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Eisschilde: Schmaler "Stöpsel" reguliert gigantischen Eiskollaps in der Antarktis

Um bis zu vier Meter könnte das Eis des kilometertief unter dem Meeresspiegel liegenden Wilkes-Becken den Meeresspiegel steigen lassen, würde es schmelzen. Ein schmaler Eisdamm verhindert das. Noch.
Store-Gletscher, Westgrönland

Eine nur wenige Kilometer dicke Barriere verhindert, dass ein fast 1000 Kilometer langer Eisschild in der Antarktis kollabiert und den Meeresspiegel um bis zu vier Meter steigen lässt. Wie Anders Levermann und Matthias Mengel vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung bei der Analyse von Eissimulationen feststellten, zerfällt das Eis des Wilkes-Beckens in der Ostantarktis von allein, wenn sich seine Vorderkante um nur etwa 20 bis 30 Kilometer zurückzieht.

Das liegt daran, dass der Boden des Wilkes-Beckens Richtung Inland in einen Trog abfällt, der mehr als 1000 Meter unter den Meeresspiegel reicht. Dringt der Ozean in den Trog ein, schwimmt der Eisschild auf und zerfällt binnen weniger Jahrtausende vollständig, so das Ergebnis der Simulation. Derartige, momentan eisgefüllte Becken sind rund um die Antarktis zu finden. Sie könnten erklären, wie die Ostantarktis in früheren Warmzeiten substanziell zu höheren Meeresspiegeln beigetragen hat.

Dass das ostantarktische Eis wohl nicht so stabil ist wie erhofft, vermuten Forscher schon, seit das Bohrprogramm ANDRILL in Sedimentkernen des Ross-Meeres am Rand des Eisschilds reichlich Pflanzenpollen fand – 2000-mal so viele wie in normal kühlen Zeiten. In jener Zeit vor etwa 15 Millionen Jahren waren die Eisschilde auch in der Ostantarktis stark zurückgewichen. Der Meeresspiegel lag etwa 40 Meter höher als heute, doppelt so hoch, wie Grönland und die Westantarktis zusammen hätten verursachen können. Auch im mittleren Pliozän vor etwa drei Millionen Jahren lag der Meeresspiegel etwa 35 Meter höher.

Mit ihrer aktuellen Simulation liefern die Forscher mögliche Erklärungen für diese Befunde. Demnach genügt in der Region des Wilkes-Becken ein vergleichsweise geringes Abschmelzen an der Küste, um in dem etwa 900 Kilometer langen und 700 Kilometer breiten Trog eine Kettenreaktion in Gang zu setzen. Der vordere Rand des Eisschilds liegt derzeit auf einem Felsplateau auf, das etwa 500 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Doch wenige Kilometer dahinter fällt der Fels in Richtung des tiefen, landseitigen Trogs ab. Liegt die Eiskante in diesem abschüssigen Bereich auf, ist der Eisschild grundsätzlich instabil: Wasser dringt in den landwärtigen Trog ein und drückt das Eis nach oben. Der Gletscher zerfällt schubweise in gigantische Eisbergflotten, während er über die Jahrhunderte auf eine stabile Position zurückweicht.

Wie die Simulation jedoch auch zeigt, ist das Eis dem zerstörerischen Einfluss keineswegs wehrlos ausgeliefert. Auch wenn das kritische Eisvolumen an der Küste schmilzt, kann von hinten nachfließendes Eis den Stöpsel stabil halten. Der Eisschelf im Wilkes-Trog kann demnach auch eine längere Warmzeit überstehen. Vorausgesetzt allerdings, das Eis weicht nicht zu schnell zurück. Wenn das passiert, kann auch eine vergleichsweise kurzfristige Warmperiode das Ende bedeuten. Derzeit allerdings schmelzen die Gletscher an den Ausgängen des Wilkes-Beckens nahezu gar nicht.

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