Direkt zum Inhalt

News: Schläfenbein gegen DNA

Auf der Suche nach dem "Missing Link" in der menschlichen Stammesgeschichte erhält eine alte Methode neuen Anstrich: Jetzt werden auch 3-D-Schädelmerkmale für das Puzzle Menschwerdung eingesetzt.
Schimpansen-Schädel
Systematik und Stammesgeschichte sind immer mehr zum Tummelplatz der Molekularbiologen geworden. Nachdem vor etwa 25 Jahren zum ersten Mal die große Ähnlichkeit zwischen Menschen und Affen auch auf molekularer Ebene bestätigt wurde, mussten die Knochenvermesser mehr und mehr ihren Hightechkollegen weichen. DNA-Sequenzen verdrängten Form- und Größenmerkmale am Skelett.

Charles Lockwood von der Arizona State University und seine Kollegen haben ihre Aufmerksamkeit wieder dem alten Vermessen und Auswerten von knöchernen Skelettelementen – der so genannten Morphognostik – zugewandt, um die Familienverhältnisse zwischen dem Menschen und seinen nächsten Verwandten zu analysieren. Am besten geeignet erschien ihnen dabei das Schläfenbein, ein Knochen, der Basis und Seitenwand der Schädelkapsel bildet, Gehör- und Gleichgewichtsorgan umhüllt und sogar Aussagen über die Muskelkraft des Kauapparates zulässt. Er ist sozusagen ein knöchernes Multitalent.

Lockwood und sein Team haben die Schläfenbeine von insgesamt 405 afrikanischen Menschenaffen (Gorillas, Orang-Utans und Schimpansen mit insgesamt acht Unterarten) und Menschen vermessen und statistisch ausgewertet. Eine Unterteilung nach männlichen und weiblichen Individuen war aufgrund der teilweise sehr großen Geschlechtsunterschiede, insbesondere bei den Gorillas, nötig. Ausgewählt hatten die Forscher 22 dreidimensionale Messstrecken am Schläfenbein.

Form- und Größenmerkmale des Schläfenbeins der Hominidae, wie die Familie der Menschenartigen heißt, decken sich sehr gut mit den Ergebnissen des molekularen Stammbaumes: Schimpanse und Mensch sind sich ähnlich und bilden einen Evolutionszweig. Der gemeinsame Vorfahr muß jedoch eher in der Gruppe der Gorillas gesucht werden. Auch die genetischen Unterschiede zwischen Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans konnten durch metrische und morphologische Unterschiede des Schläfenbeines abgesichert werden.

Eine Sache war für Lookwood jedoch besonders wichtig: Er konnte zeigen, dass die Morphognostik keineswegs ausgedient hat und für unsere Stammesgeschichte noch immer große Aktualität besitzt: Das Schläfenbein als stammesgeschichtliches Signal.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.