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Säugetiere: Männchen sind oft nicht größer als Weibchen

Große Männchen, kleine Weibchen – diese alte These geht bei vielen Säugetierspezies nicht auf. Vielmehr ergab eine Studie, dass bei zahlreichen Arten die Geschlechter gleich groß sind.
Zwei Beisa-Oryx in Kenia.
Beim Ostafrikanischen Spießbock, einer Antilopenart, unterscheiden sich die Tiere beider Geschlechter nicht besonders in der Größe. Diese Exemplare hier streifen in Kenia umher.

Auf Löwen, Paviane und Nördliche See-Elefanten trifft es zu: Die männlichen Tiere sind deutlich größer als die Weibchen. Doch bei sehr vielen Spezies der Säugetierklasse unterscheiden sich beide Geschlechter offenbar kaum in der Größe. Ein so genannter Geschlechtsdimorphismus zeichne sich also nicht ab, obwohl viele Menschen gemeinhin davon ausgehen, dass die Männchen bei Säugern stets deutlich massiger seien als die Weibchen. Zu diesem Ergebnis kommen Fachleute um Kaia Tombak von der Princeton University, wie sie im Fachjournal »Nature Communications« schreiben.

Bereits Charles Darwin (1809–1882) habe in seinem Buch »The Descent of Man« betont, dass männliche Säuger größer sind als ihre weiblichen Pendants. Diese Sicht hält sich bis heute in biologischen Übersichtswerken. So steht etwa in der »Encyclopedia of Animal Cognition and Behavior« aus dem Jahr 2017: »Männchen sind das größere Geschlecht bei den meisten Säugetieren.« Die Studienautoren sprechen daher von einem Narrativ der »größeren Männchen« – eine fragliche Auffassung, die sich in der Forschung und Öffentlichkeit durchgesetzt habe.

Problematisch sei laut Tombak und Co, dass Fachleute sehr unterschiedliche Kriterien ansetzten, um die Körpergröße zu kategorisieren. Bisweilen zählten 5, aber auch 10 oder 20 Prozent Größenunterschied als Maßstab, um einen deutlichen oder weniger deutlichen Dimorphismus zu bestimmen. Tombak und ihre Kollegen verglichen daher die Körpergröße beider Geschlechter von 429 in der Wildnis lebenden Säugetierarten. Dazu werteten sie Datenbanken aus, in denen sowohl die durchschnittlichen Werte von Gewicht und Größe gelistet sind als auch die Variationsbreite dieser Maße. Damit deckten sie ungefähr fünf Prozent der Ordnungen in der Klasse der Säugetiere ab. Das Ergebnis: Bei fast 39 Prozent der Spezies sind beide Geschlechter ungefähr gleich groß, bei 45 Prozent sind die Männchen größer und bei 16 Prozent die Weibchen. Nahmen die Fachleute die Körperlänge als Ausgangswert, verschob sich das Ergebnis: Fast 50 Prozent sind gleich groß, bei 28 Prozent sind die Männchen größer und bei 22 Prozent die Weibchen.

Der Geschlechtsdimorphismus fällt dabei je nach Ordnung unterschiedlich aus. Bei der Hälfte aller Nagetiere sind beide Geschlechter gleich groß, bei fast der Hälfte aller Fledermäuse hingegen sind die Männchen kleiner. Am deutlichsten sei der Dimorphismus bei Paarhufern, Fleischfressern und Primaten ausgeprägt. Das könnte damit zusammenhängen, dass bei diesen Arten die männlichen Individuen meist zu Kämpfen gegeneinander antreten, um die Gunst der Weibchen auszufechten. Auf diese Tiere habe sich aber oft das Forschungsinteresse gerichtet und in der Folge die Datenlage verzerrt.

Laut Tombak und ihrem Team sollten Fachleute in Zukunft auch nach anderen Ursachen für Unterschiede in der Körpergröße suchen. So könnte bei manchen Spezies weniger die schiere Masse von Vorteil sein, sondern weitere Selektionsfaktoren gewirkt haben, etwa um im Kampf oder auf der Flucht vor Raubtieren beweglicher zu sein.

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