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Astronomie: Saure Suppe

Ausgedehnte Meere sollen einst die heute so kalte, staubige Oberfläche des Roten Planeten bedeckt haben. Nur sind ausgerechnet Karbonate - auf der Erde ein sicheres Überbleibsel früherer Ozeane - Mangelware auf unserem Nachbarn. Doch vielleicht gibt es dafür eine plausible Erklärung.
Mars
Das Thema ist ein Dauerbrenner und mindestens so schlagzeilenwirksam wie Dinosaurier, Stammzellen oder Roboter: Wasser auf dem Mars. Jeder noch so kleine Hinweis wird begierig aufgegriffen, hin und her gedreht und heiß diskutiert. Kein Wunder, wer Aufnahmen der heutigen Oberfläche unseres Nachbarn betrachtet, möchte kaum zweifeln, dass dort einst Bäche und Flüsse flossen, Seen und Meere gegen Ufer und Strände schwappten. Wasserdampf und Wassereis wurden aufgespürt, Minerale lassen es schwer vermuten, und doch: Bisher fanden sich noch meist auch trockene Gegenargumente, die einem heutigen Vorkommen des flüssigen Lebenselixiers widersprachen.

Und früher? Dies zu klären, hatten Wissenschaftler große Hoffnung in den Nachweis von Karbonaten auf dem Mars gesetzt. Schließlich zeugen sie auf Erden eindeutig von ehemaligen Ozeanbecken, in denen sie als Kalkschalenüberreste von Organismen und als ausgefällte Minerale Kilometer mächtige Ablagerungen bildeten. Entsprechend begeistert zeigte sich die Forscherwelt, als die Raumsonde Mars Global Surveyor im August 2003 tatsächlich Karbonate entdeckte. Doch die Enttäuschung folgte auf dem Fuße: Statt mächtiger Schichten spürten die Spektrometer nur winzige Mengen, und diese auch nur im oberflächlichen Staub auf. Waren die Instrumente nicht empfindlich genug, oder hatten sie an der falschen Stelle gesucht? Gab es einst die gesuchten Ablagerungen, aber saurer Regen und chemische Prozesse hatten sie inzwischen wieder zerstört? Oder aber mussten sich die Astronomen doch eingestehen, dass sie etwas suchten, was schlicht nicht existierte – und verdorrte damit auch der Traum einst wogender Meere?

Mitnichten, meinen Alberto Fairén von der Autonomen Universität Madrid und seinen Kollegen. Sie erstellten nun ein Rezept, das dem Roten Planeten vor vier Milliarden Jahren sehr wohl eine entsprechend warme und feuchte Vergangenheit ermöglicht hätte. Die wichtigste Zutat zunächst: Kohlendioxid. Bis zu vier Bar soll dessen Partialdruck damals betragen haben. Zusammen mit einigen Wärme reflektierenden Eiswolken, vulkanischen und sonstigen Treibhausgasen wie Methan und Ammoniak könnte damit die Temperatur auf dem heute so kalten Nachbarn gerade bis über den Gefrierpunkt geklettert sein. Und das CO2 habe noch einen weiteren Effekt gehabt: Im Wasser gelöst, senkte es den pH-Wert der Ozeane.

Nächste, ebenfalls säuerliche Zutat: Eisen-Ionen. Auf der jungen Erde waren davon reichlich vorhanden, auf Grund hydrothermaler Quellen konnten die Konzentrationen damals auf Werte von bis zu 50 Mikromol pro Liter klettern. Der junge Mars war daran kein bisschen ärmer, im Gegenteil: Bis zu 800 Mikromol pro Liter dürften hier lokal erreicht worden sein. Und diese wiederum setzen bei der Reaktion mit Wasser ebenfalls Protonen frei – schon sinkt das pH-Meter ein Stückchen weiter. Nun noch eine gehörige Prise Sulfate, die angesichts der heutigen Mineralvorkommen auf dem Mars gleichfalls keine Seltenheit war, und schon war die saure Meersuppe perfekt: ein pH-Wert von 5,3 bis 6,2, womöglich sogar nur um 2, machte ein Ausfällen von Karbonaten in Form von Siderit unwahrscheinlich bis unmöglich.

Ozean ja, Karbonat nein, lautet also die Schlussfolgerung der Wissenschaftler. Und zur Untermalung führen sie gleich noch ein Beispiel aus ihrer Heimat an: den Rio Tinto. Dessen Zuflüsse nämlich entwässern ein ebenfalls sehr eisen- und sulfatreiches Gebiet. Ihre Sedimente bestehen unter anderem aus Goethit und Hämatit, also just jenen Mineralen, die Opportunity auch in seinem Landegebiet der Meridiani-Ebene aufgespürt hatte.

Und was wäre eine Geschichte zu Wasser auf dem Mars ohne den üblichen Hinweis auf potenzielles Leben? Nicht umsonst schließen die Forscher daher wohl ihren Vergleich des spanischen Flusses mit ehemaligen marsianischen Meeren mit dem Hinweis, dass dessen Lebewelt ausgesprochen vielfältig sei – was auf eine ähnliche frühe Biosphäre auf dem Nachbarn hoffen ließe.

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