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Kommunikation unter Affen: Schimpansenkinder lernen Mimik und Gestik von ihren Müttern

Vererbt oder erlernt? Forschende haben beobachtet, wie Schimpansen ihre Gesten, Gesichtsausdrücke und Laute erwerben – und ziehen daraus eindeutige Schlüsse.
Zwei Schimpansen sitzen im Wald. Der größere Schimpanse hält einen Stein in der Hand und berührt sanft den Kopf des kleineren Schimpansen, der ihm gegenüber sitzt. Die Szene zeigt eine ruhige Interaktion zwischen den Tieren in ihrer natürlichen Umgebung. Im Hintergrund sind Bäume und Vegetation zu sehen.
Viele über die Mutter verwandte Schimpansen nutzen ähnliche Kombinationen aus Lauten und Körpersprache. Bei Tieren, die über den Vater verwandt sind, sind die Ähnlichkeiten deutlich kleiner.

Menschenkinder lernen die Verständigung von ihren Eltern oder engen Bezugspersonen. Ihre ersten Worte sind meist »Mama« oder »Papa« – in zahlreichen Abwandlungen je nach Herkunftsland. Aber wie ist das bei unseren nächsten lebenden Verwandten, den Schimpansen? Ist ihr Kommunikationsverhalten erlernt oder überwiegend genetisch bedingt?

Ein internationales Forschungsteam um Joseph Mine von der Universität Zürich berichtet jetzt im Fachmagazin »PLOS Biology«: Auch die Kommunikation von Schimpansen (Pan troglodytes) basiert nur wenig auf dem Erbgut und stark auf Lernprozessen. Die Forschenden hatten zuvor eine Gruppe von etwa 60 wildlebenden Schimpansen im Kibale-Nationalpark in Uganda beobachtet. 

Generell verständigen sich Schimpansen – wie wir Menschen auch – nicht nur über Laute, sondern auch über visuelle Signale wie Gesten oder Gesichtsausdrücke. Das mache Untersuchungen komplexer, schreibt das Autorenteam um Mine: »Bei der Erforschung der Kommunikation von Menschenaffen wurden bisher das vokale und das visuelle Kommunikationsverhalten unabhängig voneinander untersucht. Dieser Ansatz ist jedoch nicht repräsentativ für reale Situationen, bei denen beide Verhaltensweisen nebeneinander auftreten.«

Mütter übernehmen die Erziehung – Väter dagegen kaum

Deshalb analysierten die Forschenden diesmal nur Kombinationen aus Lautäußerungen und nonverbalem Verhalten – insgesamt 210 gefilmte Interaktionen von 22 Affen. Das Ergebnis: Viele über die Mutter verwandte Schimpansen nutzen ähnliche Kombinationen aus Lauten und Körpersprache. Bei Tieren, die über den Vater verwandt sind, sind die Ähnlichkeiten deutlich kleiner.

Daraus schließt das Team, dass vor allem die Schimpansenmütter das Kommunikationsverhalten ihres Nachwuchses prägen. Die Schimpansenkinder schauen sich Laute, Körperhaltung, Mimik und Gestik von der Mutter ab und wenden sie dann situationsabhängig selbst an. 

Ursache dafür ist dem Team zufolge die Erziehung: »Schimpansenmütter kümmern sich um ihren Nachwuchs, bis dieser mindestens zehn Jahre alt ist«, schreibt es in dem Forschungsartikel. »Und auch danach sind die jungen Tiere noch in engem Kontakt mit Müttern und Geschwistern. Väter dagegen beteiligen sich kaum an der Betreuung der Kinder und bieten daher weniger Möglichkeiten zum sozialen Lernen.«

Klarer Beleg, dass es sich um erlerntes Wissen handelt

»Wir sehen, dass manche Schimpansenmütter dazu neigen, viele Kombinationen von Lauten und visuellen Reizen zu verwenden, während es bei anderen nur wenige sind«, wird Mine in einer Mitteilung der Zeitschrift zitiert. »Und der Nachwuchs verhält sich schließlich wie die Mütter.« Das wirke noch lange nach: Auch erwachsene Schimpansen haben oft einen ähnlichen Kommunikationsstil wie ihre Mütter.

Für das Team belegen die Ergebnisse klar, dass es sich um erlerntes und nicht um vererbtes Wissen handelt. Wäre es genetisch, müssten die Affen auch ihren Vätern bei der Kommunikation ähneln – selbst dann, wenn die Väter nicht an der Erziehung beteiligt sind. 

Die Studie zeigt damit, dass nicht nur wir Menschen soziale Kommunikation von den engsten Bezugspersonen lernen. Das Verhalten ist vermutlich tiefer in unserer Evolution verankert als bisher angenommen und hat seinen Ursprung wohl schon bei gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Affen vor Millionen von Jahren.

Dies will das Team um Mine weiter untersuchen. »Es wäre von zentraler Bedeutung herauszufinden, ob das auch für unsere anderen nahen Verwandten, insbesondere die Bonobos, gilt.« Bonobos (Pan paniscus) – auch Zwergschimpansen genannt – sind neben den Gemeinen Schimpansen die zweite Schimpansenart. (dpa/kmh)

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  • Quellen
Mine, J. et al., PLOS Biology 10.1371/journal.pbio.3003270, 2025

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