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News: Rudern statt laufen

Die Oberflächenspannung bewahrt Wasserläufer vor dem Ertrinken. Doch wie kommen die Insekten vorwärts? Durch die Erzeugung von Oberflächenwellen - lautete bisher die gängige Antwort. Doch die ist falsch.
Wasserläufer
Waren Sie heute schon im Freibad? Vielleicht können Sie die sommerliche Hitze auch an einem natürlichen Gewässer genießen. Dann gönnen Sie sich doch vor dem erfrischenden Bad die Muße, Wasserläufer zu beobachten, die Sie auf einem ruhigen Seen leicht entdecken werden. Häufig wuseln die Insekten in Massen auf dem Wasser und schießen geradezu über die Oberfläche. Wie machen die das eigentlich?

Beim ersten Anblick fallen die langen Mittel- und Hinterbeine auf. Während die kurzen Vorderbeine dem Beutefang dienen – Wasserläufer leben von kleinen Insekten, die ins Wasser gefallen sind –, setzten die Tiere hauptsächlich ihre Mittelbeine als Antrieb ein und steuern mit den Hinterbeinen. Dabei sind die die kleinen Dellen, welche die Beine auf der Wasseroberfläche eindrücken, nicht zu übersehen. Feine, wasserabstoßende Härchen auf dem ganzen Körper verhindern, dass die Tiere unfreiwillig auf Tauchstation gehen – die Oberflächenspannung des Wassers ist groß genug, das Körpergewicht der Insekten zu tragen.

Doch wie kommen die Tiere nun vorwärts? Als "Laufen" kann man die Fortbewegung der Wasserläufer eigentlich nicht bezeichnen, denn die Beine verlieren nie ihren Kontakt zur Wasseroberfläche. Die Beinbewegung erzeugt jedoch kleine Oberflächenwellen, so genannte Kapillarwellen, und so galt bisher die Theorie, dass diese Wellen den Vortrieb der Tiere verursachen.

Dabei gibt es jedoch ein kleines Problem: Um wirksame Oberflächenwellen zu erzeugen, müssen die Beine sich mit einer bestimmten Minimalgeschwindigkeit bewegen – Physiker berechneten einen Wert von 25 Zentimetern pro Sekunde. Ausgewachsene Wasserläufer schaffen das locker, Jungtiere haben da aber ihre Schwierigkeiten. Und so dürften junge Wasserläufer gar nicht übers Wasser laufen können; sie tun es aber trotzdem – eine Tatsache, die als Dennys Paradoxon, benannt nach dem Meeresbiologen Mark Denny, der erstmals darauf hinwies, bekannt geworden ist.

Daher hat sich David Hu zusammen mit seinen Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology, Brian Chan und John Bush, das Laufen der Wasserläufer etwas genauer angeschaut. Dazu färbten die Forscher Wasser mit Thymolblau und ließen ihre Versuchstiere namens Gerris remigis darauf los. Mit einer Hochgeschwindigkeitskamera konnten die Wissenschaftler die Fortbewegungen ihrer Testobjekte genauestens verfolgen.

Und die Filmaufnahmen zeigten deutlich: Die Kapillarwellen spielen bei der Fortbewegung praktisch keine Rolle. Entscheidender sind vielmehr hufeneisenförmige Wirbel, welche die Beine der Insekten unterhalb der Wasseroberfläche erzeugen. Ähnliche Wirbel entstehen auch beim Ruderboot – mit anderen Worten: Die Wasserläufer laufen nicht, sie rudern.

Um ihre Hypothese zu testen, haben die Forscher ein neun Zentimeter großes Modell zusammengebastelt, dass ebenfalls von der Oberflächenspannung des Wassers getragen wurde. Dieser Robostrider genannte Roboter erzeugte durch rudernden Bewegungen die gleichen Wirbel und kam auch tatsächlich damit vorwärts – wenn auch "weniger elegant als sein natürliches Vorbild", wie die Forscher zugeben.

Wenn Sie also demnächst wieder Wasserläufer in Aktion beobachten, dann kennen Sie das Geheimnis ihrer Fortbewegung. Um dieses Wissen bereichtert, können Sie jetzt Ihr erfrischendes Bad genießen.

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