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News: Scharfe Schoten

Wer kennt ihn nicht, den brennenden Geschmack der Chilischoten? Verantwortlich für ihre Schärfe ist der Gehalt an Capsaicin, mit dessen Hilfe seine pflanzlichen Produzenten offenbar äußerst erfolgreich hungrige Säugetiere abschrecken, welche die kostbaren Samen nur zermalmen und damit unfruchtbar machen würden. Den Vögeln scheint der feurige Chemiecocktail hingegen nicht den Geschmack zu verderben. Das hat auch seinen Sinn, denn diese scheiden die aufgenommenen Samen unbeschadet wieder aus und sichern so das Überleben der Pflanze.
Capsaicin lautet der chemische Name des feurigen Wirkstoffes, der neben Chilischoten auch rotem Pfeffer, Peperoni und Paprika die rechte Würze verleiht. Seine Schärfe nehmen nicht wie sonst üblich die Geschmacksrezeptoren auf unserer Zunge wahr. Vielmehr wirkt die Substanz direkt auf hitze- und schmerzempfindliche Nervenzellen ein, die das Gehirn mit einer "Brandmeldung" täuschen. Doch warum machen sich die Pflanzen die Mühe, einen derartigen Inhaltsstoff herzustellen, der ihre reifen Früchte ungenießbar oder gar giftig werden lässt? Schließlich sind sie doch auf Tiere angewiesen, die ihre Samen verzehren und auf diese Weise zu ihrer Ausbreitung beitragen?

Über dieses widersinnige Phänomen zerbrechen sich Biologen schon lange Zeit den Kopf. Ende der sechziger Jahre präsentierte Dan Jonson eine mögliche Erklärung: Er vermutete, dass Pflanzen Chemikalien gezielt als Abschreckmanöver einsetzen, um bestimmte Tierarten von den Früchten fernzuhalten, andere hingegen nicht. Auf diese Weise gelänge es ihnen, nur bevorzugte Samenverbreiter auszuwählen. Dieser Theorie schenkte die Fachwelt allerdings bislang wenig Aufmerksamkeit, denn in der Natur ließ sich kein entsprechendes Fallbeispiel nachweisen.

Doch nun wurden Joshua Tewksbury von der University of Florida und sein Kollege Gary Nabhan von der Northern Arizona University fündig, als sie Wildpopulationen der Paprikapflanze Capsicum annuum im südlichen Arizona untersuchten. Wie Videoaufzeichnungen enthüllten, ernährten sich nur Vögel von ihren Früchten, wobei der Hauptanteil mit 72 Prozent auf den Krummschnabel Toxostoma curvirostre entfiel. Hingegen blieben die Kaktusmaus Peromyscus eremicus und die Buschratte Neotoma lepida, die zu den häufigsten früchte- und samenverzehrenden Säugetieren in der Region zählen, den Pflanzen fern.

Um zu überprüfen, ob jene Nager die Paprikafrüchte wegen ihres Capsaicin-Gehaltes vermeiden, fingen die Forscher Individuen beider Arten ein und führten mit diesen sowie Krummschnäbeln Laborversuche durch. Zunächst fütterten sie die Versuchstiere mit den Früchten einer Paprika-Variante von Capsicum chacoense. Diese ähnelten zwar in Größe, Färbung und Nährstoffgehalt den Früchten von C. annuum, infolge einer genetischen Veränderung fehlte ihnen jedoch der Inhaltsstoff Capsaicin.

Und tatsächlich verzehrten alle Tiere die angebotene Nahrung. Als die Wissenschaftler das Futter jedoch gegen die scharfen Paprikafrüchte austauschten, fraßen zwar die Vögel weiterhin von der vorgesetzten Speise, nicht aber die Nagetiere: Sie knabberten die bereitgestellte Kost nicht einmal an. Die Versuchsergebnisse belegen somit eindeutig, dass Capsaicin-haltige Nahrung von den beiden Säugetierarten verschmäht wird.

Wie eine nähere Analyse des Kots von den Vögeln und Nagetieren ergab, schieden die Krummschnäbel die in den Paprika-Früchten enthaltenen Samen unverändert wieder aus, sodass diese weiterhin keimfähig waren. Die Nagetiere hatten die meisten Samenkörner hingegen völlig zerkaut und die übrig gebliebenen derart stark geschädigt, dass diese nicht mehr austreiben konnten.

Für das Fortbestehen der Paprika ist es somit von Nutzen, wenn nicht Säuger, sondern Vögel ihre Früchte verzehren und die Samen verbreiten. Und letzteres tun sie genau an den Plätzen, wo die Pflanzen besonders gut gedeihen, wie die Forscher entdeckten. Die Vögel verbringen nämlich viel Zeit in früchtetragenden Sträuchern sowie Bäumen und lassen dort ihre Ausscheidungen zurück. Im Schatten der anderen Gewächse findet die Paprika bessere Wachstumsbedingungen vor als in der feindseligen offenen Wüste, die einen Großteil ihres Verbreitungsgebietes ausmacht. Dies bietet den Pflanzen einen zusätzlichen Vorteil, denn die Krummschnäbel fressen mit höherer Wahrscheinlichkeit die Paprika-Samen, wenn sich die Pflanzen in direkter Nachbarschaft zu den bevorzugten Aufenthaltsorten der Vögel ansiedeln. Zudem ist ein Insekt, das Früchte und Samen der Paprika abtötet, im Schatten der Sträucher und Bäume weniger verbreitet.

"Das Fazit lautet: Für die Paprikapflanzen ist es äußerst förderlich, dass Säugetiere ihre Früchte meiden, während Vögel von ihnen angezogen werden", fasst Tewksbury zusammen.

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  • Quellen
Nature 412: 403–404 (2001)
University of Florida

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