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News: Sauer gedrosselt

Ohne Treibstoff läuft kein Motor, aber zuviel des Guten verträgt er auch nicht - mit einem letzten Aufseufzen streckt er dann die Kolben. Dasselbe erleben Bakterien, wenn ihr Zellinneres mit Protonen überschwemmt wird: Ihrem Rotorantrieb vergeht das Drehen.
Ein Gepard erreicht im Spurt eine Geschwindigkeit von bis zu 110 Kilometer pro Stunde – das sind etwa 25 Körperlängen pro Sekunde. Bakterien könnten darüber müde lächeln: Sie flitzen bis zu 60 Körperlängen pro Sekunde durch die Petrischale – und das nicht auf vier Beinen, sondern allein angetrieben durch winzige Geißeln, die Propellern gleich die Zellen durch die Gegend treiben.

Der Treibstoff für den zellulären Motor, der die Geißeln zum Rotieren bringt, besteht aus einem Protonenfluss, durch den zwischen Zellinnenraum und Außenmedium ein Gradient des pH-Wertes entsteht: Indem die Zelle Protonen aktiv nach außen pumpt, wird es innen alkalisch, während außen der pH-Wert absinkt, die unmittelbare Umgebung also saurer wird. Diesem Konzentrationsgefälle entsprechend strömen die Protonen – und zwar durch den Motor – wieder nach innen und bringen ihn damit zum Drehen, wobei eine Umdrehung etwa 1000 Protonen braucht.

Aber wie bei jedem anderen Motor: Zuviel Treibstoff bekommt dem geregelten Betrieb nicht, wie Kenji Oosawa von der Nagoya University und seine Kollegen zeigen konnten. Sie machten Schwimmversuche mit Escherichia coli und Salmonella-Bakterien – und zwar in verschieden sauren Milieus. Indem sie die Mikroorganismen mit ihren Geißeln an Objektträgern befestigten, konnten sie beobachten, wie rasant sich diese noch drehten, und welche Einflüsse den Rotorantrieb schließlich zum Stehen brachten.

Selbst bei pH fünf rotierten die Geißeln noch fleißig, die saure Umgebung völlig ignorierend. Das Bild änderte sich jedoch, sobald die Forscher schwache Säuren – Acetat und Benzoat – hinzufügten: Als hätte eine Bremse angesetzt, bewegten sich die Geißeln immer langsamer, bis sie letztendlich sogar ganz stillhielten. Kaputt war der Antrieb allerdings nicht, denn erhöhten die Forscher den pH-Wert wieder auf sieben, setzte auch die Rotationsbewegung mit vergleichbarer Geschwindigkeit wieder ein.

Die Forscher vermuten, dass die schwachen Säuren den fein austarierten Ladungsunterschied zwischen innen und außen durcheinander bringen, indem sie – ins Zellinnere eingeschleust – dort Protonen freisetzen und deren Anteil daher erhöhen. Damit allerdings verkleinern sie den Gradienten zwischen innen und außen, und der Protonenfluss gerät ins Stocken beziehungsweise kommt ganz zum Stehen: Der Motor ist verstopft, ganz wie bei seinen großen Pendants.

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