelbaren Umfeld des Kometenkerns von 67P/Tschurjumow-Gerassimenko befinden sich Eisbrocken mit bis zu einem halben Meter Durchmesser.
Der Kern des Kometen Tschurjumow-Gerasimenko

Im unmittelbaren Umfeld des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko halten sich nicht nur Gas und kleine Staubpartikel auf, sondern es treiben sich auch größere Brocken mit Durchmessern von bis zu einem halben Meter dort herum. Eine Untersuchung einer Forschergruppe um Björn Davidsson von der schwedischen Universität in Uppsala wertete kürzlich Bilddaten der wissenschaftlichen Kamera OSIRIS aus, die am 10. September 2014 aufgenommen wurden. An diesem Tag fotografierte OSIRIS mit dem Weitwinkelobjektiv eine halbe Stunde lang ein quadratisches Himmelsareal mit einer Kantenlänge von zwölf Grad – das entspricht der 700-fachen Fläche des Vollmonds am irdischen Himmel. Dabei lieferte die Kamera jede Minute ein je zehn Sekunden lang belichtetes Bild.

Ein Eisbrocken im Umfeld von Komet 67P | Am 10. September 2014 beobachtete die Weitwinkelkamera des OSIRIS-Systems an Bord von Rosetta diesen sich bewegenden Eisbrocken im nahen Umfeld um den Kern von Komet 67P. Er ist mit einem Kringel markiert. Die langen Striche auf einzelnen Bildern sind Staubkörner, die sich näher an Rosetta befinden.

Bei der Auswertung der Bilder suchten die Forscher gezielt nach Lichtpunkten, die sich langsam durch das Bildfeld der Kamera bewegten. Insgesamt konnten sie vier Brocken aufspüren, deren Durchmesser zwischen 14 und 50 Zentimeter betragen. Drei der Objekte bewegten sich auf elliptischen Bahnen um den Kometenkern, das vierte befand sich auf einer Fluchtbahn und verließ das Umfeld von 67P. Einer der drei anderen Brocken lief auf einer Bahn, die darauf hinwies, dass er sich wohl erst kurz zuvor vom Mutterkörper abgelöst hatte. Dies ist erstaunlich, denn zu dieser Zeit war 67P mit einem Abstand von rund 500 Millionen Kilometern, rund der 3,4-fachen Distanz Erde – Sonne, noch weit von unserem Zentralgestirn entfernt und zeigte daher nur schwache Aktivität. Derartige Bruchstücke umrunden dann auf ungefähr der gleichen Bahn wie der Kometenkern die Sonne. Die anderen drei Brocken laufen mit wenigen zehn Zentimetern pro Sekunde um den Kometenkern und wurden in Abständen zwischen 4 und 17 Kilometer zur Oberfläche beobachtet.

Bei einigen Kometen – allerdings nicht bei 67P – schneidet ihre Bahn die Erdbahnebene, und der bei den Sonnenumläufen freigesetzte Staub sorgt dann beim Auftreffen auf die Erdatmosphäre für viele Sternschnuppen. Bei manchen dieser so genannten Meteorströme werden immer wieder grelle Feuerkugeln oder Boliden beobachtet. Sie entstehen beim Eintritt von Objekten in der Größe eines Fußballs oder mehr, die dabei in der Erdatmosphäre verglühen. Rosetta konnte nun dokumentieren, dass Kometen wie lange vermutet auch größere Brocken entlang ihrer Bahn zurücklassen. Auch die US-Raumsonde EPOXI hatte bei ihrem Vorbeiflug an Komet 103P/Hartley 2 im Jahr 2010 Eisbrocken mit Durchmessern von bis zu vier Metern beobachtet, die sich vom Kern abgelöst hatten.

Eine andere Arbeitsgruppe um Ivano Bertini von der italienischen Università degli Studi di Padova suchte auf Bildern, die im Juli 2014 beim Anflug von Rosetta auf 67P aus weiterer Entfernung entstanden, nach möglichen größeren Begleitern des Kometenkerns. Ihre Suche erbrachte keine Begleiter größer als sechs Meter in Abständen von bis zu 20 Kilometern zum Kometenkern. Zudem konnten die Forscher auch Objekte mit Durchmessern bis herab zu einem Meter in einem Abstandsbereich zwischen 20 und 110 Kilometer zum Kern ausschließen. 67P hatte also zu dieser Zeit keine Monde.

Mittlerweile hat sich 67P beträchtlich an die Sonne angenähert, am 22. Juni 2015 war der Kern 208 Millionen Kilometer oder den 1,4-fachen Abstand Erde-Sonne von unserem Zentralgestirn entfernt. Somit ist die Einstrahlung der Sonne beträchtlich angestiegen und der Komet um ein Vielfaches aktiver als bei der Ankunft von Rosetta im Sommer 2014. Nun umgibt ein ganzer Schwarm von Objekten mit bis zu einem Meter Durchmesser den Kern und zwang die Missionkontrolleure der ESA dazu, den Abstand von Rosetta zu 67P deutlich zu erhöhen.

Die Sonde hatte durch diese Trabanten Probleme mit ihren Sternsensoren bekommen, welche diese Objekte für Sterne hielten. Da sie sich aber am Himmel bewegten, kam die Steuersoftware von Rosetta in Konflikt mit den gespeicherten Sternkatalogen. Dadurch wurden mehrere so genannte Safing Events ausgelöst. Dabei schaltete die Sonde ihre wissenschaftliche Nutzlast ab, richtete ihre Solarzellenausleger zur Sonne aus, um ihre Energieversorgung sicherzustellen, und rief per Funk bei der Bodenstation im European Space Operations Centre (ESOC) in Darmstadt um Hilfe. Daraufhin wurde der Abstand von Rosetta zum Kern von wenigen Dutzend Kilometern auf 200 bis 240 Kilometer erhöht. Nun ist sie wieder auf rund 180 Kilometer an 67P herangeflogen, um eine bessere Funkverbindung mit der am 13. Juni 2015 wieder erwachten Tochtersonde Philae zu erreichen. Derzeit ist der Kontakt aber noch unregelmäßig.

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