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News: Sandkastenspiele

Sandhaufen ist nicht gleich Sandhaufen. Und was jedes Kleinkind auf dem Spielplatz so mühelos mit Eimerchen, Sieb und Schaufel praktiziert, bereitet gestandenen Wissenschaftlern noch manches Kopfzerbrechen. Allerdings nutzen sie den Sand vor allem als gutes Modell für andere körnige Materialien wie Getreide in Silos oder Kohle auf Halden. Je nach der Art und Weise, mit welcher ein Haufen aufgeschüttet wird, verteilt sich der Druck darin ganz unterschiedlich. Werden die Körner zum Beispiel von einer einzigen Quelle aus aufgeschüttet, nimmt die Kraft Wege wie bei einer gotischen Kathedrale, während die Teilchen im Zentrum relativ wenig belastet werden.
Manche Physiker würden granulare Medien am liebsten einen eigenen Aggregatzustand zuweisen, denn einmal verhalten sich die Teilchen wie ein Festkörper, und im nächsten Moment kippen sie um in einen instabilen Zustand und fließen dahin wie eine Flüssigkeit. Was bei der schönen Sandburg am Strand nur ärgerlich ist, kann unter Umständen gefährlich werden, wenn die Strukturen in einem großen Getreidesilo oder auf einer Kohlehalde ins Rutschen geraten. Doch trotz jahrelanger intensiver Forschung sind Wissenschaftler sich alles andere als einig, welche Kräfte eigentlich in Sandhaufen in welcher Weise wirken.

Um einen Satz unanfechtbarer Daten zu erhalten, führte Robert Behringer von der Duke University zusammen mit Loic Vanel und Eric Clement von der University of Pierre and Marie Curie in Paris peinlich genaue Messungen durch. Die Forscher errichteten auf zwei verschiedene Arten Sandhaufen. Bei der einen rieselten die Körner aus der engen Öffnung eines kegelförmigen Trichters, der sich unten keilartig verengte. In der anderen Testreihe wurde der Sand durch eine Reihe von Sieben eher gleichförmig verteilt. In beiden Fällen blieb die Energie der herabfallenden Körner konstant, weil die Physiker den Trichter oder das Sieb parallel zum Niveau des Sandes anhoben. An verschiedenen Stellen unter den Haufen registrierten Sensoren den lokalen Druck.

Ganz gegen die Intuition herrschte bei dem Haufen, der aus einer einzigen kleinen Quelle aufgeschüttet worden war, der größte Druck nicht in der Mitte der Auflagefläche, sondern in einiger Entfernung davon. Beim gesiebten Sand hingegen konzentrierte sich der Druck genau dort (Physical Review E vom 1. November 1999).

Dem Grund dieser erstaunlichen Druckverlagerung näherten Behringer und seine Kollegen sich mit einem vereinfachten Modell, das im wesentlichen zweidimensional ist. In einen Rahmen aus Pappe und durchsichtigem Kunststoff ließen sie flexible Scheibchen rieseln, die bei mechanischer Beanspruchung unter Lichteinstrahlung zu glühen scheinen. Dadurch konnten die Physiker die Entwicklung und Verläufe der Kräfte im Haufen genau beobachten.

Wieder ergaben sich bei den verschiedenen Methoden, das Material einzustreuen, unterschiedliche Ergebnisse. "Wenn man die Körner direkt mit einem Trichter zugibt, gleiten sie in Lawinen zum Boden herab. Dadurch entstehen Druckketten, die wie freitragende Stützpfeiler wirken", erklärt Behringer. Wie bei einer mittelalterlichen Kirche übernehmen diese Strukturen einen Großteil der Last und leiten die Kraft an Stellen, die sich außerhalb des Zentrums befinden. Im Gegensatz dazu legt sich gesiebter Sand so aufeinander wie die Steine in einer Mauer. "Und der Druck an irgendeiner Stelle hängt davon ab, wieviel Material sich direkt darüber befindet", sagt er. Gute Tips also für den nächsten Urlaub am Strand.

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