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News: Sanfte Ruhe

Periodische Dichteschwankungen der Luft - kurz Schallwellen - können sich zu wunderbaren Klängen zusammensetzen. Mitunter verursachen sie aber auch störenden Lärm. Wegen der großen Wellenlänge des Schalls müssen effektive Schutzschichten einen oder sogar mehrere Meter dick sein - ziemlich unpraktisch. Physiker aus Hongkong haben nun ein Verbundmaterial hergestellt, das die Amplitude von Schallwellen schon in einer zwei Zentimeter dünnen Schicht stark verringert.
Um elektromagnetische Wellen zu dämpfen, haben Materialwissenschaftler bereits vor einiger Zeit so genannte photonische Kristalle entwickelt. Diese künstlichen Werkstoffe weisen wie herkömmliche, kristalline Festkörper verschiedene Bänder auf. Liegen die Wellenlängen im Bereich der Lücken zwischen diesen Bändern, werden sie effektiv abgeschwächt. Dieses Konzept lässt sich auch auf Schallwellen übertragen, bei denen die starken Dichteschwankungen solche Lücken erzeugen – eine Art "Schallkristall" (sonic crystal). Doch Schallwellen haben in Luft Wellenlängen bis zu knapp 20 Meter, daher müssten Schutzschichten enorme Ausmaße annehmen.

Die Gruppe um Zhengyou Liu von der Hong Kong University of Science and Technology hat nun ein neues Material entwickelt, das Schall mindestens zehn Mal besser schwächt als gewöhnliche akustische Schutzschichten. Die Forscher haben Bleikugeln von etwa einem Zentimeter Durchmesser mit einer 2,5 Millimeter dicken Schicht aus Silikongummi überzogen. Die Kugeln betteten sie in einen Würfel aus Epoxydharz mit einer Seitenlänge von acht Zentimeter ein. In der Nähe dieses Kristalls platzierten sie eine Schallquelle und verglichen die Amplituden der Wellen in einem Bereich von 250 Hertz bis über 1600 Hertz an der Oberfläche und im Inneren. Dabei zeigte sich, dass viele Frequenzen, die sie in den Würfel geschickt hatten, nicht wieder herauskamen. Die beschichteten Metallkugeln absorbierten diese fehlenden Frequenzen, indem sie zu schwingen begannen. Dieser Mechanismus ähnelt den Schwingungen zweiatomiger Moleküle in normalen Kristallen, bei denen ein Atom deutlich schwerer ist als das andere (Science vom 8. September 2000).

Da diese Resonanzen an den einzelnen Kugeln lokalisiert auftraten, schwächten sogar Schichten in der Dicke einzelner Kugeln die Schallwellen, wie die Forscher mittels einer 2,1 Zentimeter dicken Platte mit einem Durchmesser von 9,8 Zentimeter nachwiesen, die zu 48 Prozent zufällig verteilte Kugeln enthielt. In diesem Verbund war die kleinste abgeschwächte Wellenlänge mindestens zehn Mal kleiner als in einer Vergleichsplatte aus reinem Epoxydharz. Dieses Material verhielt sich genau so wie ein Medium, das elektromagnetische Wellen total reflektiert.

Die Wissenschaftler können Größe und Geometrie des Verbundmaterials so regulieren, dass es verschiedene, ausgewählte Wellenlängen absorbiert. Dann wird es sich vielleicht anwenden lassen, um Erdbebenwellen zu reflektieren, wenn es den Wissenschaftlern gelingt, den absorbierten Frequenzbereich genügend auszudehnen.

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