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News: Schlangenflug

Schlangen schlängeln sich auf dem Boden - der Name sagt's -, klettern auf Bäume, und manche sind geschickte Schwimmer. Aber fliegen?
Wer durch die Tieflandregenwälder Südostasiens streift, der achtet genau auf jeden Schritt – schließlich möchte man ungern auf eine Schlange treten, die ihren Unmut gegebenfalls giftig zum Besten geben wird. Äußerst verblüfft wäre der Abenteuer-Spaziergänger aber sicherlich, wenn ihm ein solch schlängelndes Exemplar plötzlich nach elegantem Gleitflug auf dem Kopf landen würde. Angesichts der ausgefeilten Flugkünste der Reptilien ist dies jedoch ausgesprochen unwahrscheinlich und offenbar auch noch nie geschehen.

Während der Anblick einer fliegenden Schlange den meisten Mitmenschen wohl eher einen gehörigen Schrecken einjagen würde, kann John Socha von der University of Chicago gar nicht genug davon sehen. Wie nur gelingt es den Tieren, ohne unterstützende Flügel oder tragflächenartige Hautlappen Hindernisse zu umgehen, sicher und unverletzt zu landen, und das auch noch genau am angepeilten Ziel?

Unzählige Videoaufnahmen von Paradies-Schmuckbaumnattern (Chrysopelea paradisi) bei ihren Flugversuchen lassen nun eine erste Analyse zu. Socha hatte wildlebende Exemplare gefangen und auf einem Ast an einem zehn Meter hohen Turm im Zoo Singapurs wieder ausgesetzt. Um den aufgedrängten Aufenthaltsort verlassen zu können, blieb den wenige Gramm schweren Schlangen nur der Sprung ins Ungewisse – den umgebenden weichen Rasen.

Typischerweise ließen sie sich erst einmal hängen, verankert allein durch eine Schlinge des Hinterteils. Heftig schaukelnd brachten sie sich dann in Schwung und schnellten schließlich mit gestrecktem Körper vorwärts. Dabei zogen sie kräftig den Bauch ein und machten sich breit und flach, als ob sie dadurch wenigstens etwas Segelfläche gewinnen könnten. Im Mittel beschleunigten sie aufwärts mit 14,4 Metern pro Sekunde zum Quadrat und hoben dann mit 1,7 Metern pro Sekunde ab.

Mit diesen Startbedingungen wäre der Ausflug allerdings bereits nach etwa zwei Metern Luftlinie zu Ende – denn die Schwerkraft würde die Tiere nahezu ungebremst zu Boden ziehen. Aber dagegen lässt sich ja etwas unternehmen: Sobald ihre Geschwindigkeit durch den Fall zunahm, krümmten sich die Schlangen S-förmig zusammen und begannen in der Luft, wild zu schlängeln. Der dadurch entstandene Auftrieb trug die Tiere dann bei einem Fallwinkel von etwa 30 Grad und einer "sanften" Fallgeschwindigkeit von 4,7 Metern pro Sekunde mehr als zehn Meter weit.

Und dabei segeln die Schmuckbaumnattern keineswegs ziellos durch die Gegend. Befindet sich ein Hindernis auf dem Weg, wird es erfolgreich umrundet, ohne sich dabei allerdings in die Kurve zu legen, wie andere Gleitflieger dies tun. Allein eine verstärkte Bewegung des Vorderteils treibt die Tiere in die gewünschte Richtung.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich die schlängelnde Bewegung in der Luft wenig von dem Gleiten auf dem Boden. Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass die Frequenz geringer liegt und die Schlangen weiter ausschlagen. Zusätzlich müssen sie noch Muskeln anspannen, um den Körper abzuplatten – der Bewegungsablauf beim Fliegen dürfte daher wohl einige Koordination erfordern.

Sollte Ihnen also einmal in Singapur tatsächlich eine fliegende Schlange auf den Kopf fallen, bewahren Sie die Nerven und bewundern Sie das Kunststück – zumal die Trugnattern nun wirklich harmlos sind.

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