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Ökologie: Schlechte Nahrung lässt Seevögel verhungern

Von mehreren Millionen zu wenigen Hunderttausend: Die Zahl an atlantischen Rußseeschwalben schrumpfte in den letzten Jahrzehnten beträchtlich - wegen kärglichen Futters.
Rußseeschwalbe mit Küken

Der Lärm – und der Guanogeruch – müssen umwerfend gewesen sein: Noch in der Mitte des letzten Jahrhunderts brüteten mehrere Millionen Paare an Rußseeschwalben auf der britischen Insel Ascension. Es war der bedeutendste Nistplatz der Art im Atlantik. Doch die Fülle ist vergangen, wie neuere Zählungen ergaben. Nur noch wenige hunderttausend Paare suchen das Überseeterritorium auf, um dort zu nisten. Jim Reynolds von der University of Birmingham und sein Team erklären in »Global Change Biology«, dass dies wohl mit tief greifenden Veränderungen in der marinen Nahrungskette zusammenhängen könnte.

Die Rußseeschwalben folgen großen Raubfischen über große Distanzen auf dem offenen Meer – und jagen dabei nach kleineren Fischen, die auf der Flucht vor Tunfischen und anderen Fressfeinden in die Nähe der Wasseroberfläche kommen. Diese energiereiche Beute verfüttern sie dann wiederum an ihre Küken. In den letzten Jahren hatten Biologen allerdings beobachtet, wie viele Seeschwalben keinen Fisch hochwürgten, um ihren Nachwuchs zu ernähren. Stattdessen notierten die Forscher weniger nahrhaftes Futter wie kleine Tintenfische, Meeresschnecken oder sogar Heuschrecken, die über das Meer zogen. Ausgehend von diesen eher anekdotischen Hinweisen analysierten Reynolds und Co die Federn von 180 atlantischen Rußseeschwalben, die zwischen 1890 und heute gesammelt worden waren. An den Isotopenverhältnissen im Gefieder zeigte sich eindeutig: Seit damals nahmen die Seevögel zunehmend weniger nahrhafte Beute zu sich. Bestand sie früher üblicherweise aus fettem Fisch, fehlt dieser heute meist. Stattdessen dominiert Nahrung mit niedrigerer Qualität. Parallel dazu nahm der Bestand auf Ascension ab.

»Mehrere Faktoren könnten eine Rolle spielen, warum die Rußseeschwalben weniger Fisch fressen«, so Reynolds in einer Mitteilung. Ein Grund könnte das schnelle Wachstum des Tunfischfangs in den letzten Jahrzehnten sein, so der Biologe: Weniger Raubfische bedeuteten weniger Beute für die Seevögel. Entweder müssten sie längere Strecken zurücklegen, um Raubfischschwärme zu finden. Oder sie blieben vor Ort, gelangten dann aber nur schwer an die kleinen Fische, weil diese nicht mehr an die Oberfläche gezwungen werden. Möglicherweise spiele jedoch auch die Erwärmung der Ozeane eine Rolle, schließt Reynolds an. Sie verschiebt Verbreitungsgebiete von Fischarten und greift damit ebenfalls in Nahrungsketten ein.

Damit sei wahrscheinlich der Grund gefunden, warum Rußseeschwalben im Gegensatz zu anderen Seevögeln auf Ascension nicht von Schutzmaßnahmen seit der Jahrtausendwende profitiert haben. Damals wurden beispielsweise verwilderte Katzen entfernt, welche erwachsene und junge Vögel gefressen hatten. Auch der Schutz der Gewässer rund um die Insel solle deshalb verstärkt werden, betont Reynolds: »Unsere Ergebnisse bekräftigen, dass es hier ein großes Meeresschutzgebiet geben sollte.«

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