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Regenwürmer: Samenraub im Untergrund

Regenwurm
Lumbricus terrestris ist unter Gärtnern ein gern gesehener Gast, verspricht er doch, den Boden zu verbessern. Doch dieses Sympathie gegenüber dem Regenwurm könnte sich zukünftig vielleicht etwas abkühlen, wenn sich die Erkenntnisse von Nico Eisenhauer von der Universität Göttingen und seiner Kollegen herumsprechen: Sie haben beobachtet, dass die Regenwürmer nicht – wie bislang gedacht – vor allem totes Pflanzenmaterial verspeisen, sondern sich in großem Umfang auch an lebenden Samen delektieren.

Zwar wurde schon zuvor beobachtet, dass die Tiere einzelne Pflanzensamen verschluckten oder in ihren Gängen sammeln, doch war bislang unklar, ob sie nicht eigentlich verrottendes Material gesucht hatten und die Würmer sie wegen der Nährstoffe fraßen. Eisenhauers Team begann deshalb eine Reihe von Labortests, in denen die Forscher ihren Versuchslumbriciden neben anderer Nahrung verschiedene Samen und Keimlinge anboten.

Tatsächlich fraßen die Würmer bevorzugt stickstoffreiche, langsam keimende Samen, was ihnen einen Wachstumsvorteil gegenüber Artgenossen verschaffte, die nicht auf diese Nahrung zurückgreifen konnten: Tiere, die sich an Stickstoff fixierenden Leguminosen bedienen durften, wuchsen kräftiger als Exemplare, die nur Gräser vorgesetzt bekamen. Das unterschiedliche Futter ließ sich anschließend auch beim Sezieren nachweisen: Da Leguminosen wie Erbsen oder Klee Stickstoff aus der Luft fixieren, weisen sie weniger Stickstoff-15 auf als die Gräser – entsprechend geringer fiel auch der Gehalt des Isotops in den damit versorgten Würmern aus.

Trotz dieser neuen Erkenntnisse hebt Eisenhauer die wichtige Rolle von Lumbricus terrestris in der Bodenökologie hervor, da die Regenwürmer viele Nährstoffe aus totem Material aufbereiten und wieder dem Kreislauf zur Verfügung stellen. Indem Gärtner ihnen Leguminosensämereien anbieten, könnten sie die Tiere vielleicht gezielt anlocken, um andere Pflanzen zu fördern. Kritischer ist dieses Verhalten jedoch für Ökosysteme, in denen die Würmer eingeschleppt wurden wie in Neuseeland oder Nordamerika: Dort könnten sie eventuell seltene Pflanzenarten schaden, hebt der Forscher hervor – zumal schon Fälle bekannt wurden, in denen Spezies nach der Ausbreitung der Würmer ausstarben: Womögich wurden ihre Samen schlicht aufgefressen. (dl)

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