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News: Rote Bananen

Form und Farbe von wahrgenommenen Objekten sind wichtige Kriterien, die unser Gehirn in verschiedenen Arealen abspeichert. Für den Gesamteindruck muss das Gehirn diese Informationen wieder zusammenfügen - und dabei spielt der räumliche Eindruck eine entscheidende Rolle.
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Auf dem Tisch steht eine bunte Obstschale: rote Äpfel, gelbe Bananen, grüne Weintrauben. Einfach lecker. Aber warum sehen wir keine rote Bananen oder gelbe Äpfel? Die Frage ist nicht so trivial, wie sie zunächst erscheint. Denn schließlich muss unser Gehirn von den erblickten Objekten gleichzeitig sowohl die Formen als auch die Farben analysieren und abspeichern. Und dies geschieht in verschiedenen Bereichen des Gehirns. Für den Gesamteindruck müssen die Informationen wieder zusammengefügt werden – und zwar so, dass dabei keine roten Bananen entstehen.

Bisher vermuteten Wissenschaftler als Schlüssel für den korrekten Zusammenbau die Tatsache, dass das Gehirn Form und Farbe zwar in verschiedenen Regionen, aber gleichzeitig registriert. Und aus dieser zeitlichen Übereinstimmung sollte das Gehirn den Schluss ziehen, dass die beiden Informationen zum selben Objekt gehören.

Doch bereits 1980 zweifelte Anne Treisman von der Princeton University diese Hypothese an. Sie vermutete, dass nicht in der zeitlichen, sondern in der räumlichen Wahrnehmung der Schlüssel für die Integration der Informationen liegt. Mit anderen Worten: Wir sehen die Gestalt eines Apfels, wir erkennen seine Farbe, und wir sehen seine räumliche Lage in der Obstschale. Und diese räumliche Information nutzt das Gehirn, um Form und Farbe passend miteinander zu verbinden.

Hinweise für die Richtigkeit dieser Hypothese lieferte ein Patient mit einer Verletzung im Parietallappen der Großhirnrinde. Denn in diesem Areal verarbeitet das Gehirn räumliche Eindrücke. Und tatsächlich brachte der Patient Form und Farbe von Objekten, die ihm gleichzeitig präsentiert wurden, durcheinander. Sah er die Objekte dagegen hintereinander, dann hatte er keine Schwierigkeiten, Form und Farbe richtig zuzuordnen.

Keith Shafritz und John Gore von der Yale University haben nun zusammen mit René Marois von der Vanderbilt University versucht, Treismans Hypothese zu überprüfen. Die Forscher präsentierten hierfür ihren Versuchspersonen auf einem Bildschirm Objektpaare und baten sie, sich entweder auf die Gestalt oder auf die Farbe oder auf beides zu konzentrieren. Dabei tauchten die Paare entweder hintereinander am gleichen Ort oder gleichzeitig an verschiedenen Orten auf.

Dabei verfolgten die Wissenschaftler die Aktivitäten der Parietallappen ihrer Versuchspersonen mithilfe der funktionellen Kernspinresonanztomographie. Und diese Beobachtungen bestätigten Treismans Hypothese: Die Parietallappen wurden dann besonders rege, wenn die Probanden mehr als ein Objekt gleichzeitig sahen. Wurden ihnen die Objekte dagegen hintereinander präsentiert, dann blieben diese Hirnregionen ruhig.

"Das liefert einen wichtigen Beleg für die Theorie, dass die räumliche Wahrnehmung das verbindende Element ist, mit dem das Gehirn die Eigenschaften gesehener Objekte integriert, wenn es mit mehr als einem Objekt konfrontiert wird – was natürlich meistens der Fall ist," erklärt Marois. Und dieser räumliche Eindruck – verarbeitet im Parietallappen – sorgt dafür, dass Bananen nicht plötzlich rot aussehen.

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