Mongolei: Sattel und Steigbügel machten Reiterkrieger zu überlegenen Kämpfern
Die Reitervölker der eurasischen Steppe verschafften sich wohl im 4. und 5. Jahrhundert einen entscheidenden Vorteil: Sie entwickelten einen Reitsattel mit einer festen Innenstruktur aus Holz und kombinierten ihn mit Steigbügeln. Damit konnten die Pferde mehr Gewicht tragen und die Tiere besser gelenkt werden – die neue Ausrüstung sorgte somit wohl für eine militärische Überlegenheit. Wo genau diese Entwicklung ihren Anfang nahm, haben Archäologen nun herausgefunden: An zwei Fundplätzen in der Mongolei kamen ein hölzerner Reitsattel und ein Steigbügel aus Eisen zum Vorschein. Wie ein Forscherteam um Jamsranjav Bayarsaikhan vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena und William Taylor von der University of Colorado-Boulder im Fachblatt »Antiquity« schreiben, bezeugen Radiokarbondatierungen, dass es sich dabei um die ältesten Funde von einem stabilen Sattel und einem Steigbügel handelt.
Der rot und schwarz bemalte Sattel lag als Beigabe in einem Höhlengrab in Urd Ulaan Uneet, wo ein Mensch samt Pferd beigesetzt worden war. In das Holzgestell mit Sitzfläche sind Lederriemen eingesetzt, an denen, so vermuten die Archäologen, einst die Steigbügel befestigt waren. Mit einem weiteren Riemen zurrte man den Sattel vermutlich um den Bauch des Pferds fest. Der eiserne Steigbügel fand sich hingegen im Norden der Mongolei, in einem Grab in Khukh Nuur.
Mit Hilfe der 14C-Methode datierte das Forscherteam die beiden Stücke. Laut den Untersuchungen war der Steigbügel von 243 bis 405 in Gebrauch – so alt sind jedenfalls die Knochen aus dem Grab. Der Sattel entstand im Zeitraum von 267 bis 535. Wie weitere Analysen belegen, stammte das Leder der Sattelriemen von einem männlichen Pferd, das Holz von Birken. Weil spätere Sättel aus dieser Region ähnlich konstruiert und aus denselben Materialien bestehen, gehen Bayarsaikhan und seine Kollegen davon aus, dass Pferd und Baum aus der Gegend um die Höhle kamen. Die technischen Neuerungen fürs Reiten könnten demnach im Gebiet der heutigen Mongolei entstanden sein. Vermutlich irgendwann im 4. oder 5. Jahrhundert, so die Forschenden – ab dem 6. Jahrhundert dann waren starre Sättel mit Steigbügel bereits in Ostasien verbreitet.
Eroberte das Rouran-Khaganat dank des neuen Sattels sein Reich?
Sättel, die auf einem stabilen Gerüst, einem so genannten Sattelbaum, aufgebaut sind, boten einige Vorteile. Die Reiter saßen sicherer auf, konnten das Pferd besser führen und sich schwerer wappnen. »Heutzutage werden sie von nahezu allen Reitern verwendet, aber anfänglich nutzte man offenbar weder Steigbügel noch echte Sättel«, erklären die Studienautoren laut einer Pressemitteilung von »Antiquity«. »Ihre Entwicklung revolutionierte die berittene Kriegsführung und trug zu weit reichenden sozialen Veränderungen in ganz Eurasien bei.«
So formierte sich in der Zeit des Holzsattels in Mittel- und Ostasien eine Stammesföderation, das Rouran-Khaganat. Der Kern des Verbunds lag in der heutigen Mongolei, durch ihre Feldzüge bauten die Rouran ein Reich auf. Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler annehmen, könnte der neue Sattel der Stammesföderation einen militärischen Vorteil verschafft haben. »Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass der Aufstieg der Rouran durch eine technologische Überlegenheit begünstigt wurde, die mit der frühen Verwendung von Sätteln auf einem (Holzgestell) und Metallsteigbügeln zusammenhing.«
Schon in den Jahrhunderten zuvor hatten die Steppenbewohner technische Neuerungen eingeführt. Zaumzeug und Trense beispielsweise sowie den Streitwagen im späten 3. Jahrtausend v. Chr. Der bislang älteste bekannte Sattel, der keine Holzteile enthält, sondern aus Lederpolstern besteht, fand sich im Nordwesten Chinas. In einem 2700 Jahre alten Grab im Wüstenort Yanghai.
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