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News: Saures Lernen

Manches Wissen bleibt nur dauerhaft im Gedächtnis, wenn man es immer und immer wiederholt und dadurch eine ausgeprägte Verbindung zwischen zwei kommunizierenden Nervenzellen legt. Sprichwörtlich sauer erarbeitet ist dieses Wissen zumindest dann, wenn säureempfindliche Proteinkanäle in den Nervenzellen an der Gedächtnisformation beteiligt sind. Mäuse, denen dieser Proteinkanal fehlt, zeigen eine Reihe von Lernschwächen. So können sie sich wesentlich schlechter als ihre gesunden Artgenossen an den Aufenthaltsort von Dingen erinnern.
Seit zwanzig Jahren wissen Neurologen, dass Säuren Nervenzellen anregen und ihnen ein elektrisches Signal entlocken können. Obwohl diese Beobachtungen auf einen säureempfindlichen Proteinkanal quer durch die Zellmembran schließen lassen, blieb die molekulare Identität des möglichen Verantwortlichen ein Rätsel. Bis vor einigen Jahren ein geeigneter Kandidat entdeckt wurde: der für Säuren empfindliche Ionenkanal ASIC (acid sensing ion channel).

Dass dieses Protein tatsächlich in Lernprozesse involviert ist, haben nun Wissenschaftler der University of Iowa aufgedeckt. Das Team um John Wemmie spürte das ASIC-Protein im Hippocampus auf – eine Gehirnregion, die bekanntermaßen eine entscheidende Rolle bei Lern- und Gedächtnisprozessen spielt. Hier tummelt sich das Protein im hauchzarten Spalt der so genannten Synapse zwischen zwei Nervenzellen. Über ihn gelangen Botenstoffe von einem Neuron zum nächsten, um Botschaften untereinander auszutauschen und zu kommunizieren. Je häufiger eine Synapse angeregt wird – etwa, indem man Wissen immer und immer wiederholt – desto gefestigter ist die neuronale Verbindung. Ein fürs Lernen unerlässlicher Vorgang.

Welche Rolle dem ASIC-Protein dabei zukommt, offenbarten Mäuse ohne entsprechenden Ionenkanal. Die Tiere zeigten signifikante Defizite ihrer Lern- und Gedächtnisfähigkeiten. Dies herauszufinden war gar nicht so einfach, sahen die Tiere doch normal aus, von ihrem völligen Mangel des Proteins ASIC abgesehen. Da sich ihr Verhalten auf den ersten Blick nicht von ihren gesunden Artgenossen unterschied, zeigte erst ein genauer Blick ins Gehirn ihre Lernprobleme. Mit intensivem Training allerdings konnten die Nager zumindest ihre Leistungen von räumlichem Lernen verbessern. "Das aufregendste über unsere Mäuse ist weniger ein dramatischer Effekt, als vielmehr der subtile Zusammenbruch von Lern- und Gedächtnisfunktionen", sagt Wemmie.

Nun soll das Protein ASIC für ein entsprechendes Medikament Pate stehen, mit dem das Gedächtnis verbessert werden könnte. Alternativ unterdrückt seine Blockade die Erinnerungsleistung. Ein gewünschter Effekt, um psychiatrische Erkrankungen wie post-traumatische Störungen zu behandeln.

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