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News: Schicksalhafte Gesangsduelle

Zu Beginn der Brutsaison veranstalten Meisenmännchen regelrechte Gesangswettbewerbe, bei denen sie ihre stimmlichen Qualitäten messen. Und nicht nur die vor die Wahl gestellten Angebeteten lauschen diesem Spektakel - auch bereits liierte Weibchen sind aufmerksame Zuhörer: Im Falle einer akustischen Niederlage ihres einstmals hochrangigen Partners entscheiden sie sich einfach für einen anderen.
<I>Poecile atricapillus</I>
Um eine Familie zu gründen, binden sich die Schwarzkopfmeisen (Poecile atricapilla) an einen einzigen Partner, doch diesem sind sie nicht in jedem Fall treu. Unlängst haben DNA-Analysen bestätigt, dass ein Drittel der Brut keineswegs vom eigentlichen Nestgenossen des Weibchens abstammt, sondern viele Väter hat. Aber welche Männchen sind für Seitensprünge besonders begehrt, und welche laufen Gefahr ihr Weibchen an einen Nebenbuhler zu verlieren?

Als Maß für die Qualität eines potenziellen Partners dient den Vogeldamen die Sangeskunst der Meisen-Männchen, mit deren Hilfe sie um die Gunst der Weibchen werben. Gewöhnlich finden zu Beginn der Brutzeit zwischen den Konkurrenten wahre Gesangswettbewerbe statt. Die Weibchen lauschen der Austragung aufmerksam, denn sie bietet ihnen die Gelegenheit, das Können der Rivalen direkt zu vergleichen und den Sieger als Vater ihrer Kinderschar auszuwählen.

Daniel Mennill und seine Kollegen von der Queen's University gingen nun der Frage nach, ob das Fortpflanzungsverhalten der weiblichen Meisen tatsächlich auf eben jenen Auswahlkriterien beruht. Um das Liebesleben und mögliche außereheliche Liaisons der Vogeldamen zu erkunden, erstellten die Wissenschaftler deshalb zunächst eine Rangliste der Männchen. Anschließend ahmten sie mithilfe von aufgezeichneten Meisengesängen das natürliche Kräftemessen zwischen den Territoriumsbewohnern nach.

Und je nach Status des einzelnen Männchen verfolgten die Wissenschaftler jeweils verschiedene "Playback"-Strategien: So setzten sie die gefiederten Sänger von hohem Rang einem aggressiven "Rivalen" aus, der seine Lieder zur selben Zeit und mit derselben Frequenz zum Besten gab. Weniger angesehene Männchen hingegen sahen sich mit einem "Kontrahenten" konfrontiert, der sich unterwürfig zeigte. Sein Repertoire von höherer Frequenz stimmte er erst an, nachdem der echte Kandidat seinen Gesang bereits beendet hatte.

Zur Kontrolle führten die Forscher zusätzlich Experimente durch, bei denen sie hochrangigen Männchen das aufgezeichnete Liedgut eines unterlegenen Kontrahenten vorspielten und "minderwertige" Sänger Lautäußerungen eines aggressiven "Gegners" zu hören bekamen. Bei allen Versuchsgruppen stellten die Wissenschaftler anschließend anhand von Blutproben die Vaterschaft der Nestinsassen fest. So konnten sie feststellen, ob und wie weit die nachgestellten Gesangswettbewerbe die Partnerwahl der Weibchen beeinflusst hatten.

Und tatsächlich zeigten die fingierten Wettkämpfe bei den Männchen von hohem Status gravierende Auswirkungen: Eine stimmliche Niederlage gegenüber einem aggressiven Eindringling ging bei ihnen wesentlich öfter mit einem Verlust der Vaterschaft einher als bei den Kontrolltieren, die lediglich gegenüber unterwürfigen Rivalen zu bestehen hatten. Offenbar hatten die zugehörigen Weibchen dem Wettstreit gelauscht und nach dem schlechten Abschneiden ihres hochrangigen Partners einen anderen Vater für ihren Nachwuchs bevorzugt.

Als Zuhörer gelangten sie durch das Gesangsduell an Informationen, die ihre Wertschätzung der Männchen und infolgedessen ihr Fortpflanzungsverhalten beeinflusste. Bei den Männchen niederen Rangs fiel der Vaterschaftsverlust annähernd gleich aus, unabhängig davon, ob sie sich mit einem aggressiven oder einem untergebenen Rivalen messen mussten. Ihre jeweiligen Partnerinnen waren womöglich bereits vor den stimmlichen Auseinandersetzungen fremdgegangen oder sind es gewohnt, dass ihr Nestgenosse einige Gesangsduelle gewinnt und andere verliert, spekulieren die Wissenschaftler.

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