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Sinnesphysiologie und Symbiose: Rüttelsensoren bei Ameisenwächtern

So viel war schon klar: Ameisen können sehr rasch sehr wütend werden, wenn etwas ihre Lieblingsakazie angeknabbert. Aber was alarmiert die Insekten eigentlich so schnell?
Wächterameise auf Akazie

Als Fan von Freundschaften zwischen Tier und Pflanze kommt man an den Ameisenpflanzen nicht vorbei: Auf oder in den dazu zählenden Gewächsen unterschiedlichster Verwandtschaft leben Ameisen mehr oder weniger eng und spezialisiert zum gegenseitigen Nutzen. Ein gern genanntes Paradebeispiel sind die Akazien: Sie stellen Nektar und Wohnstätte zur Verfügung, damit eine wehrhafte Insektenarmee die Pflanze vor dem Angeknabbertwerden durch hungrige Elefanten und Giraffen schützt. Zum Einsatzort dirigiert werden die Ameisenwächter dabei durch Duftstoffe – hatte man zumindest bisher gedacht. Das aber ist sicher nicht die ganze Wahrheit, meinen nun Forscher in einer Studie in »Current Biology«: Ameisen auf Akazien sind vielleicht eher wie Spinnen im Netz und reagieren auf Vibrationen.

Das schließen Bochumer Biotremolologen um Felix Hager aus Experimenten, die sie sich nach immer wieder auffälligen Beobachtungen in der freien Wildbahn ausgedacht hatten. Bei der Feldarbeit in Kenia waren Forscher ab und an unabsichtlich gegen Akazien gestoßen – und hatten sich schnell angewöhnt, in solchen Fällen ein wenig Abstand zu gewinnen, um nicht mit einer heranstürmenden Ameisenschar zu enge Bekanntschaft machen zu müssen. Das Phänomen brachte die Forscher zum Nachdenken: Wie konnten die seit Langem als Signale erkannten Duftbotschaften Ameisen nach einer bloßen Berührung derart schnell und zuverlässig alarmieren?

Auf der Suche nach Antworten bauten die Wissenschaftler einen Ziegensimulator, eine Maschine, die die Knabberbemühungen eines zufällig herumstreifenden hungrigen Savannenbewohners an der Akazie möglichst perfekt nachahmte. Die über ein Gewächs laufenden Vibrationen unterscheiden sich dabei übrigens je nach Auslöser deutlich. Knabbernde Ziegen wackeln ganz anders am Strauch als etwa ein Windstoß. Und dies macht auch für Ameisen wie die Akzienwächterart Crematogaster mimosae ganz offensichtlich einen großen Unterschied, wie das Experiment beweisen konnte: Während echte oder simulierte Ziegenbisse stets wütende Insekten zu den angegriffen Pflanzenteile lockte, ließen Windstöße die Akazienwächter völlig kalt.

Offensichtlich sind Vibrationen der richtigen Frequenz demnach wichtige und bisher unterschätzte Alarmreize für die Akazien-Bodyguards. Diese Reize können sie zudem über größere Entfernungen hinweg aufnehmen, schreiben die Forscher beeindruckt – auch wenn die Amplitude der Vibration mit der Entfernung naturgemäß abnimmt. Selbst zwei Meter von der angeknabberten Stelle entfernt sammelten sich noch 30 Sekunden nach einem Rüttelreiz auffällig mehr Ameisen auf der Suche nach einem zu bekämpfenden Akazienfresser.

Als Nächstes wollen die Forscher nun untersuchen, ob die Ameisen eigentlich bestimmen, in welcher Richtung ihr Angriffspunkt im Falle eines Falles liegt – und ob sie eine Sensorausstattung zur so genannten Klino- oder Tropotaxis, also einer Form der gerichteten Annäherung verwenden. Alternativ wäre ja denkbar, dass schlicht mehr alarmierte Insekten schneller über gerüttelte Akazienteile laufen. Spannend wäre dagegen zu erfahren, ob Ameisen ein Sinnesorgan einsetzen, das die Ausbreitungsrichtung von Vibrationen erkennt – etwa indem sie die Ankunftszeit eines Signals an unterschiedlichen Füßen messen. Tatsächlich deuten die Experimente schon darauf hin, dass die Ameisen die Ausbreitungsrichtung des Rüttelreizes erkennen – um dann darauf zulaufen zu können. Vibrationen dürften aus Sicht der Akazie jedenfalls bessere Alarmsignale darstellen als etwa Duftstoffe; schon, weil sie deutlich rascher bei den Wächtern ankommen, aber vielleicht auch, weil sie eine exaktere Ortung der Reizquelle möglich machen.

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